Nach Rekommunalisierung: Hamburg fusioniert Strom- und Gasnetz

Nach Rekommunalisierung: Hamburg fusioniert Strom- und Gasnetz

Vor dem Hintergrund der Energiewende und dem Umbau weg von fossilen und nuklearen Energieträgern hin zu Erneuerbaren Energien wird Hamburg in den nächsten Jahren schrittweise die beiden per Volksentscheid rekommunalisierten Gesellschaften für das Strom- und das Gasnetz fusionieren. Damit setzt Hamburg den Umbau seiner Energieversorungsstrukturen fort. Im ersten Schtitt war bereits StromnetzHamburg mit HamburgEnergie verschmolzen worden. Verbunden werden sollen zwei sehr unerschiedliche “Partner”: Während der Stromnetz-Ausbau massive Investitionen in den Umbau und die Erweiterung für die Integration erneuerbarer Energien erfordert und wächst, ist das Geschäft mit dem fossilen (Erd)Gasnetz rückläufig und in bisheriger Weise nicht mehr zukunftsfähig. Insbesondere die beiden beteiligten Gewerkschaften Ver.di und IGM Hamburg haben die Fusionspläne kritisch kommentiert. Die Linksfraktion Hamburg begrüßte die Maßnahme energiepolitisch, fordert aber vom Senat als Eigentümer eine Arbeitsplatzgarantie.

Hamburg hat nach dem Volksentscheid “Unser Hamburg – Unser Netz” die Energienetze von Vattenfall und E.on rekommunalisiert und zu 100 Prozent wieder in öffentliche Hand genommen. Nach der Übernahme wurde zunächst Hamburg Wärme (Fernwärme, Strom) mit Hamburg Energie (Ökostrom-Anbieter) fusioniert. Nun werden die Stromnetz ehemals Vattenfall / IGM und Gasnetz ehemals E.on / Verdi schrittweise verbunden.

Nach der Rekommunalisierung ist immer mal wieder die Rede von einer weiteren Entwicklung zu einer Neuauflage von Stadtwerken, also einem integrierten Unternehmen, in dem alle Versorgungs- und Energiedienstleitungen verbunden werden. Viele Bereiche der Energieversorung und der Daseinsvorsorge könnten auf diese Weise nicht nur unternehmerisch und im Sinne des Klimaschutzes, sondern auch sozial miteinander verbunden werden.

Die beiden ersten Fusionen, die aus vier Unternehmen zu nur noch zwei öffentlichen Energieversorgungsunternehmen führen, könnte also ein Zwischenschritt sein.

Stephan Jersch kritisiert in seiner PM auch die Vorgehensweise des rot-grünen Senats, der die Fusion am Parlament vorbei und auch ohne andere Beteiligungsformate zu nutzen, auf den Weg gebracht hat. Im Sinne einer erweiterten deomkratischen Kontrolle, wie sie der Volksentscheid dem Senat als Aufgabe vorgeschrieben hat, ist dieses Senatsvorgehen in keinem Fall. Erst im August hatte die Linksfraktion mit einem Antrag eine engere Zusammenarbeit von Strom- und Gasnetz gefordert, ohne dass der Senat die  Bürgerschaft als Möglichkeit für eine vertiefte Information zu den laufenden Gesprächen im Hintergrund genutzt hat.

Weder transparent noch beteiligungsorientiert, wie Grüne und SPD im Senat die Energiewende an den Bürger:innen und am Parlament vorbei entwickeln.

Dokumentation: 7.12.2023 – PM Senat: Stromnetz und Gasnetz fusionieren: Versorgungssicheres Energienetz aus einer Hand

Die städtischen Energienetzbetreiber Gasnetz Hamburg GmbH und Stromnetz Hamburg GmbH sollen im kommenden Jahr zu einer spartenübergreifenden Netzgesellschaft fusioniert werden  Das hat die Freie und Hansestadt Hamburg als Eigentümerin der beiden stadteigenen Gesellschaften am 06.12.2023 entschieden. Vorausgegangen war ein im November 2022 gestartetes Kooperationsaudit, dessen Ergebnisse zu dieser Entscheidung geführt haben. An diesem Audit nahmen auch die beteiligten Gesellschaften im Rahmen des Projektes „Engere Kooperation der Energie- und Umweltunternehmen“ teil.

In der Vorbereitung waren Gewerkschaften und Betriebsräte eingebunden. Senator Jens Kerstan als Aufsichtsratsvorsitzender beider Gesellschaften sowie Senator Dressel als Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement (HGV) haben zudem in einer Erklärung (Comfort Letter), zentrale Zusagen festgehalten, zu denen sich Politik und Unternehmen gegenüber Mitarbeiter:innen, Gewerkschaften und Betriebsräten verpflichten. Die Unterzeichnenden bekräftigen darin die bewährte Tradition der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Sinne der Mitarbeitenden.

In der neu formierten Netzgesellschaft werden Kräfte gebündelt, um den unerlässlichen Netzausbau und -umbau für die Energiewende effizient und spartenübergreifend voranzubringen. Davon profitieren auch die Hamburger Bürger*innen und Unternehmen, die zukünftig von integrierten Versorgungs- und Netzdienstleistungen profitieren werden. Im Hinblick auf diese umfassende Aufgabe ist das Engagement aller Mitarbeitenden in den kommenden Jahren erforderlich. Ein Stellenabbau ist daher nicht vorgesehen; stattdessen wird erwartet, dass die fusionierte Gesellschaft weiterhin wachsen wird.

Jens Kerstan, Senator für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft: „Stromnetz und Gasnetz sind hervorragend aufgestellte Unternehmen, die nun gemeinsam die großen Herausforderungen einer sich rapide verändernden Energiewelt bewältigen werden. Der Rückkauf der Energienetze hat dem Senat die Möglichkeit eröffnet, einen nachhaltigen und zukunftsweisenden Pfad in der Energie- und Klimapolitik einzuschlagen. Unsere kommunalen Unternehmen nehmen heute eine Schlüsselposition bei der Realisierung der Hamburger Energiewende ein. Die Stromnetz Hamburg sowie die Gasnetz Hamburg sind heute zentrale Akteure zur Umsetzung der Hamburger Klimaschutzpolitik. Durch die Fusion wird eine nachhaltige Versorgungssicherheit der Energienetze gewährleistet und eine effiziente und wirtschaftliche Leistung aus einer Hand für alle Kund:innen geboten. Gemeinsam werden diese Unternehmen die Energiewende in Hamburg signifikant voranbringen und durch den Bau eines versorgungssicheren Energienetzes der Zukunft die nachhaltige Wärme- und Mobilitätswende sowie die umfassende Dekarbonisierung der Industrie gewährleisten.“

Andreas Dressel, Finanzsenator: „Uns war wichtig, dass wir zum einen wirtschaftlich stark mit unseren Energienetz-Unternehmen aufgestellt sind, und zum anderen dass das im engen Schulterschluss mit Gewerkschaften und Mitbestimmung geschieht. Der Weg zur Fusion von Strom- und Gasnetz soll in zwei Stufen gelingen – damit kann eine sorgfältige Integration der beiden Unternehmen und ihrer Belegschaft gewährleistet werden. Wir haben beiden Belegschaften vertreten durch die Gewerkschaften weitreichende Zusagen für das weitere Verfahren gegeben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die, die wir brauchen, damit die Energiewende und der Beitrag der beiden Netzgesellschaften gelingt. Ihr Einsatz und ihre Erfahrungen werden uns helfen, die Transformation und die Energiewende in den nächsten Jahren in unserer Stadt hinzukriegen. Ich danke Gewerkschaften und Betriebsräten, dass sie im Ergebnis den für sie nicht einfachen Weg der Fusion mitgehen. Wir haben in einem Comfort Letter allen Beteiligten weiter die Hand zur vertrauensvollen Zusammenarbeit gereicht.“

Der Fokus im Verfahren soll zunächst auf der gesellschaftsrechtlichen Zusammenführung liegen. Die organisatorische Zusammenführung wird behutsam und in enger Abstimmung mit der Mitbestimmung bis 2027 umgesetzt. Die zur Umsetzung der Fusion erforderlichen Beratungen in den Gremien und die dafür notwendigen Gespräche mit Stakeholdern sollen zeitnah erfolgen.

Die Entscheidung zur Fusion von Stromnetz und Gasnetz folgt auf die Umsetzung des Volksentscheids von 2013 und den vollständigen Rückkauf der Netzgesellschaften. Die Koalitionspartner SPD und GRÜNE hatten sich im Koalitionsvertrag 2020 darauf verständigt, dass die städtischen Energieunternehmen Synergien heben und stärker kooperieren sollen – auch um effektiver zum Klimaschutz beizutragen. Aus diesem Grund hat der Senat im Jahr 2021 das vierjährige Projekt „Engere Kooperation der Energie- und Umweltunternehmen“ eingesetzt, welches die Kooperationspotentiale untersuchen soll. Die Fusion der beiden kommunalen Energieunternehmen ist ein wichtiger Schritt, die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag umzusetzen und die öffentlichen Gesellschaften zukunftsfähig aufzustellen.

Über das neue Unternehmen:

Die fusionierte Netzgesellschaft wird mehr als 1.478.000 Kund:innen der Hansestadt mit Strom und Gas versorgen (1.250.000 Stromkund:innen 228.000 Gaskund:innen). Rund 2.344  Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beiden Unternehmen engagieren sich für die Versorgungssicherheit in Hamburg.

 

Dokumentation: IGM und Verdi in Hamburg – ENERGIE UND UMWELT

Fusion der städtischen Energie- und Umweltunternehmen Gasnetz und Stromnetz

Pressemitteilung vom 07.12.2023

Gemeinsame Pressemitteilung | IG Metall Region Hamburg und ver.di Hamburg

Der Senat hat am gestrigen Mittwoch die Fusion der Unternehmen Stromnetz Hamburg (SNH) und Gasnetz Hamburg (GNH) in zwei Schritten beschlossen. Dieser Entscheidung ist ein längerer Projektprozess vorangegangen, an dem die Betriebsräte und die zuständigen Gewerkschaften IG Metall (Stromnetz) und ver.di (Gasnetz) beteiligt waren und in dem Varianten der Zusammenarbeit von einer verstärkten Kooperation über eine Holdingstruktur bis hin zu einer Fusion geprüft wurden.

Der Hamburger Senat hat in seiner Koalitionsvereinbarung das Ziel vorgegeben, die grundsätzlichen Strategien der Hamburger Energie- und Umweltunternehmen im Sinne einer gesamtstädtischen Entwicklung aufeinander abzustimmen und zu koordinieren. Im ersten Schritt stand die Ausgestaltung der Kooperation der beiden Unternehmen Stromnetz (SNH) und Gasnetz (GNH) zur Debatte.

Die Mitbestimmung hat den Prozess des Kooperationsaudits für diese beiden Unternehmen von Beginn an kritisch und konstruktiv begleitet und mögliche Varianten der engeren Zusammenarbeit diskutiert und bewertet. Bereits heute kooperieren die Unternehmen in einigen Bereichen erfolgreich. Das Potenzial der Zusammenarbeit ist aber längst noch nicht ausgeschöpft und könnte im Sinne der Hamburgerinnen und Hamburger ohne Reibungsverluste weiter ausgebaut werden. Im Rahmen einer gesellschaftsrechtlichen Fusion rückwirkend zum 01.01.2024 werden dabei im ersten Schritt lediglich die Ebene Geschäftsführung und wenige Führungspositionen verschränkt. Die operative Fusion soll zum 01.01.2027 vollzogen werden. „Diese Variante muss sicherstellen, dass sich mit allen Management- und Mitarbeiterkapazitäten voll auf die Gestaltung der Energiewende konzentriert wird. Das sollte unser oberstes Ziel sein. Der Senat erklärt Hamburg immer wieder zur Stadt der Guten Arbeit – wir nehmen die Verantwortlichen beim Wort“, erklärt der GNH-Betriebsratsvorsitzende Thies Hansen.

Ole Borgard, stellvertretender Leiter des ver.di-Landesbezirks Hamburg, ergänzt: „Beide Unternehmen verfügen auf ihren Arbeitsfeldern über beträchtliche Innovationskraft, die es zu erhalten und zu fördern gilt. Auch in der jetzigen Konstruktion mit eigenständigen Unternehmen werden wirtschaftlich positive Effekte erzielt. Damit das in einer neuen Gesellschaft zukünftig noch besser gelingen kann, braucht es bei allen wesentlichen Entscheidungen eine enge Einbindung der Mitbestimmung und der Gewerkschaften.“

„Die jetzt beschlossene Fusion bedeutet Klarheit für die Beschäftigten. Und die seitens der Stadt gemachte Zusagen in Form eines Comfort Letters bedeuten Sicherheit für die Beschäftigten. Jetzt heißt es anpacken und die Energiewende gemeinsam gestalten. Dies kann gelingen, wenn alle sich auf das Ziel fokussieren können – Unternehmen, Betriebsrat und Gewerkschaften. Neben der rechtlichen Fusion gilt es die kommenden Jahre gemeinsam mit der Mitbestimmung die operative Fusion bis 2027 vorzubereiten.“ so Ina Morgenroth, Erste Bevollmächtigte und Geschäftsführerin der IG Metall Region Hamburg. Aus eigener Erfahrung kann SNH-Betriebsratsvorsitzender Alexander Heieis das bestätigen: „Wir wissen aus der Praxis: Viele Fusionen scheitern an internen Widerständen und führen zu Demotivation bei den Beschäftigten. Wir Hamburgerinnen und Hamburger haben schon mehrere langwierige Fusionsprozesse erlebt, etwa die Zusammenführung von Schleswag und HeinGas (6 Jahre Verhandlungen) oder die Integration von Vattenfall und der Stadt Hamburg beim Strom (4 Jahre Verhandlungen).“

Auch die Beispiele Hamburg Wasser und Wärme Hamburg/Hamburg Energie hätten eindrücklich gezeigt, dass Fusionsprozesse Ängste auslösen und Kapazitäten binden, die anderweitig dringend benötigt werden.

Seitens der zuständigen Behörden hat es im Rahmen eines Comfort Letters weitreichende Zugeständnisse in Richtung Mitbestimmung und Gewerkschaften gegeben, damit aus diesem politischen Willen der Fusion eine akzeptierte und erfolgreiche neue Gesellschaft erwachsen kann. Energie- und Klimawende first – nicht nur im Sinne der betroffenen Beschäftigten, sondern auch zum Wohl der Hamburgerinnen und Hamburger.

 

Dirk Seifert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert