AKW Krümmel bleibt betriebsbereit – Vattenfall zögert Entscheidung über Rückbau oder Abriss hinaus

Vattenfall und das Risiko Atomenergie: Neue AKWs in Planung. Foto: Dirk Seifert
Vattenfall-AKW Krümmel immer noch betriebsbereit. Foto: Dirk Seifert

Bei Vattenfall wird „mittlerweile offen über einen sicheren Einschluss der strahlenden Altlasten nachgedacht. Statt die Anlage abzubauen, würden große Teile des Gebäudes verschlossen und dauerhaft erhalten bleiben. „Über 95 Prozent des Kraftwerks sind nicht kontaminiert, deshalb müssen wir uns die Frage stellen, was ist sicherer für die Menschen: ein Rückbau oder der sicherer Einschluss?“, sagte Pieter Wasmuth, Generalbevollmächtigter der Firma Vattenfall für Norddeutschland“ im Gespräch mit der Bergedorfer Zeitung.

Damit reagiert Vattenfall auf den wachsenden Druck, dass auch zwei Jahre nach der Katastrophe von Fukushima und der endgültigen Stilllegung von neun Atommeilern beim AKW Krümmel immer noch die Entscheidung aussteht, was mit dem Reaktor künftig passieren soll. Für alle anderen Atommeiler sind inzwischen Anträge zum Rückbau angekündigt oder auch gestellt. Auch das Vattenfall-AKW Brunsbüttel soll zurückgebaut werden.

Wichtig vielleicht auch: Am AKW Krümmel sind Vattenfall und E.on zu gleichen Teilen beteiligt! Vattenfall hat die Betriebsführung für den Atommeiler, unternimmt aber angesichts der Eigentumsverhältnisse sicherlich keinen Schritt, der nicht mit E.on abgestimmt ist!

Vattenfall hält den Atomreaktor in Krümmel weiter betriebsbereit. Das berichten immer wieder GeesthachterInnen, die mit Mitarbeitern des Unternehmens sprechen. Während anderen Orts Maßnahmen getroffen werden, die die Stilllegung vorbereiten, sollen in Krümmel Beschäftigte dafür sorgen, dass der Reaktor wieder angefahren werden könnte.

Für dieses Vorgehen gibt es einen plausiblen Grund: Die laufenden Entschädigungsklagen von Vattenfall beim Bundesverfassungsgericht und vor dem Schiedsgericht ICSID in Washington. Rund 3,5 Mrd. Euro will Vattenfall für die Stilllegung der Atommeiler (alle Infos ICSID hier).

Dabei rechnet sich Vattenfall vor allem für das AKW Krümmel gute Chancen aus. „Wir respektieren die Entscheidung zum beschleunigten Ausstieg aus der Kernkraft, das ist demokratisch“, sagt Wasmuth. Allerdings müsse Vattenfall dann angemessen entschädigt werden. So hatte man beispielsweise seit 2007 fast eine halbe Milliarde Euro in Krümmel investiert, im Vertrauen darauf, die von der rot-grünen Bundesregierung zugesagten Reststrommengen nutzen zu können.“

Diese Reststrommengen haben es rechtlich in sich und machen den Unterschied zum AKW Brunsbüttel, dass nur noch wenig Reststrom hatte, als es 2007 – wie auch Krümmel – nach schweren Störfällen bis zur endgültigen Abschaltung vom Netz musste. Für Krümmel – so sagen auch Insider – stehen die Chancen gar nicht so schlecht, dass vor dem eher dubiosen Schiedsgericht in Washington tatsächlich eine Entschädigung durchgesetzt werden kann. Rund zehn Jahre hätte das AKW Krümmel nach der damaligen Restrommengen-Regelung noch Strom erzeugen dürfen. Bei rund einer Million Euro Gewinn pro Tag Volllastbetrieb kommt eine stattliche Milliarden-Summe dabei heraus. Die will Vattenfall jetzt von der Bundesrepublik – also den SteuerzahlerInnen – erstattet bekommen.

Um den Druck für die laufenden Klagen aufrechtzuerhalten und zu unterstreichen, wie ernst es Vattenfall damit ist, wird das AKW Krümmel betriebsbereit gehalten. Das ist der eigentliche Grund, warum Vattenfall keine Entscheidung über Rückbau oder Einschluss fällt.

Ablenkungsmanöver

Um von dieser entscheidenden Ursache abzulenken „philosophiert“ Wasmuth gegenüber der Bergedorfer Zeitung über die ungelöste Entsorgung oder andere Probleme. Tatsächlich ist es ja richtig, die Alternativen Einschluss oder Rückbau eingehend zu untersuchen und die Sicherheitsfragen gründlich abzuwägen. Nur: Das hätte Vattenfall in den letzten zwei Jahren längst erledigen können. Insofern sind die Hinweise von Wasmuth zwar durchaus real, haben aber mit den Motiven für das derzeitige Vorgehen von Vattenfall – wie dargestellt – eigentlich gar nichts zu tun:

„“Wir können das Kraftwerk zurückbauen und sicher verpacken. Aber dann bleibt erst mal alles vor Ort stehen, weil Schacht Konrad als Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle sehr viel später zur Verfügung stehen wird als geplant und ein Endlager für hochradioaktive Abfälle noch nicht existiert“, so Wasmuth“. Das ausgerechnet Vattenfall die tatsächlich ungelöste Entsorgung des Atommülls als Grund anspricht, ist, gelinde gesagt, überraschend. Damit nicht genug: Der Rückbau könnte angesichts fehlender Atommülllager anderenorts laut Vattenfall am Platzmangel in Krümmel scheitern: „Am Standort Geesthacht würde das wegen der räumlichen Enge zu neuen Problemen führen, schließlich müssten große Teile der abgebauten Anlagen in Castor-Behälter und Container verpackt werden. Der Raumbedarf wäre enorm. „Würden wir Krümmel sofort zurückbauen, müssten wir erst Platz schaffen. Das hieße, rund um das Kraftwerk fleißig Wald zu roden und dort drei große Lagerhäuser aufzubauen – ich weiß nicht, ob die Menschen das wollen.““

Vattenfall und was „die Menschen wollen“ – Au Backe

Es wäre ja nun ein Leichtes, dass Vattenfall einfach die Menschen fragt. Aber das ginge dem Atomkonzern vermutlich viel zu weit. Denn dabei könnte ja etwas rauskommen, was Vattenfall dann doch nicht so lieb ist. Nicht Vattenfall sorgte bislang für eine Information der Bevölkerung über die weiteren Pläne mit Krümmel. Das musste die Stadt Geesthacht z.B. im September 2012 machen. Auf Anregung von örtlichen Initiativen lud die Stadt zu einer Veranstaltung. Gut über 200 Menschen wollten wissen, was Vattenfall vor hat mit Krümmel und Vattenfall sagte: „Wissen wir nicht“. Siehe dazu: Stilllegung AKWs Brunsbüttel und Krümmel – Vattenfall sucht billige Lösung

„Ob die Menschen das wollen“? Das will und wollte Vattenfall eigentlich noch nie genau wissen. Würde sich das Unternehmen dafür interessieren, hätte es nur ein paar hundert Meter Luftlinie weiter ein überaus spannendes Projekt, wie man mit Menschen an solchen Fragen arbeitet. Der Betreiber der ehemaligen Atomforschungsreaktoren der GKSS – das Helmholtz-Zentrum Geesthacht – macht vor, wie das gehen kann: Dort hat im Oktober 2012 ein überaus interessanter Dialog zwischen HZG/GKSS einerseits und AnwohnerInnen, Bürgerinitiativen, ROBIN WOOD und kommunalpolitischen Akteuren über die Stilllegung der Atomanlagen begonnen. Das HZG hatte für den Dialog ein wichtiges Angebot gemacht: Man wolle im Rahmen des Dialoges „gemeinsame Lösungen“ im Konsens mit der so genannten Begleitgruppe erarbeiten. Bis heute zeigt sich: Das waren nicht nur große Worte, sondern wird auch in der Realität umgesetzt.

Doch von sowas will Vattenfall gar nichts wissen und so was kann Vattenfall auch gar nicht. Es geht Vattenfall in Krümmel ausschließlich darum, die wirtschaftlichen Interessen abzusichern und den Druck für die laufenden Klagen aufrechtzuerhalten. Was „die Menschen wollen“ interessiert angesichts von solch milliardenschweren Beträgen bei Vattenfall niemanden. Das umso mehr, weil das Unternehmen erhebliche wirtschaftliche Probleme hat. Rund 20 Milliarden Euro soll das Unternehmen an Schulden haben. In den letzten Jahren hat das Unternehmen – z.B. durch überteuerte Einkäufe bei Nuon in den Niederlanden – weitere Verluste eingefahren.

Siehe auch:

Dirk Seifert

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