RENEGADE – Atomalarm in der Luft
Verliert ein Flugzeug über dem deutschen Luftraum den Funkkontakt, steigen Kampfflieger der Luftwaffe im Alarmstatus innerhalb weniger Minuten auf, um zu klären, was los ist. Ein sogenannter RENEGADE-Alarm. Atomkraftwerke werden unmittelbar informiert. Die Zwischenlager mit hochradioaktivem Atommüll werden nicht einbezogen. In der Vergangenheit ist es dabei bereits zu Teilevakuierungen des Personals zahlreicher Atommeiler gekommen. Jetzt hat der Abgeordnete Hubertus Zdebel (DIE LINKE) die Bundesregierung befragt, ob es weitere RENEGADE-Alarmstarts seit 2017 gegeben hat und zu welchen Maßnahmen es bezogen auf die Atomanlagen gekommen ist.
- April 2017: Atomare Geheimhaltung? Fragen und keine Antworten der Bundesregierung zu Luft-Atom-Alarm – RENEGADE
- 2017: RENEGADE-Luftterror-Atomalarm: Alle AKWs am 10. März betroffen
Dass Fragen nach der Atomsicherheit in Verbindung mit Terroranschlägen bei der Bundesregierung nicht sonderlich beliebt sind, hat der Bundestagsabgeordnete in den letzten Jahren immer wieder erfahren. Auch wenn der Geheimschutz sicherlich in vielen Punkten nachvollziehbar ist. Dennoch müssen die Bürger:innen über bestehende Risiken informiert sein. Atomanlagen sind nicht nur im Falle technischer Mängel eine unverantwortliche Gefahr. Auch als Ziele von Anschlägen stellen Atomkraftwerke oder oberirdische Atommülllager eine erhebliche Gefahr dar.
Kommt es also zu Alarmstarts der Luftwaffe, weil ein unbekanntes Flugzeug im bundesdeutschen Luftraum unterwegs ist oder unklar ist, ob der fehlende Funkkontakt möglicherweise mit einem terroristischen Akt in Verbindung steht, und in diesem Rahmen die Atomkraftwerke alarmiert werden, dann sollte auch eine Information der Bevölkerung erfolgen.
Die Antworten, die die Bundesregierung nun auf die Fragen des Abgeordneten nach mehrfach bewilligten Fristverlängerungen liefert, sind bestenfalls ausweichend. Je nach Lesart spricht die Bundesregierung von drei bzw. vier Fällen, die seit 2017 in den Bereich von RENEGADE-Alarmen zu zählen wären. Offenbar sind die Betreiber der AKWs – nicht aber die der Atommülllager – umgehend informiert worden. Welche konkreten Maßnahmen jeweils erfolgten, teilt die Bundesregierung nicht mit.
In einer Stellungnahme der Reaktorsicherheitskommission ist aber auf Seite 4 zu lesen: „Mit der verbindlichen Umsetzung dieses Konzeptes in den BHB/NHB (Betriebshandbuch/Notfallhandbuch) aller deutscher Kernkraftwerke bestehen nunmehr in allen Anlagen vergleichbare Regelungen, die bei einem Voralarm die notwendigen internen Alarmierungen (z. B. Werkfeuerwehr und Bereitschaften), die Besetzung der Notsteuerstelle sowie die Räumung von Anlagenbereichen und bei einem Hauptalarm ergänzend die Reaktorschnellabschaltung gewährleisten.“ RSK-Stellungnahme, (499. Sitzung der Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) am 06.12.2017)
Das Bundeswehr Journal berichtet hier zu der Frage.
Dokumentation: Schriftliche Frage
Thomas Silberhorn, Parlamentarischer Staatssekretär, Mitglied des Deutschen Bundestages
Sehr geehrter Herr Kollege,
beigefügt übersende ich Ihnen die Antwort der Bundesregierung auf Ihre oben genannte Schriftliche Frage
Anlage zu ParlSts bei der Bundesministerin der Verteidigung Silberhorn
1980048-V112 vom 3. August 2021
Schriftliche Frage 7/187
„Jeweils wann hat es seit 2017 bis heute nach Kenntnis der Bundesregierung Renegade-Vorfälle, also Alarm-Einsätze der Luftwaffe wegen fehlendem Kontakt zu Flugzeugen im deutschen oder angrenzenden Luftraum gegeben, und zu welchen Maßnahmen ist es dabei jeweils mit Blick auf Atomanlagen bzw. Atomanlagenbetreiber gekommen (bitte jeweils Datum, Anlage und Art der Maßnahme nennen; vergleiche auch Frage 3 auf Drucksache 18/12020 sowie Zusatzfragen im Plenarprotokoll 18/230 S 23147 f.)?“
(ANTWORT)
Nach Kenntnis der Bundesregierung kam es seit 2017 zu drei Renegade-Vorfällen. Diese ereigneten sich am 10. März 2017, 19. Februar 2018 und am 23. Juli 2018. In allen drei Fällen kam es zum Alarmstart einer deutschen Alarmrotte; der Renegade-Verdacht bestätigte sich jedoch in keinem der Fälle.
Darüber hinaus wurde am 5. Juli 2018 ein US-amerikanisches Luftfahrzeug durch Schweizer Behörden aufgrund eines Funkabbruchs/Verlassens des Flugweges als „Möglicher (Probable) Renegade“ eingestuft. Die Einstufung konnte aber noch vor Einflug in den deutschen Luftraum aufgehoben werden und wird daher durch die deutsche Luftwaffe statistisch nicht als Renegade-Vorfall geführt.
Grundlage der Maßnahmen in den Atomkraftwerken (AKW) bei einem Renegade-Vorfall ist der Renegade-Rahmenplan Kernkraftwerke. Dieser Rahmenplan gilt ausschließlich für die AKW und legt die Einzelheiten der Warnung und Alarmierung fest.
Die Maßnahmen in Folge eines Renegade-Vor- oder Hauptalarms sind anlagenspezifisch in den Betriebsvorschriften des jeweiligen AKW festgelegt und werden nach Eingang eines Vor- oder Hauptalarms in der Verantwortung des jeweiligen AKW lageangepasst veranlasst.