Atommüll und Partei-Vorsitzende: Grundsätze, Erhalt der Leistungsfähigkeit der EVU und ein Veto-Recht für Bayern?
Energie- und Atompolitik und drei Parteivorsitzende. In der letzten Woche plauderten die Damen und Herren und verabredeten „Eckpunkte für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende“ als „Politische Vereinbarungen der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 1. Juli 2015“ (hier als PDF zum download). Da wurde nicht nur die aus dem Hause Gabriel lancierte Klimaabgabe versenkt und den Konzernen Vattenfall und E.on mit einer Kapazitätsregelgung für klimaschädliche Braunkohlekraftwerke ein Milliarden-Euro schweres Steuergeschenk verabreicht. Wichtige Absprachen über den heiß umstrittenen Netzausbau Richtung Bayern und auch zu den Rücktransporten von Atommüll aus Frankreich und England sind in diesem Beschluss enthalten.
Ein wenig nörgelt die Umweltminsterin Hendricks über die Vereinbarungen (Handelsblatt), aber natürlich trägt sie sie mit. „Um die Klima-Ziele zu erreichen, setzen Union und SPD nun auf einen Maßnahmen-Mix und weitere Steuermilliarden. Die Zusatzkosten bis 2020 belaufen sich auf mehr als zehn Milliarden Euro“, heißt es im Handelsblatt. Das ist ohne Frage auch ein großes Geschenk an die krisengeschüttelten Konzerne RWE und Vattenfall. Auch der Südkurier z.B. sprich davon, dass es nun ein „Teures schwarz-rotes Energie-Paket“ gäbe.
Kritik gibt es vielfältig, wie der Südkurier berichtet: „Greenpeace kritisierte den Verzicht auf die Kohle-Abgabe scharf. „Angela Merkel hat ihr Klimaversprechen von Elmau gebrochen“, sagte Experte Tobias Münchmeyer der dpa. Statt wie beim G7-Gipfel angekündigt den Ausstieg aus der Kohle einzuleiten, lasse die Kanzlerin alle Träume der Kraftwerksbetreiber wahr werden: „Sie müssen weniger CO2 sparen und bekommen dafür auch noch Millionen zugesteckt.“ So sieht es auch die Energie-Expertin der Linken, Eva Bulling-Schröter: „Gabriel muss sein kluges Konzept des Klimabeitrags zu Grabe tragen. Stattdessen vergoldet die Bundesregierung die Stilllegung einer Hand voll Dreckschleudern von RWE, Vattenfall und Mibra.““
Der BUND erklärt: „Damit hat die Bundesregierung faktisch ihr klimapolitisches Scheitern vereinbart. So ist das Klimaziel von 40 Prozent weniger CO2 bis 2020 nicht zu schaffen. Das ist ein fauler Kompromiss zu Lasten des Klimaschutzes, der horrend teuer wird. Der ursprünglich geplante Klimabeitrag hätte die klimapolitisch notwendige CO2-Minderung zu einem Bruchteil dieser Kosten erbracht. Stattdessen sollen Vattenfall und RWE Milliarden dafür einstreichen, dass sie Kohleblöcke stilllegen, die sie sowieso stillgelegt hätten. Wie bei der Auto-Abwrackprämie wird einer innovationsträgen Branche auf Kosten der Allgemeinheit ein Hilfsprogramm spendiert“, kommentiert Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Atomaustieg, die Kosten für Atommüll und Atomtransporte.
Doch nicht nur zur Braunkohle und Klima, der Energiewende und den Netzen, sondern auch zum Atomausstieg und zu den Atomtransporten aus der Wiederaufarbeitung zurück in bundesdeutsche Standort-Atommülllager enthält die Vereinbarung Absprachen, die hier gleich in voller Länge dokumentiert werden. Es ist „erklärtes Zeil“ den „Rückbau sowie die Zwischen- und Endlagerung der radioaktiven Abfälle technisch und finanziell zu gewährleisten. Die finanzielle und in weiten Teilen auch die operative Verantwortung liegt bei den kernkraftwerkebetreibenden Energieversorgungsunternehmen (EVU).“
Interessant aber ist, dass gesetzliche Pflichten für die Kostenübernahme nun so betrachtet werden: „Unser Ziel ist die Gewährleistung der Sicherung der langfristigen Verfügbarkeit der finanziellen Mittel (keine Verkleinerung des Haftungsvermögens). Es ist darüber hinaus zu prüfen, wie die Anforderungen an Stilllegung, Rückbau, Zwischen- und Endlagerung unter Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der EVU langfristig gesichert werden können. Dabei gehen wir von dem Grundsatz aus, dass die Kosten für Stilllegung, Rückbau, Zwischen- und Endlagerung von den Verursachern getragen werden.“ Um nur das zu sagen: Was eigentlich gesetzlich Grundlage ist, erklären die Partei-Vorsitzenden hier zum Grundsatz, der offenbar dann nicht mehr gilt, wenn der „Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der EVU langfristig“ nicht gesichert werden kann.
Unklar ist, ob in der Vereinbarung nun für Bayern ein Veto-Recht eingebaut wurde, was die Lagerung von Atommüll aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente aus dem Ausland angeht. Der jüngst von Umweltministerin Hendricks vorgelegte Konzeptentwurf, in dem für die Rückführung des Atommülls aus Frankreich und England erstmals auch das AKW Isar/Ohu in Bayern genannt wird, wird ausdrücklich nicht erwähnt. Bayern hatte sich heftig gegen dieses Konzept empört. Vielmehr heißt es jetzt in dem Beschluss der Vorsitzenden, dass in dieser Sache „Gespräche mit den Ländern geführt und Vereinbarungen getroffen“ werden sollen. Was das konkret bedeutet, ist im besten Fall unklar, könnte aber bedeuten, dass damit der bayerischen Staatsregierung ein Veto-Recht eingeräumt wird und damit der Hendricks-Plan, der eine Rücknahmepflicht auch in Bayern vorsieht, zumindest fragwürdig geworden ist.
In der Atommüll-Kommission, in der Gabriel am Freitag zu Gast war, konnte er so richtig die Zweifel in dieser Richtung nicht wirklich ausräumen. Es sei selbstverständlich und in jedem Fall sinnvoll, dass man natürlich mit den betroffenen Bundesländern sich bespreche, so Gabriel. Ob das auch ein Veto-Recht beinhalte, sagte er nicht.
Offen bleibt in dieser Sache weiterhin, bis wann es zu konkreten Entscheidungen kommen wird. Die Atomunternehmen prüfen derzeit das Hendricks-Konzept und es sei nicht abschließend klar, ob am Ende auch das raus kommt, was in dem Papier drin steht.
Dokumentation aus „Eckpunkte für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende
Politische Vereinbarungen der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom
1. Juli 2015″
„5. Sicherer Ausstieg aus der Kernenergie
Es ist erklärtes Ziel, in Deutschland die Sicherheit des Restbetriebes der Kernkraftwerke, ihre Stilllegung und ihren Rückbau sowie die Zwischen- und Endlagerung der radioaktiven Abfälle technisch und finanziell zu gewährleisten. Die finanzielle und in weiten Teilen auch die operative Verantwortung liegt bei den kernkraftwerkebetreibenden Energieversorgungsunternehmen (EVU).
In einem Stresstest lassen wir durch einen Wirtschaftsprüfer die Vollständigkeit der zugrunde gelegten Kostenannahmen, die korrekte Bildung der Rückstellungen auf Grundlage der vorhandenen Kostenschätzungen und die den Rückstellungen gegenüberstehenden Aktiv-Vermögen der Unternehmen untersuchen. Ergebnisse erwarten wir bis Ende September 2015.
Unser Ziel ist die Gewährleistung der Sicherung der langfristigen Verfügbarkeit der finanziellen Mittel (keine Verkleinerung des Haftungsvermögens). Es ist darüber hinaus zu prüfen, wie die Anforderungen an Stilllegung, Rückbau, Zwischen- und Endlagerung unter Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der EVU langfristig gesichert werden können. Dabei gehen wir von dem Grundsatz aus, dass die Kosten für Stilllegung, Rückbau, Zwischen- und Endlagerung von den Verursachern getragen werden. Wir werden in Zusammenarbeit mit den Koalitionsfraktionen eine Kommission einsetzen, die unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Stresstests bis Ende November dieses Jahres entsprechende Empfehlungen entwickeln wird.
Betreffend der Zwischenlagerung von Castor-Behältern werden entsprechend dem Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und -chefs der Länder vom 13.6.2013 Gespräche mit den Ländern geführt und Vereinbarungen getroffen.“
Ein Gedanke zu “Atommüll und Partei-Vorsitzende: Grundsätze, Erhalt der Leistungsfähigkeit der EVU und ein Veto-Recht für Bayern?”