SPD Hamburg und die eigene Position: Neoliberal mit Vattenfall oder demokratisch mit Energiewende und Klimaschutz

SPD Hamburg und die eigene Position: Neoliberal mit Vattenfall oder demokratisch mit Energiewende und Klimaschutz

Hat die SPD Hamburg und ihre Vertretung im Senat und in der Bürgerschaft eine eigene Position zur anstehenden Rekommunalisierung der Fernwärme-Versorgung? Damals – 2013 – war die SPD samt Führungsspitze um Olaf Scholz (Ex-Bürgermeister) und Andreas Dressel (Ex-Fraktionschef) gegen die vom Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ angestrebte Rekommunalisierung der Energie- und Wärmenetze und setzte auf einen Deal mit Vattenfall und E.on. Im September 2013 votierten die HamburgerInnen dann mehrheitlich für die Rekommunalisierung. Für die SPD – immer wieder gern betont – ist dieses Ergebnis verbindlich! Aber inhaltlich scheint sie im Kern weiterhin ein Bündnis mit Vattenfall zu favorisieren und sowohl Klimaschutz als auch demokratische öffentliche Kontrolle niedrig zu bewerten. In der Sache versteckt sie das hinter einem Gutachten, welches einen gesunkenen Unternehmenswert für die Vattenfall-Wärme-Gesellschaft ermittelt hat und hinter einer Landeshaushaltsordnung, die angeblich nur enge Spielräume lässt. Noch werde geprüft, heißt es. Was prüft die SPD da eigentlich? Alte neoliberale Positionen oder eine Kursänderung für demokratische Erneuerung und Umwelt- und Klimaschutz?

Die SPD verliert Stimmen und gesellschaftliche Bedeutung. Trotzdem hat sie sich im Bund auf den Spagat eingelassen, zu regieren und will angeblich trotzdem eine inhaltliche Erneuerung voran bringen. Keine einfache Aufgabe, auch nicht im Bundesland Hamburg. Dort steht die Rekommunalisierung der bislang noch zu Vattenfall gehörenden Fernwärme an. Eine Mehrheit der HamburgerInnen hatte das 2013 per Volksentscheid beschlossen. Die ersten Schritte, die Rekommunalisierung der Strom- und Gasnetze, sind bereits umgesetzt. Nun also die Fernwärme.

Die SPD war gemeinsam mit Vattenfall, E.on, mit der Handelskammer, der CDU und der FDP damals gegen den Volksentscheid angetreten und setzte u.a. mit einer Minderheitsbeteiligung von 25,1 Prozent weiterhin auf die Atom- und Kohlekonzerne. Hinweise, dass die SPD diese damalige Position inzwischen inhaltlich korrigiert hat, gibt es eigentlich nicht. Obwohl die Rekommunalisierung der Strom- und Gasnetze bislang nur Vorteile zeigt, ist eine nachlesbare Korrektur der früheren SPD-Position in dieser Frage bislang nicht zu vernehmen gewesen.

Nach der Rekommunalisierung der Strom- und Gasnetze sollte nach den Verhandlungen zwischen dem damals allein regierenden SPD-Senat und Vattenfall die Fernwärme zum Januar 2019 an die Stadt übergehen können. Dafür hatte man sich auf einen Mindestkaufpreis geeinigt. Der wurde schon damals als zu hoch kritisiert, die entsprechenden Gutachten wurden aber als geheim eingestuft und konnten nicht überprüft werden. Klar aber war: Der Preis war nicht allein betriebswirtschaftlich begründet, sondern auch politisch bzw. rechtlich.

Immer wieder hatten Scholz und Dressel gegen die Volksentscheids-Befürworter vor großen rechtlichen Auseinandersetzungen mit Vattenfall vor allem bei der Fernwärme gewarnt. Jahrelange Hängepartien wurden von der SPD-Spitze vorhergesagt (hier z.B. in einer PM von Andreas Dressel: http://www.andreas-dressel.de/index.php?id=660&tx_wfpresse_pi1[showUid]=27517&cHash=aa99ec8458bbbd24c02d15fc07518a6d).

Klar also: Der vereinbarte Verkaufspreis war also auch ein Deal mit Vattenfall und möglicherweise sogar darauf angelegt, dass er zum Zeitpunkt der Umsetzung zu einer Debatte führen würde, ob die Stadt sich das leisten kann und darf, den Bürgerwillen umzusetzen. Es gibt also gute Gründe, warum der heutige Finanzsenator Andreas Dressen endlich auch mal öffentlich zu diesem politischen bzw. juristischen Preis – dessen Rahmenbedingungen er damals als Fraktionsvorsitzender mitgestaltet hat – sagen würde. Auch das gehört zur Glaubwürdigkeit.

Der BUND und andere haben inzwischen aufgezeigt, dass die Haushaltsordnung einen sehr großen Spielraum für das Handeln von Senat und Bürgerschaft lassen. In einem Kurzgutachten werden große Vorteile für Stadtentwicklungsplanung, Daseinsvorsorge, Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und regionale Wertschöpfung aufgezeigt. Die zu heben setzt bei der SPD voraus, dass es klare politische und strategische Positionen bzw. Grundlagen gibt. (Hier das Gutachten zur Landeshaushaltsordnung und Rückkauf Fernwärme als PDF)

Die Fachpolitikerinnen der SPD und bei den Grünen, Monika Schaal und Ulrike Spahr, haben sich für die Rekommunalisierung ausgesprochen und das nicht nur 2017 mit einem Antrag in der Bürgerschaft unterstrichen, sondern vor wenigen Wochen auch im Energienetzbeirat diesen Schritt bekräftigt (PDF).

Und auch der Hamburger Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) macht klar, dass sich die Rekommunalisierung für die BürgerInnen, die Energiepolitik und den Klimaschutz lohnen wird. Endlich wird auch hier auf die Potentiale der Rekommunalsierung von Strom, Gas und Wärme hingewiesen, das Wassernetz ist schon lange städtisch und außerdem gibt es ja noch den städtischen Öko-Stromer Hamburg Energie. All das ermöglicht der Stadt, also dem Parlament, dem Senat und der Öffentlichkeit eine strategische Energiepolitik zu entwickeln – ohne dabei privatwirtschaftliche Interessen von z.B. Vattenfall bedienen zu müssen. Hier ließe sich durchaus etwas entwickeln, dass einem modernen Modell von Stadtwerken entsprechen könnte.

Per PM teilte Umweltsenator Kerstan im August mit: „Mögliche Vorteile für Hamburg werden geprüft – Neues Gutachten entwirft Unternehmenskonzept für städtische Fernwärme“. Unter anderem heißt es dort: „Dabei wird insbesondere betrachtet, wie sich die klima- und energiepolitischen Ziele der Stadt wirtschaftlich realisieren ließen. In die Untersuchung fließen alle betriebswirtschaftlichen Aspekte mit Einfluss auf Kosten und Nutzen ein, die sich bei einem Netz unter öffentlicher Führung ergeben. Dazu zählen die betriebswirtschaftlich relevanten Synergieeffekte, die entstehen, wenn alle drei Energienetze in öffentlicher Hand liegen und mit anderen öffentlichen Unternehmen wie Hamburg Wasser, Hamburg Energie und Stadtreinigung kooperieren. Gegenstand der Prüfung ist zudem die Möglichkeit, als städtisches Unternehmen auf günstigere Finanzierungen zugreifen zu können.“

Kaufen. Das ist und bleibt die richtige Entscheidung. Weil es sich lohnt.

Diesen Denkansatz hätte man gern direkt bereits nach dem Volksentscheid verstärkt ins Visier nehmen sollen und damit den Richtungswechsel von einer liberalisierten Konzernpolitik hin zu einer demokratischen kontrollierten und auf erneuerbare Energie ausgerichteten Politik unterstreichen können.

UmweltFAIRaendern hatte das immer mal wieder angemahnt (Stadtwerke 4.0) oder auch hier: Sozial – demokratisch – klimaverträglich: Energiewende Hamburg nach dem Volksentscheid – Kommunale Netze und ein Stadtwerk.

Dirk Seifert