Faktencheck Teil 2 – Ohrfeige für die SPD und Volksentscheids-Gegner – „Es geht um eine politische Entscheidung“
Das letzte Wochenende dürfte bei der SPD-Führung in Sachen Volksentscheid nicht so gut angekommen sein. Während der Spiegel meldet, dass die Stadt beim Abschluss der Verträge über eine Minderheitsbeteiligung von 25,1 Prozent wichtige Prüfunterlagen über den Wert des Stromnetzes und der Fernwärme von Vattenfall nicht erhalten und daher überteuerte Preise gezahlt hat, kommt im Hamburger Abendblatt Jens Meyer-Wellmann nach einem umfangreichen „Faktencheck“ zu dem Ergebnis: „Beide zur Abstimmung stehenden Varianten folgen einer inneren Logik“, haben Risiken, vor allem aber: „Es geht um eine politische Entscheidung, die viel mit der Grundhaltung des Abstimmenden zu tun hat.“
Welche politischen Interessen verfolgt die SPD?
Meyer-Wellmann ist zuzustimmen, wenn er den Konflikt als eine politische Entscheidung darstellt. Umso mehr drängt sich aber dann auch die Frage auf, welche politischen Interessen die SPD mit ihren Bündnispartnern eigentlich verfolgt, wenn sie sich zugunsten der Geschäfte von Vattenfall und E.on in so starkem Maße gegen ein breites Bürgerbündnis aus Umweltorganisationen, Verbraucherzentrale, teilen der Kirche, den Mietervereinen, Verbänden aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien und zahlreichen sozialen Einrichtungen stellt.
Der Artikel von Meyer-Wellmann ist vor allem eine Ohrfeige Richtung SPD und ihrer Verbündeten von CDU, FDP bis hin zu den Kapitalverbänden. Wenn diese der Volksentscheids-Initiative vorwerfen, Märchen zu erzählen und für nichts und wieder nichts die Stadt in den finanziellen Abgrund stürzen zu wollen, erteilt Meyer-Wellmann denen nun im Abendblatt eine klare Zurechtweisung!
An vielen Stellen in seinem aktualisierten Artikel (der vor ca. zwei Wochen bereits in der Welt veröffentlicht war, siehe hier) zeigt Meyer-Wellmann auf, dass die Volksentscheids-Gegner immer wieder mit Falschdarstellungen und bewußten Manipulationen arbeiten. Ausdrücklich weißt er darauf hin, dass der Rückkauf der Energienetze nicht über den Haushalt erfolgen wird. Wie schon der Deal über den 25,1 Prozent-Anteil (oder auch die Beteiligung bei Hapag-Lloyd) würde die Finanzierung über die Hamburger Gesellschaft für Vermögensverwaltung (HGV) erfolgen. Diese Holding kontrolliert sämtliche öffentliche Unternehmensbeteiligungen und würde die Finanzierung über Kredite am normalen Kapitalmarkt betreiben – der Haushalt ist davon nicht betroffen!
Insofern ist die Propaganda, der Volksentscheid gefährde die Finanzierung von Kindergärten oder anderen sozialen Einrichtungen blanker Unsinn oder im Grunde eine Lüge. Etwas vorsichtiger formuliert es Meyer-Wellmann: „Sollte Hamburg das gesamte Netz zurückkaufen, würde dies wohl auch über Kredite laufen, die die HGV aufnimmt. Der Haushalt würde also nicht unmittelbar belastet. Das häufiger vorgebrachte Argument, der Stadt würde beim Kauf der Netze das Geld für andere Investitionen, etwa für Kitas oder Schulen, fehlen, ist deswegen nicht wirklich stichhaltig. Auf den Haushalt durchschlagen kann jede Beteiligung der Stadt jedoch über den Verlustausgleich, den die HGV jährlich bekommt.“
Einen Verlustausgleich muss der Senat aber nur vornehmen, wenn es insgesamt bei den vielen Unternehmen, die von der HGV kontrolliert werden, zu Verlusten kommt. Wenn es Gewinne gibt, werden diese von der HGV dem Haushalt zugeführt und entlasten ihn damit! Derzeit ist vor allem die Bankenkrise und die HSH Nordbank dafür verantwortlich, dass es einen Verlustausgleich durch den Haushalt gibt.
Netzbetrieb bietet hohen Deckungsbeitrag
Auch gegen das Argument, dass die vollständige Rekommunalisierung nur Kosten zur Folge habe, sonst aber nur Risiken bringe, stellt Meyer-Wellmann fest: „Soll heißen: Wer das Netz professionell bewirtschaftet, kann mit ordentlichen Gewinnen rechnen.“ Zuvor zitiert er Roland Broemel, Juniorprofessor für Öffentliches Recht und Wirtschaftsrecht an der Uni Hamburg. Der sagt nicht nur, dass sich die Kosten für die Übernahme amortisieren werden, sondern auch, dass „für effizient arbeitende private Netzbetreiber (…) der Netzbetrieb einen hohen Deckungsbeitrag“ leistet. Siehe dazu auch: Vattenfall und der Volksentscheid: “Die Netze als rettender Anker”.
SPD-Deal bedeutet Ausverkauf der lukrativen Fernwärme
Im neuen Faktencheck widmet sich Meyer-Wellmann ausführlich nun auch der Fernwärme, die bei dem Volksentscheid von größter Bedeutung ist und in den letzten Monaten meist „übersehen“ worden ist. Die Vielzahl an Hinweisen, die der Abendblatt-Autor zusammenträgt, unterstreicht im Grunde die Position der Volksentscheids-Initiative in vollem Umfang. „Da es weder einen wirklich freien Markt noch eine Regulierung bei der Fernwärme gibt, sind die Gewinnmargen sehr hoch. Das zeigt sich auch daran, dass der SPD-Senat für seinen Anteil an der Vattenfall-Fernwärme allein 325 Millionen der 543,5 Millionen Euro bezahlen musste, die er für den 25,1-Prozent-Anteil an allen Netzen auf den Tisch legte“, schreibt Meyer-Wellmann.
Ausführlich geht er auch darauf ein, dass die SPD-Mehrheit mit dem Minderheitsdeal mit Vattenfall auch den vollständigen Verzicht auf die Fernwärme betreibt, also künftig auf das Recht verzichtet, die Fernwärme übernehmen zu können. Vattenfall widerspricht in dieser Frage einer vertraglichen Regelung aus dem Jahr 1994 mit den HEW. Dieser Verzicht des SPD-Senat würde die Fernwärme samt Kraftwerke unwiederbringbar Vattenfall überlassen. Meyer-Wellmann: „Der Scholz-Senat jedoch verzichtete in seinem Vertrag mit Vattenfall faktisch darauf, diesen Streit auszufechten – und damit auf die Möglichkeit, das extrem lukrative Fernwärmenetz zurückzukaufen.“
Wichtig an dieser Stelle auch: Vor allem mit der Fernwärme lässt sich für den Klimaschutz eine Menge bewegen, denn hier kann direkt auf die Wärmeerzeugung in den Kraftwerken und auch den Verbrauch eingewirkt werden. Hinzu kommt, dass die Einspeisung von Wärme aus Erneuerbaren Energien derzeit aufgrund des Vattenfall-Monopols nicht möglich ist. Ein städtischer Eigentümer könnte hier besonders viel für die Energiewende und den Klimaschutz tun!
Gewinnträchtige Energienetze – Gewinne für Vattenfall und E.on
Über die Gewinne aus den Netzen schweigen der SPD-Senat und vor allem Vattenfall betont auffällig. In den letzten Jahren aber hat es regelmäßig allein im Vattenfall-Stromnetz Gewinne von über 40 Millionen Euro gegeben. Die Fernwärmeversorgung, zu der auch die Kraftwerke, deren Wärme- und Stromverkauf sowie die KundInnen zählen, soll in den letzten Jahren bis zu 60 Millionen Euro eingebracht haben. Und während die Geschäftsberichte der gemeinsamen Gesellschaft zwischen Vattenfall und der Stadt Hamburg für Strom und Fernwärme immer noch nicht veröffentlicht sind, hat E.on gerade den Geschäftsbericht für 2012 vorgelegt. Über 17 Millionen Euro Gewinn hat das gemeinsame Gas-Unternehmen insgesamt gemacht. Während E.on davon über 13 Millionen einsteckt, erhält die Stadt Hamburg aufgrund der von der SPD gemachten Verträge lediglich einen Anteil von 1,69 Millionen Euro!
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