Vermessen: Strahlung der hoch radioaktiven Castor-Behälter aus Frankreich für Philippsburg
Hoch radioaktiver Atommüll aus der Plutoniumfabrik am Cap de LaHague in Frankreich wird für den Transport in Castor-Behältern und auf der Schiene zum Abtransport vorbereitet. Ziel: das Zwischenlager in Philippsburg in Baden-Württemberg. Grund: Der Strahlenabfall entspricht der Menge Radioaktivität, die bei der Verarbeitung von bestrahlten Brennelemente aus bundesdeutschen Atommeilern entstanden ist und laut den Verträgen zurückgenommen werden muss. In den nächsten Wochen soll der Atommüll auf die lange Reise gehen. Nicht nur normale Unfallrisiken sind dabei zu berücksichtigen. Auch erhöhte Terrorrisiken und die „erhöhte Sicherheitslage“ mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten erfordern enorme – geheime – Schutzmaßnahmen des tödlichen Inhalts in den Castor-Behältern. Ein Endlager für diesen Atommüll gibt es bislang nicht. Die „Gesellschaft für Reaktorsicherheit“ (GRS) – hat die beladenen Behälter radiologisch vermessen und berichtet darüber.
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Hinweis/Update: Der Rücktransport der Abfälle aus Frankreich ist völkerrechtlich geregelt. Das ist natürlich von großer Relevanz. Allerdings: Der Transport und die Zwischenlagerung hoch radioaktiver Atomabfälle birgt ein erhebliches Risikopotential und die jetzt anstehenden Transporte gehen nicht in ein Endlager, sondern nur in ein Zwischenlager. Unfälle beim Transport könnten die Behälter beschädigen und zur Freisetzung der enormen Radioaktivität führen. Z.B. sind sie im Falle von Bränden oftmals nur für eine halbe Stunde bei 800 Grad getestet, obwohl es z.B. in Verbindung mit Unfällen mit Güterzügen ohne weiteres zu höheren Temperaturen und längerer Branddauer kommen kann. Außerdem sind die Behälter im Transportfall als Angriffsziel für Terroranschläge besonders bedrohlich, da z.B. Transportstrecken oftmals mitten durch dicht besiedelte Gebiete und Städte rollen.
Über die wachsenden Risiken bei der Zwischenlagerung hochaktiver Atomabfälle hat umweltFAIRaendern immer wieder berichtet. Nicht nur technische Probleme z.B. bei der Deckeldichtigkeit, sondern Risiken als Folge der wachsenden Umweltgefährdungen durch die Klimakatastrophe und Flugzeugabtürze sind von Bedeutung. Diese Risiken werden auch größer, weil die Zwischenlagerung inzwischen nicht mehr nur 40, sondern vermutlich um die 100 Jahre dauern wird. Ob die Behälter und der Inhalt über so lange Zeiträume halten werden, ist derzeit nicht nachgewiesen und wird erforscht. Gleichzeit wachsen Terrorrisiken und die Angriffshandlungen rund um Atomanlagen in der Ukraine zeigen, welches Gefahrenpotential neben den technischen Defiziten besteht. Die Zwischenlager für hochaktive Abfälle werden inzwischen mit Ausnahme des Lagers in Brunsbüttel von der Bundesgesellschaft für Zwischenlager (BGZ) betrieben.
- Alles über die Zwischenlagerung hochaktiver Atomabfälle auf umweltFAIRaendern.de
Hier als Dokumentation die PM der GRS. Hier sind nur die Texte – nicht die Bilder und Grafiken zu finden. Dazu bitte bei der GRS selbst schauen.
CASTOR®-Transport von La Hague ins Zwischenlager Philippsburg: GRS wertet radiologische Messdaten aus
Aus der Wiederaufarbeitung von Brennelementen aus deutschen Kernkraftwerken (KKW) im englischen Sellafield und dem französischen La Hague lagern in den dortigen Anlagen derzeit noch radioaktive Abfälle, die nach dem Atomgesetz (§ 9a Absatz 2a AtG) wieder nach Deutschland zurückgeführt werden müssen. Die bei der Wiederaufarbeitung entstehenden flüssigen radioaktiven Abfälle werden verglast und in sogenannte Kokillen gegossen. Für den Transport dieser Glaskokillen nach Deutschland werden CASTOR®-Behälter (Typ CASTOR® HAW28M) verwendet.
In einem ersten Transport wurden im Jahr 2020 sechs solcher Behälter mit hochradioaktiven Abfällen aus Sellafield in das Zwischenlager Biblis gebracht. Bei dem nun anstehenden Transport sollen vier Behälter mit verglasten hochradioaktiven Abfällen von La Hague in das Zwischenlager Philippsburg gebracht werden.
Aufgabe der GRS
Im Rahmen von Forschungsvorhaben zur Sicherheit von Transporten radioaktiver Stoffe, die durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) finanziert werden, sammelt und wertet die GRS unter anderem auch radiologische Messdaten aus. Die Daten wurden im Vorfeld der Transporte in La Hague erhoben und der GRS anschließend zur Verfügung gestellt.
Was wurde gemessen?
Bei diesen Daten handelt es sich um die Ergebnisse aus Messungen der sogenannten Ortsdosisleistung (ODL), die durch die von den einzelnen beladenen Behältern ausgehende Gamma- und Neutronenstrahlung verursacht wird. Mittels der ODL wird angegeben, welche Dosis eine Einzelperson an einem bestimmten Ort in einem bestimmten Zeitraum erhält. Die Kenntnis der ODL ist für die Genehmigung von Transporten wie dem vorliegenden relevant. Die Genehmigung erfolgt durch das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung.
Dabei ist vom Antragsteller nachzuweisen, dass in zwei Metern Entfernung von den senkrechten Außenflächen des Transportfahrzeugs der gesetzlich vorgegebene Grenzwert für den Transport radioaktiver Stoffe nicht überschritten wird. Dieser liegt bei einer ODL von 100 Mikrosievert pro Stunde (µSv/h).
Wie wurde gemessen?
In einem ersten Schritt wird die ODL an verschiedenen Messpunkten an der senkrechten Außenfläche gemessen. In einem zweiten Schritt wird dann ausgehend von dem Punkt, an dem der höchste Wert ermittelt wurde, die ODL an verschiedenen Stellen mit zunehmender Entfernung (z. B. in 2, 5, 10 und 20 Metern Entfernung) in zwei Metern Höhe über dem Boden gemessen.
Wer hat gemessen?
Die Messungen wurden durch den französischen Betreiber der Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague durchgeführt und auf Veranlassung des deutschen Eisenbahnbundesamtes (EBA) durch einen unabhängigen Sachverständigen überwacht.
Welche Werte wurden gemessen?
Die Messdaten belegen, dass der oben genannte gesetzliche Grenzwert von 100 µSv/h für die ODL in zwei Metern Abstand von der senkrechten Außenfläche des Transportfahrzeugs eingehalten wird. Der höchste in diesem Abstand gemessene Wert liegt bei 63 µSv/h (also 0,063 mSv/h).
Der Wert der ODL sinkt mit zunehmender Entfernung deutlich. Während in einem Meter Entfernung von der Außenfläche der Transportfahrzeuge Werte von durchschnittlich 75,8 µSv/h erreicht werden, liegen die ODL in 10 Metern Entfernung im Mittel bei etwa 7,8 µSv/h, in 20 Metern bei durchschnittlich rund 2 µSv/h. Letzteres entspricht in etwa der ODL, die in rund 8.000 Metern Flughöhe herrscht.
Welche Strahlenbelastungen entstehen?
Die Strahlenbelastung – d. h. die Dosis, die ein Mensch erhält, der sich in der Nähe der Transportbehälter aufhält – hängt von zwei Faktoren ab: dem Abstand zu den Transportbehältern und der Dauer des Aufenthalts an diesem Ort. Ist beides bekannt, so lässt sich die Dosis dadurch berechnen, dass die am Aufenthaltsort herrschende ODL mit der Dauer des Aufenthalts multipliziert wird.
Ermittelt man auf diese Weise die Dosis, die ein Mensch an verschiedenen Messpunkten mit zunehmendem Abstand zu dem Behälter mit der höchsten ODL an der Fahrzeugaußenfläche erhält (Behälter HAW28M-052), wäre selbst bei einem Aufenthalt unmittelbar an der Außenfläche des Transportfahrzeugs eine Verweildauer von fast sechs Stunden erforderlich, um den für eine Person aus der allgemeinen Bevölkerung geltenden jährlichen Grenzwert von einem Millisievert (entspricht 1.000 µSv) zu erreichen. Der jährliche Grenzwert für eine beruflich exponierte Person von 20 Millisievert im Jahr (also 20.000 µSv) würde an dieser Stelle nach etwas mehr als 119 Stunden erreicht. Die gesamte natürliche Strahlenexposition eines Menschen in Deutschland oder genauer die effektive Dosis beträgt durchschnittlich 2,1 mSv im Jahr; dieser Wert wäre bei einem Aufenthalt unmittelbar an der Außenfläche des Transportfahrzeugs nach ca. 12 Stunden erreicht.
In einem Abstand von fünf Metern Entfernung von der Fahrzeugaußenfläche wäre beim Behälter mit der für diese Entfernung höchsten Dosis eine Aufenthaltsdauer von gut 45 Stunden (für 1 Millisievert/Jahr) bzw. etwas über 900 Stunden (für 20 Millisievert/Jahr) erforderlich. In dieser Entfernung würde ein einstündiger Aufenthalt zu einer Dosis führen, die in etwa der einer Röntgenuntersuchung des Brustkorbes entspricht (bis zu ca. 0,01–0,03 Millisievert). Die durchschnittliche Dosis eines Flugs von München nach Japan (bis zu 0,1 mSv) wäre an dieser Stelle nach gut 4 Stunden erreicht.
Einschränkung
Bei diesen Vergleichen ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich während des Transports mehrere Transportbehälter hintereinander befinden und damit gemeinsam die Dosisleistung am Aufenthaltsort bestimmen. Da die Intensität der Strahlung aber mit zunehmender Entfernung stark absinkt, tragen die vom Aufenthaltsort aus gesehen weiter entfernten Behälter nur in verhältnismäßig geringerem Umfang zu der tatsächlichen Gesamtdosis bei.
Schlussfolgerung
Legt man die Kenntnisse über Aufenthaltsort und -dauer etwa des Transport- und Begleitpersonals aus früheren Transporten zugrunde, so ist auch für den kommenden Transport zu erwarten, dass die gesetzlichen Dosisgrenzwerte für die Bevölkerung sowie für das Transport- und Begleitpersonal deutlich unterschritten werden.
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