Atommüll-Desaster: Laufzeitverlängerung für die Zwischenlagerung

Castorbehälter für hochradioaktiven Atommüll. 80 Stück davon baut die GNS pro Jahr. Foto: GNS
Castorbehälter für hochradioaktiven Atommüll. Halten sie länger als 40 Jahre dicht? Foto: GNS

Wie lange halten Castor-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll dicht? Diese Frage wird angesichts der weiterhin ungelösten „Endlagerung“ immer bedeutsamer. Ehemals war versprochen worden: 40 Jahre Zwischenlagerung, danach ab ins „Endlager“. Längst ist klar: So wird es nicht sein! Inzwischen räumt auch die Bundesregierung ein, dass es Laufzeitverlängerungen für die Zwischenlager braucht – oder neue Zwischenlager. Bereits Mitte der 2030er Jahre laufen die Genehmigungen für die Castor-Lager in Ahaus und Gorleben aus, Mitte 2040 dann die der Standort-Zwischenlager. Die Entsorgungskommission (ESK) der Bundesregierung hat jetzt ein Papier vorgelegt, in dem aus ihrer Sicht beschrieben wird, was es an Problemen und Aufgaben mit der „verlängerten Zwischenlagerung“ gibt.

  • Nicht erst nach Ablauf der Lagerfristen von 40 Jahren gibt es Probleme bei der Atommüll-Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle. Im Januar hat das OVG Schleswig wegen zahlreicher mangelhafter oder gar falscher Sicherheitsnachweise die Genehmigung für das Castor-Zwischenlager am AKW Brunsbüttel aufgehoben. Bürgerinitiativen und Umweltverbände fordern nicht nur mehr Sicherheit in Sachen Terrorschutz, sondern z.B. auch „heiße Zellen“, in denen kaputte Castoren repariert werden könnten (siehe unten im Text).
  • Hochradioaktiv: Später, teurer und ein neues Atommülllager für 500 Castor-Behälter

Das „Diskussionspapier“ umfasst insgesamt 24 Seiten und ist jetzt als Drucksache auf der Homepage der Atommüll-Kommission (PDF) veröffentlicht worden. Schon die Einleitung des Papiers ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, denen eine rot-grüne Bundesregierung bei der Errichtung der Standort-Zwischenlager an den AKW-Standorten versprochen hatte, dass diese Lagerung für „nur“ 40 Jahre erfolgen würde. Dann käme das Zeug in ein „Endlager“. Als „Vertrauensbildung“ ist diese Befristung aber zumindest in die Genehmigungen geschrieben worden.

Klar ist inzwischen: Diese Lagerfristen werden nicht reichen. Selbst die Bundesregierung hat inzwischen kleinlaut eingeräumt, dass es auf längere Zwischenlagerfristen hinauslaufen wird. Nachzulesen im Nationalen Entsorgungsprogramm. Nicht zuletzt deshalb taucht im NaPro auch eher überraschend ein so genanntes Eingangslager auf. Dieses soll am Ort des zu findenden „Endlagers“ bereits mit der ersten Teilerrichtungsgenehmigung entstehen. Dort sollen – dazu muss man in die kleingedruckten Anhänge schauen – bis zu 500 Castoren zwischengelagert werden, bevor sie irgendwann vermutlich unter Tage gehen. Die Hoffnung: Diese Genehmigung kommt noch so rechtzeitig, dass die Atommülllager in Ahaus und Gorleben Mitte der 2030er Jahre in Richtung dieses „Eingangslagers“ geräumt werden könnten.

Jetzt schreibt die ESK zur Einleitung mit Blick auf die Lagerfristen: „Vor dem Hintergrund des Standortauswahlgesetzes vom Juli 2013 (StandAG) [1] ist davon auszugehen, dass die bisher unterstellten Zwischenlagerzeiträume von bis zu maximal 40 Jahren den Zeitraum bis zur Inbetriebnahme eines Endlagers für bestrahlte Brennelemente und sonstige Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle nicht abdecken. Gemäß StandAG ist die Standortentscheidung für das Endlager bis 2031 zu treffen. Daran schließen sich die Genehmigung, die Errichtung und die Inbetriebnahme an, wofür nach derzeitigen Erfahrungen mindestens etwa 20 Jahre (bis ca. 2050) zu veranschlagen sind. Für die Zwischenlagerzeiträume sind etwa 65 bis 100 Jahre für einen nennenswerten Teil der bis etwa 2027 nach Abschaltung aller Kernkraftwerke zu beladenen Behälter (insgesamt etwa 1.9001 Behälter) unvermeidlich. Die aktuellen Zwischenlagergenehmigungen laufen zwischen 2034 und 2047 aus. Unabhängig davon ist die in den Aufbewahrungsgenehmigungen festgelegte Frist für einen Zeitraum von 40 Jahren zu sehen, die mit dem Verschließen des Behälters bei der Beladung beginnt. Für die ersten Transport- und Lagerbehälter läuft diese Frist 2032 aus. Unterschiede bezüglich des Auslaufens der 40-Jahresfrist zwischen Behälter und Lager können beispielsweise daher rühren, dass der Behälter zunächst in einem Interimslager gelagert wurde. Die Genehmigungsinhaber haben in der Regel sechs bis acht Jahre vor Auslaufen der Genehmigung der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde den weiteren Verbleib der radioaktiven Abfälle nachzuweisen.“

Das ist – bezogen auf die Lagerfristen – eine Art Bestandsaufnahme, was mit der Zwischenlagerung auf uns zu kommt. Weiter hinten im Papier stellt die ESK neben vielen weiteren Punkten u.a. fest: „Genehmigungsrechtlich stellt auch die Verlängerung eines bereits genehmigten Zwischenlagerzeitraums eine Neugenehmigung dar, der die erforderliche Vorsorge nach dem dann gültigen Stand von Wissenschaft und Technik zugrunde zu legen ist. Für eine verlängerte Zwischenlagerung müssen dann die zu diesem Zeitpunkt sicherheitstechnisch relevanten Eigenschaften der tatsächlich vorhandenen Inventare und Behälter berücksichtigt werden“.

Zahlreiche weitere Aspekte werden in dem Papier aufgelistet, die hier in den nächsten Wochen sicher noch weiter betrachtet werden. Wichtig ist das grundlegende Fazit der ESK: „Die ESK ist der fachlichen Überzeugung, dass die Zwischenlagerung von bestrahlten Brennelementen und sonstigen Wärme entwickelnden radioaktiven Abfällen auf den unbedingt notwendigen Zeitraum bis zu ihrer Überführung in ein Endlager in tiefen geologischen Formationen zu begrenzen ist, um den bestmöglichen Schutz der Menschen und der Umwelt zu gewährleisten.“ Ob der nächste Satz zutreffend ist, wird sicher zu diskutieren sein:

„Derzeitige Betriebserfahrungen mit Behältern und Zwischenlagern von mehr als 20 Jahren lassen in Verbindung mit regelmäßigen Sicherheitsüberprüfungen und systematischen Maßnahmen zum Alterungsmanagement auch für eine über 40 Jahre hinausgehende verlängerte Zwischenlagerung die Beibehaltung der bestehenden Sicherheitsfunktionen grundsätzlich erwarten.“

An dieses Fazit schließt sich dann eine umfangreiche Auflistung an, was aus Sicht der ESK erforderlich ist, um die Bedingungen für eine längere Zwischenlagerung zu gewährleisten. Auch hier wird sicherlich noch einiges zu diskutieren sein.

Was fehlt? Auf die Konsequenzen aus dem OVG-Urteil zur Aufhebung der Genehmigung für das Standort-Zwischenlager in Brunsbüttel geht die ESK bestenfalls indirekt ein, wenn sie die hohen Genehmigungsvoraussetzungen ins Spiel bringt. Das Stichwort „Heiße Zelle“ taucht in dem Papier an keiner Stelle auf. Umweltverbände und Initiativen fordern diese „Reparatur-Räume“ für Castor-Behälter als Nachrüstung für die Zwischenlager. Sollte ein Castor-Behälter undicht werden, könnten diese in einer solchen Zelle repariert werden. Hinzu kommt: Noch könnten defekte Behälter in den AKWs am Standort repariert werden. Wenn diese aber zurück gebaut werden, gibt es diese Möglichkeit nicht mehr.

Auch für die geplanten Rücktransporte von Atommüll aus dem Ausland in Standort-Zwischenlager an einigen AKWs, braucht es diese Zellen.

Dirk Seifert

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