Jülich, Garching, Ahaus: Nukleare Verantwortungslosigkeit – Hochriskante Atommülltransporte als Folge politischen Totalversagens

Jülich, Garching, Ahaus: Nukleare Verantwortungslosigkeit – Hochriskante Atommülltransporte als Folge politischen Totalversagens

Rund 300 Menschen demonstrierten heute auf dem kurzfristig anberaumten „Sonntagsspaziergang“ am Atommülllager in Ahaus, NRW.  Am vergangenen Montag hatte die dafür zuständige Bundesbehörde die entsprechenden Genehmigungen für über 150 Atommülltransporte erteilt, nur zwei davon kommen aus dem Atomforschungsreaktor in München-Garching. Alle anderen aus dem ehemaligen Atomforschungszentrum Jülich. Für die extrem gefährlichen Atomtransporte gelten enorm hohen Terrorschutzanforderungen, im Beamtendeutsch als SEWD bezeichnet. Tausende Polizei und Sicherheitsbedienstete kommen im Vorfeld und bei der Durchführung der Transporte großräumig zur Gefahrenabwehr zum Einsatz. Jahrelang hatten sich Bundes- und Landesbehörden in Regierungen mit CDU, FDP und Grünen in NRW und SPD, FDP und Grüne sowie jetzt CDU,CSU und SPD im Bund – und Betreiber JEN –  die Verantwortung gegenseitig zugeschoben. Und selbst die absurdesten Varianten geprüft (Verschiffung der hochriskanten Atomfracht in die USA). Ein schnellstmöglicher Neubau des Jülicher Zwischenlagers und die weitere Lagerung vor Ort wäre die beste Lösung gewesen, wurde aber weder von der Landesregierung noch vom Bund tatsächlich verfolgt. Ein solches neues verbessertes Zwischenlager könnte jetzt längst in Betrieb sein.

  • Der WDR berichtet in Westpol unter dem Titel „Castor-Transporte: Schwarzer Peter mit Atommüll“ hier mit diesem Video. (Laut Angaben des WDR ist der Videobeitrag „Verfügbar bis 31.08.2030″.)Dort äußert sich auch der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei zu den enormen Herausforderungen. Und außerdem Vertreter:innen der BI Ahaus, die von der Grünen Mona Neubaur, zuständige Ministerin in NRW, enttäuscht sind: (Burkhard Helling) „Und dann fragen wir uns wirklich: Wer lügt denn da? Und warum lügt man? Und warum sagt man uns nicht die Wahrheit, das das alles schon längst beschlossen ist.“ Rückfrage zur Rolle Mona Neubauer, zuständige Grüne Ministerin in NRW, (Antwort Janna Dujesiefken): „Sie hat zumindest grad zu wenig, oder in den letzten Jahren, getan, um uns ein anderes Gefühl zu signalisieren.“
  • Die Münsterländer Inis SOFA informieren hier über den Aktionstag und Hintergründe. Die BI Ahaus kommentiert hier. Und die näher zu Jülich aktiven bei Westcastor reagieren hier. Die Linke hatte außerdem aufgerufen: Atomtransport-Wahnsinn: Am Sonntag zum Spaziergang nach Ahaus! Wüst und Neubaur müssen sich politischer Verantwortung stellen!

Doch das Verantwortungskarussell geht weiter: Die Grüne Wirtschaftsministerin in NRW verweist auf den Bund, wo heute die SPD zuständig ist. Als die Weichen gestellt wurden, waren aber Grüne im BMU und in der Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss mitverantwortlich und haben die Transporte nach Jülich als die vorteilhaftere Variante festgelegt. Im November 2022, als das passierte, gab es in NRW keinen Widerspruch und wichtiger: keine Gegenmaßnahmen. Der BUND in NRW hat gegen die Transportgenehmigung für Jülich Widerspruch beim zuständigen Bundesamt eingelegt. Klagen könnten folgen.

Möglicherweise ab November könnten die Atomtransporte per gepanzerten LKWs auf die Reise gebracht werden. In den 152 Castor-Behältern vom Typ MTR in Jülich befinden sich „maximal 288161 Brennelemente mit ursprünglich max. 720,7 kG Uran mit max. 290,3 kg Uran-235 und max. 1850kg Thorium sowie kernbrennstofffreie Absorberkugeln.

Das Uran für den Einsatz in diesem irrwitzigen Atomreaktor mit 93 Prozent atomwaffenfähigem Uran235 angereichert. Ein solcher „Hochtemperaturreaktor“, wie er in Jülich als Prototyp und später in Hamm Uentrop gebaut wurde, sollte mit atomwaffenfähigem Uran betriebenen Reaktorkern als deutscher Exportschlager in alle Welt verkauft werden. Man muss wirklich tief durchatmen, dass solche eine wahnwitzige Idee an den Grenzen des technisch machbaren gescheitert ist.

Am Ende bleibt: Nach der Bestrahlung im damaligen „Hoffnungs-Atomreaktor“ – dem AVR Jülich, der zum Exportschlager werden sollte, enthält der hoch radioaktive Atommüll immer noch 537 kg Uran, davon 59 kg spaltbares Uran 235 und 25 kg Uran 233. Zudem die Gesamtmenge von 6,3 kg Plutonium. Die gesamte Aktivität wird mit 98 PBq und einer Wärmeleistung von 9,12 kW angegeben. In jedem Castor-Behälter befinden sich nach Angaben von BASE maximal 1900 Brennelemente bei einer Uranmenge von 13,2 kg insgesamt 1,4 Kilogramm Uran235 und 233 sowie 0,2 Kilogramm Plutonium. Die Aktivität je Behälter ist maximal auf 0,64 PBq und eine Wärmeleistung von 0,060 kW begrenzt.

13 Achsen! Mit Panzerungen und Gehäuse rund 130 Tonnen schwer. LKW-Bau am technischen Limit. Dazu ein Behälter mit hoch radioaktiven und hoch angereichertem Atommüll und nur knapp 10 Tonnen Gesamtgewicht mit Inhalt pro Behälter. Eine toxische Partnerschaft mit enormem Gefährdungspotential, für deren Schutz es tausender Polizei- und Sicherheitskräfte bedarf. Foto: Betreiber JEN.

Es ist nicht wirklich viel radioaktives Material, welches da in die dickwandigen Stahlbehälter namens Castor gepackt wird. Die LKWs, die eine maximal mögliche Gefahrenabwehr sicherstellen sollen, sind gepanzert und gegen erheblich Waffenbeschuss ausgelegt. Sie wiegen rund 130 Tonnen, also rund das 13 Fache des Inhalts in den Atommüllbehältern. Mehr geht nicht, dann wäre ein Transport über das bestehende Straßensystem und möglicherweise noch mal erhöhten Terrorschutzanforderungen einfach gar nicht mehr denkbar, technisch nicht herstellbar. Extrem-Gefahren treffen Extreme in Materialentwicklung und Ingenieurskunst. Allein 161 „sicherungstechnische Unterlagen“ hatte der Transporteur Orano NCS für die Einzeltransporte der Genehmigungsbehörde zur Prüfung übergeben.

„Sicherung“ bezieht sich in Sachen Atomenergie immer auf Aspekte der Einwirkung von „Außen“. Damit sind nicht Klimafolgen gemeint, sondern der Einsatz von Waffen, z.B. Drohnen, panzerbrechende Waffen oder derartiges. In jedem Fall gilt: Ein Transport ist immer auch ein bewegliches Ziel für terroristische und seit der Ukraine auch kriegerische Aktionen.

„Sicherheit“ ist als Wort im Einsatz, wenn es um Risiken im Bereich technisches oder menschliches Versagen im Einsatz oder durch die Technik in ihrer Anwendung entstehen.

Wie das zuständige Bundesamt BASE in der Genehmigung mit Datum 25-08-2025 schreibt: „Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch beim Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung erhoben werden.“ Und oder außerdem Proteste per Demos und Aktionen?

 

Dirk Seifert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

×