Volksinitiative Tschüss Kohle: Politik, Hamburger Klimaschutz und eine Berliner Kohlekommission
Bundespolitik trifft Bundesland Hamburg: Die erforderlichen 10.000 Unterschriften hat die Volksinitiative Tschüss Kohle längst zusammen. Um aber ein möglichst starkes Ergebnis für den Kohleausstieg in der Fernwärme bis 2025 und gegen Vattenfalls Festhalten an der Klimakatastrophe zu erreichen, will die Initiative aus Umwelt-, Klima- und kirchlichen Verbänden noch bis zum 8. Juni weiter Stimmen sammeln. Unterschreiben kann jedeR HamburgerIn ab 16 Jahren. Unter Endspurt listet das Bündnis noch zahlreiche Events auf, wo gemeinsam fleißig weiter für den Klimaschutz gesammelt wird. Wer lieber gleich seine/ihre Stimme abgeben möchte, dann hier: Die Unterschriftenliste gibt es hier zum herunterladen, ausdrucken, unterschreiben und zurücksenden. Auch bundesweit ist diese Hamburger Initiative von großer Relevanz. Gilt es doch, den Kohleausstieg gegen mächtige Interessen aus Politik und Konzernen durchzusetzen. (Siehe dazu unten auch die Foto-Gallerie)
Hamburg meets Berlin
Ab Sommer soll eine mit 23 Personen besetzte Kommission in Berlin an den Start gehen, die angeblich auch irgendwas mit Kohleausstieg und Klimaschutz zu tun haben soll. Da ist viel von Jobs und Strukturwandel die Rede, weniger von Klimaschutz (taz). Diese 23 „Experten“, wie die taz sie nennt, sollen aus Gewerkschaften, Industrie, den Regionen und der Wissenschaft stammen. „Zudem sollen alle sechs Fraktionen des Bundestags mit je einem Abgeordneten vertreten sein, allerdings voraussichtlich ohne Stimmrecht. Die Steuerung liegt im Wirtschaftsministerium; eine Runde von Staatssekretären aus den Ministerien Wirtschaft, Umwelt, Inneres und Arbeit soll koordinieren – wobei die Stelle des für Energie zuständigen Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium noch immer nicht besetzt ist.“
Hinter diesen gesellschaftlichen „Genres“ werden sich die Kohle- und Kapitalinteressen formieren, tief eingegraben in die Parteien CDU, CSU, SPD und FDP. Dass das inzwischen auf einen Etat von nur noch etwas über 2 Mrd. Euro eingedampfte Umweltministerium – bei dem der Bereich Atomenergie und Atommüll immer mehr an eine Milliarde Euro heranreicht – nur am Katzentisch neben Inneres (CSU) und Arbeit (SPD) „mitkoordinieren“ darf, macht deutlich, wo das große politische Gewicht liegt und wer das Sagen hat.
Vor dieser dicken Wand stehen die Umweltverbände mit Blick auf die Kommission: „Die Umweltverbände, für die nach taz-Informationen drei Plätze in der Kommission vorgesehen sind, wollen über eine Teilnahme erst entscheiden, wenn alle Details feststehen. Der Entwurf für das Mandat stieß bei ihnen auf gemischte Reaktionen. BUND-Geschäftsführer Olaf Bandt erklärte, die Kommission habe das Potenzial, zu einer „echten, nachhaltigen Transformation zu kommen“, und warnte, man solle sie „nicht zu schnell totreden“. Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid äußerte hingegen Kritik. „Im Moment ist uns das Mandat noch nicht ehrgeizig genug“, sagte er der taz. Unter anderem fehle ein Zwischenziel für das Jahr 2025.“
Das beschreibt die Kluft ganz gut. Aber beide Sätze könnte die jeweils andere Organisation ebensogut gesagt haben. Allemal weil: „Bislang sind sämtliche Forderungen von Umweltverbänden für eine Teilnahme abgelehnt worden und der derzeit bekannte Arbeitsauftrag der Kommission lässt nichts gutes erahnen.“
Alle fordern Klimaschutzmaßnahmen, aber in der bundespolitischen Regierungspolitik spielen umweltpolitische Interessen nur noch ein Schattendasein.
Der Zeitplan der Kommission, von „irgendwann im Sommer oder so“ bis Ende 2018 oder Januar 2019, ist so strukturiert, dass erst die Jobs, dann die Jobs und schließlich die Jobs im Wandel besprochen werden sollen. Dann – vielleicht noch kurz vor Weihnachten? – kommt nachgeordnet der Klimaschutz mit Blick auf 2030 und, was nicht unbedingt zu erwarten ist: Wenn dann immer noch Zeit ist, soll auch noch mal über die inzwischen weitgehend versenkten Klimaschutzziele bis 2020 gesprochen werden. Ein Herangehen an das Problem Klimaschutz, das vor allem eines zeigt: Interessen waren in der Politik immer noch wichtiger als Vernunft oder Einsicht.
Um die auch mit Blick auf das Pariser Abkommen notwendigen Klimaziele 2020 zu erreichen, bräuchte es eine Bundesregierung, die bereit wäre, 20 der übelsten (Braun-)Kohlekraftwerke sofort vom Netz zu holen. Wie ernst die Klimaentwicklungen zu nehmen sind, sagen nicht nur immer neue wissenschaftliche Fakten. Möglicherweise seit der Frage der Atombewaffnung haben nicht mehr so viele WissenschaftlerInnen der Politik ins Handwerk geredet und drängen auf konkrete und massive Schritte beim Kohleausstieg als wichtigsten Ansatz, um die klimaschädlichen CO2-Emissionen einzudämmen.
Berlin meets Hamburg
Es wird in der bundespolitischen Auseinandersetzung um den Kohleausstieg und mit Blick auf das rot-grüne Hamburg also darauf ankommen, ob die Hamburger SPD und die Grünen sich angesichts der Volksinitiative einerseits und der vollständigen Rekommunalisierung der noch Vattenfall gehörenden Fernwärmeversorgung andererseits, klar darüber sind, dass sie sich richtig reinhängen müssen, wenn es mit Erneuerung ernst gemeint sein soll.
Vor dem Hintergrund der Berliner Kohlekommission, der drängenden Notwendigkeit, die Klimaemissionen deutlich runterzuschauben und ernsthaft ein Signal von Erneuerung und damit für eine wie auch immer geartete gesellschaftliche Alternative zum Neoliberalismus von Großkonzernen, CDU/CSU und FDP, also eine irgendwie „linke“ gesellschaftliche Alternative, die Konzerninteressen reduziert, demokratische Beteiligung und Gemeinwohlinteressen stärkt, muss rot-grün in Hamburg deutliche Signale nach Berlin und in die Bundesrepublik senden.
Diese Erwartungen und diese Bedeutung sollte die Volksinitiative den Grünen, aber vor allem der SPD in der Bürgerschaft und im Senat klar machen, wenn es nach der Sommerpause darum gehen wird, das Anliegen von „Tschüss Kohle“ zu übernehmen: Kohleausstieg in der Fernwärme bis 2025. Beste Möglichkeit dafür: Vattenfall aus der Fernwärmeversorgung in Hamburg rauskaufen, damit den Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ umsetzen und einen sehr wichtigen Schritt gegen Neoliberalismus und zum Klimaschutz beitragen! Das sind Signale und konkrete Schritte, die eine Kohle-Kommission in Berlin möglicherweise auf den richtigen Weg verweist.
Ok, und dann gibt es noch Ende_Gelände, den BUND, Greenpeace, urgewald, Kritische AktionärInnen, die Kohlegruben und Kraftwerke von RWE oder in der Lausitz, viele AktivistInnen, Graswurzel-KämpferInnen, Climacamps und… mehr!
Und: Es wird Sache der LINKEN sein, den Druck zum Wandel zu verstärken, gleichzeitig aber auch zu schauen, wo wie Bündnisse geschmiedet werden können, die für den Klimaschutz die erforderliche Mehrheit organisieren und zu zeigen, dass sie für einen sozial-ökologischen Plan B auch konkret einstehen. Keine leichte Aufgabe, angesichts der beschriebenen Lage.
Stimmen zur Volksinitiative Tschüss Kohle