Atommülllagerung: Stellungnahme NBG-Co-Vorsitzender zu Klimaaspekten und „sinnvollen“ atomaren Laufzeitverlängerungen

Atommülllagerung: Stellungnahme NBG-Co-Vorsitzender zu Klimaaspekten und „sinnvollen“ atomaren Laufzeitverlängerungen

In einigen Ländern könnte die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke „sinnvoll“ sein. Das hatte der Co-Vorsitzende Armin Grunwald vom Nationalen Begleitgremium (NBG) bei der Suche nach einem Atommüllendlager für hochradioaktive Abfälle jüngst in einem WDR-Beitrag gesagt. Nach massiver Kritik an dieser Aussage kommt nun eine persönliche Stellungnahme, in der er diese Aussage zwar bestätigt („In Ländern, die stark auf die Kernenergie gesetzt haben, könne unter Klimaaspekten eine Laufzeitverlängerung unter Umständen eine sinnvolle Option sein“), sich aber ansonsten Missverstanden sieht, weil er in dem Beitrag außerdem die Atomenergie als „nicht nachhaltig“ und Investitionen als – laut eigener Aussage in der Stellungnahme – „keine verantwortbare Option“ bezeichnet hatte. Der WDR-Beitrag hatte die Diskussionen um nukleare Laufzeitverlängerungen und die Taxonomie-Diskussion in der EU zum Thema, in der die Atomenergie und Gas als nachhaltige Energien eingestuft werden sollen. (Das Statement ist gleich unten vollständig dokumentiert und beim NBG hier online).

(In dem WDR-Beitrag benutzt Grunwald die Worte „keine verantwortbare Option“ nicht wörtlich, sondern sagt zum Thema Investitionen: … Kein EU-Geld, das ist ja Steuerzahlergeld, geben – Neue Atomkraftwerke zu bauen, um vielleicht mit Subventionen billigere Energie zu erzeugen … das wäre das ganz falsche…) In seiner Stellungnahme (siehe unten) sagt er selbst zu dieser Differenz, dass er Aussagen gemacht habe, die sich „in den Wortlaut hinein nachverfolgen lassen“ … )

Grunwald betont in seinem Statement, dass er nie eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke in Deutschland gemeint hätte. Das aber hatte ihm auch niemand vorgeworfen. Eine Korrektur in der Weise, dass es auch unter Klimagesichtspunkten angesichts der atomaren Super-Gau-Risiken und der weltweit ungelösten Atommüllentsorgung – egal wo – keine „sinnvolle“ Laufzeitverlängerung geben kann, ist für Grunwald offenbar nicht denkbar.

  • Hinweis: Aufgrund bestehender gesetzlicher Regelungen hat der WDR den Beitrag, der hier zur Debatte steht, nach einer Woche wieder offline schalten müssen. UmweltFAIRaendern hatte in dem o.g. Beitrag Atommüll Endlagersuche: NBG-Vorsitzender … auf diesen Beitrag als Quelle verwiesen und den genannten Satz zitiert, der nun von Grunwald auch bestätigt wurde. Zu seinen weiteren Aussagen siehe unten in der Dokumentation.

Sein Unverständnis ist umso überraschender, weil einerseits in seiner unmittelbaren Umgebung am KIT (siehe z.B. hier einige der Vorträge auf der Homepage zu den Karlsruher Atomtagen 2021, u.a. der Vortrag von H.J. Fell) immer noch Atomforschung betrieben wird und andererseits, weil auch im NBG angesichts der in der Bundesrepublik stattfindenden Debatte über Laufzeitverlängerung (Debattenpunkt letzte TO) und Wiedereinstieg seit Wochen und Monaten eine Debatte läuft, ob der Atomausstieg die Voraussetzung für die Endlagersuche ist, wie es z.B. Wolfram König, Chef des Verfahrens bei der Atommüll-Bundesbehörde BASE immer wieder betont. Das findet sich auch in den Tagesordnungen des NBG und einer Arbeitsgruppe wieder (siehe: 5.11.: TOP 6 Positionierung des NBG zu neuen Forderungen, den Atomausstieg um des Klimaschutzes willen rückgängig zu machen und auch (16.11.2021): Was sagt das NBG zur ak­tu­el­len De­bat­te um die Re­naissance der Atom­ener­gie?

Für alle – auch für Grunwald und andere Mitglieder des Nationalen Begleitgremiums – sollte deutlich sichtbar die von der AfD im Bundestag (siehe z.B. diesen Antrag, PDF) beförderte Debatte um Laufzeitverlängerung und Wiedereinstieg in die Atomenergie sein. Eine Debatte, die auch von Mitgliedern des Atom-Fördervereins Nuklearia unterstützt bzw. befördert wird. Der Verein hatte sich in den letzten Monaten immer wieder dafür eingesetzt, dass die sechs letzten Atommeiler in Deutschland angeblich wegen der Klimakrise nicht abgeschaltet werden sollten.

Unter anderem Nuklearia-Mitglied Anna Veronika Wendland hatte sich dafür mit viel Medienaufmerksamkeit eingesetzt (z.B. mit Rainer Moormann siehe hier), bevor sie sich im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung  bei der Teilgebietekonferenz im Rahmen der Endlagersuche engagierte und auch für die Vorbereitungsgruppe kandidiert hatte und auch Mitglied der AG war.

Spätestens vor diesem Hintergrund müsste auch für Grunwald und die anderen Mitglieder im NBG angesichts jahrzehntelanger massiver gesellschaftlicher Konflikte um Atomenergie und Gorleben eigentlich deutlich sichtbar sein, dass hier Grundvoraussetzungen des neuen Suchverfahrens in Frage gestellt werden. Atomenergie-Laufzeitverlängerungen – egal wo – als „sinnvoll“ zu bezeichnen, geht vor diesem Hintergrund gar nicht, weil es einfach Türen auch für nationale Deutungen öffnet. Und: Die ohnehin schon äußerst schwierige Aufgabe, einen Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle zu finden, dürfte in dem Moment zu Ende sein, wenn der Verdacht im Raum steht, dass der Atomausstieg in Frage gestellt und weiterhin tonnenweise gefährlicher Atommüll erzeugt würde.

Diese jetzt eher persönliche Reaktion des Co-Vorsitzenden wirft aber auch die Frage auf: Wo ist jetzt genau das aktuelle NBG in dieser Kontroverse um die Aussagen von Grunwald? Nicht nur umweltFAIRaendern hatte die Aussage von Grunwald kritisiert. Weitere Kritik kam von der BI Lüchow-Dannenberg (NBG – quo vadis?). Der Umweltverband BUND hatte auf seiner Delegiertenversammlungen per Beschluss diese Äußerung von Grunwald kritisiert (der Antrag mit Begründung ist in dem oben genannten Link „BUND zur Laufzeitverlängerung …“ zu finden) und der Sprecher des Bundesarbeitskreises Atomenergie und Strahlenschutz hatte sich in einem Brief in dieser Sache an das NBG gewandt (PDF). Eine Antwort steht bis heute aus.

Inzwischen haben z.B. auch die AG Schacht Konrad per Brief ans NBG (PDF, siehe auch hier) und soweit zu hören ist, auch die ehemalige Vorsitzende des Umweltausschusses des Deutschen Bundestages, Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) per Brief und der ehemalige Umweltminister von Niedersachsen und jetzige Bundestagsabgeordnete Stefan Wenzel (Grüne) per Statement alarmiert über die Grunwald-Äußerungen gezeigt.

  • (Am Rande: Kurios ist ein Chat bei einer Veranstaltung zur weiteren Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Endlagersuche Anfang November, der hier in der Infoplattform dokumentiert ist, und in dem eine ehemalige Mitarbeiterin von Armin Grunwald gegenüber umweltFAIRaendern zunächst den Vorwurf von FAKE-News erhebt. Kritisiert wird dann sogar eine Art Schein-Transparenz von UmweltFAIRaendern, weil der verlinkte Beitrag zum WDR-Beitrag aufgrund der Löschvorschriften für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk online nicht mehr verfügbar ist. NBG-Mitglied Monika CM Müller reagierte auf diese Vorwürfe von Frau Kühl „73. 13.11.2021, 16:20:09, Monika CM Müller (Bürgervertreter:innen): Liebe Frau Kühl, herzlichen Dank für die Klarstellung zu den Äußerungen des NBG-Co-Vorsitzenden!!! Mir blieb gerade keine Zeit dazu.“  Auch Anna Veronika Wendland bedankt sich bei Frau Kühl: „81. 13.11.2021, 16:45:31, Anna Veronika Wendland (Vertreter:innen der Wissenschaft): Danke, Frau Kühl, für die Klarstellung zu den Aussagen von Herrn Grunwald / NBG, das war dasselbe, was ich aus dem Saal beitragen wollte, aber die Redeliste wurde vorher zugemacht. Traurig, wenn so ein Fake-Quark sich in unserer Kommunikation etabliert.“)

Die Reaktion von Grunwald mit seiner Stellungnahme und das Schweigen des NBG zu den Äußerungen des Co-Vorsitzenden dürften angesichts der Mängel bei der Endlagersuche und vor allem bei der Öffentlichkeitsbeteiligung die Vertrauensbasis in ein gutes Verfahren weiter verringern. In den letzten Monaten haben sich immer mehr Organisationen aus dem Verfahren zurückgezogen, weil die zuständige Atommüllbehörde BASE alle Forderungen nach einer verbesserten Beteiligung mit gesetzlichen Rahmenbedingungen abgewehrt hat und erst im Nachklapp ein ausgedünntes und gesetzlich nicht verbindliches Beteiligungsverfahren in Hinterzimmern in kleinen informellen Runden ausgekungelt wurde (siehe hier z.B. auch der BUND-Vorsitzende (PDF) sowie die Ehrenamtlich Aktiven beim BUND (PDF), zu finden auf der Homepage des BUND Bundesarbeitskreis Atomenergie und Strahlenschutz.)

Zu beobachten ist, dass das ehemals als unabhängiger Wächter über das Suchverfahren gedachte NBG einerseits gesetzlich mit Aufgaben „belastet“ wurde (Geologie-Datengesetz), die das Gremium vom Beobachter und Wächter zu einem Beteiligten gemacht haben. Aber auch die Besetzungen der letzten Monate habe dazu geführt, dass immer mehr Interessen in das Gremium Eingang fanden, die eher von Teamgeist mit den Behörden und Unternehmen zeugen, denn von unabhängig als Wächter. Das NBG wäre gut beraten, sich hier einer zu prüfen und das immer wieder zitierte lernende Verfahren praktizieren. Zwar hat sich Grunwald einer Erklärung (siehe seine Stellungnahme) der beiden Co-Vorsitzenden von 2019 – Miranda Schroers (auch heute noch im Amt) und Klaus Töpfer (CDU) unter der Überschrift „Wer Ver­trau­en ge­win­nen will, muss ver­läss­lich han­deln“ inzwischen angeschlossen. Aber ein gemeinsames aktuelles NBG-Statement angesichts der aktuellen Debatte und der Äußerungen von Grunwald fehlt irgendwie.

Dokumentation: NBG PRESSEMITTEILUNG | 25.11.2021

Die Endlagersuche ist ein Thema, das polarisiert und oft für hitzige Debatten sorgt. Gerade war ein Interview unseres Ko-Vorsitzenden Armin Grunwald der Anlass für eine solche Diskussion. Jetzt ist für ihn die Zeit, bestimmte Dinge klarzustellen und auf die Kritik zu reagieren.

In dem Interview, besser gesagt, in den ausgestrahlten Teilen eines längeren Interviews, habe ich folgende Aussagen gemacht, die sich in den Wortlaut hinein nachverfolgen lassen:

  1. Die Aussage, dass Kernenergie nachhaltig sei, nur weil im Betrieb eines Reaktors kein CO2 freigesetzt wird, stimmt so nicht. Als Argumente habe ich den Uranbergbau und die Probleme der Abfallbehandlung sprich Endlagerung genannt.
  2. In Ländern, die stark auf die Kernenergie gesetzt haben, könne unter Klimaaspekten eine Laufzeitverlängerung unter Umständen eine sinnvolle Option sein.
  3. Subventionen des Neubaus von Kernreaktoren mit Steuergeldern, um billige Energie zur Verfügung zu haben, ist keine verantwortbare Option.

Die Kritik an meinen Aussagen hat, auch weil diese von mir als Ko-Vorsitzenden des NBG kamen, Sorgen um das deutsche Standortauswahlverfahren geäußert. Diese Sorgen sind aus meiner Sicht unbegründet.

Die Punkte 1 und 3 dürften auch von den Kritikern geteilt werden. Darauf hat sich zumindest niemand kritisch bezogen. Der Punkt 2 hingegen scheint die Ursache von Kritik und Sorgen zu sein. Hier geht jedoch eindeutig sowohl aus meinen Formulierungen als auch aus dem Kontext des Interviews hervor, dass Deutschland gar nicht gemeint sein konnte. Von daher halte ich den hergestellten Zusammenhang mit dem deutschen Standortauswahlverfahren für absolut gegenstandslos.

Für die deutsche Situation stehe ich hinter der Position des Nationalen Begleitgremiums, das am 5.6.2019 eindeutig festgestellt hat: „Wer jetzt einer Verlängerung der Laufzeiten das Wort redet, bringt den Klimaschutz nicht voran. Aber er setzt leichtfertig den erzielten Kompromiss zum Ausstieg aufs Spiel und gefährdet das schwierige Unterfangen, einen Standort für die Endlagerung der hochradioaktiven Abfälle zu finden.“ Diese Erklärung hat das NBG in seiner Sitzung am 5. November auch mit meiner Stimme bestätigt.

Ich beanspruche nicht, dass andere meiner Meinung sind. Ich erwarte allerdings, dass Kritik, gerade öffentliche Kritik, sich auf die tatsächlich geäußerten Inhalte bezieht und nicht auf Mutmaßungen und Umdeutungen. Dies ist Voraussetzung für eine Kommunikationskultur in gegenseitigem Respekt, die für den Aufbau von Vertrauen in den Standortauswahlprozess unabdingbar ist. Dafür steht das Nationale Begleitgremium, dafür stehe ich.“

 

Dirk Seifert