Deutsch-belgische Atomkommission: An die Bitte erinnert, die Reaktoren abzuschalten – MPA Stuttgart prüft
Riskante belgische Reaktoren in Tihange und Doel mit deutschem Uranbrennstoff aus Gronau und Lingen. Auf die Bitte des Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel (Fraktion DIE LINKE) berichtete das Bundesumweltministerium in der letzten Woche über das erste Treffen der deutsch-belgischen Nuklearkommission am 7./8. Juni. Dabei habe es eine sehr offene und konstruktive Atmosphäre gegeben, teilt das BMUB mit, man habe an die Bitte erinnert, die Reaktoren abzuschalten und die Materialprüfanstalt der Uni Stuttgart prüft neue Rissbefunde.
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In dem schriftlichen Bericht des BMUB zum ersten Treffen der deutsch-belgischen Kommission heißt es: „An dem zweittägigen Treffen nahmen von deutscher Seite Vertreter des Bundesumweltministeriums sowie der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz teil, seitens Belgien Vertreter der Federaal Agentschap voor Nucleaire Controle (FANC).“
Auf dem Treffen wurden „die Rahmenbedingungen für die künftige formalisierte Zusammenarbeit sowie Verfahren für die gemeinsame Kommunikation festgelegt und damit die Grundlagen für die Zusammenarbeit im Rahmen der Nuklearkommission
geschaffen.“
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Weiter berichtete das BMUB: „Die Kommission erörterte Fragen der nuklearen Sicherheit und insbesondere die Befunde an den AKW Tihange-2 und Doel-3. Die Gespräche verliefen in einer sehr offenen und konstruktiven Atmosphäre. Die deutschen Vertreter nutzten das Treffen, um an die belgischen Experten die Sorgen der deutschen Bevölkerung heranzutragen und erinnerten an die Bitte von Bundesumweltministerin Dr. Hendricks an Minister Jambon, die Reaktoren abzuschalten. Vereinbart wurde ein baldiges weiteres Treffen von Reaktorsicherheitsexperten aus Belgien und Deutschland, um die aus deutscher Sicht noch offenen Sicherheitsfragen zu den Befunden in den Reaktordruckbehältern von Tihange-2 und Doel-3 zu erörtern. Darüber hinaus wurde vereinbart, Anfang kommenden Jahres einen Workshop zu dem Thema Stilllegung gemeinsam durchzuführen.
FANC hat über die jüngsten Untersuchungen am Grundmaterial der Reaktordruckbehälter (RDB) von Doel-3 und Tihange-2 berichtet und die Ergebnisse präsentiert.
Gemäß einer Auflage der FANC müssen beide Reaktordruckbehälter (RDB) seit der Wiederinbetriebnahme der AKW Doel-3 und Tihange-2 regelmäßig mit Ultraschall untersucht werden. Die Prüfverfahren müssen qualifiziert sein, um Wasserstoffflocken aufzufinden. Dementsprechend fand für die Reaktoren Doel-3 und Tihange-2 jeweils Ende 2016 bzw. im Frühjahr 2017 die erste Wiederholung der Ultraschalluntersuchungen aus dem Jahre 2014 statt. Nach der Auflage von FANC müssen die Untersuchungen nach einem Zeitraum von weiteren 3 Jahren wiederholt werden.“
In dem zweiseitigen Bericht ist weiter zu lesen: „Die Ultraschalluntersuchung ist ein Volumenprüfverfahren zur zerstörungsfreien Werkstoffprüfung. Dieses Verfahren dient dazu, Inhomogenitäten im gesamten Querschnitt von schallleitfähigen Prüfwerkstoffen aufzufinden. Das Verfahren beruht auf der Wechselwirkung zwischen einem in den Prüfwerkstoff eingebrachten Ultraschallimpulses und dessen Reflexion, Abschattung, Brechung oder Schwächung beim Auftreffen auf z. B. Grenzflächen von Fehlern unterschiedlicher Art. Diese Beeinflussung kann in dem Ultraschallsignal gemessen werden. Daraus können Rückschlüsse beim Nachweis von Fehlern sowie der Bestimmung deren Lage, Form und Größe gezogen werden. Auffälligkeiten in den Ultraschallsignalen werden, sofern sie oberhalb der Erkennungsgrenze liegen als Anzeige bezeichnet. Vor Einsatz sind alle zerstörungsfreien Prüfverfahren zu qualifizieren. Hierbei muss der Nachweis erbracht werden, dass sie die erwartete Leistung unter Einsatzbedingungen erbringen.
FANC stellte fest, dass im Rahmen der Messungenauigkeit keine Hinweise auf Veränderungen weder in der Anzahl noch in dem Umfang der Befunde festgestellt worden sind. Im Vergleich zu den Untersuchungsergebnissen aus dem Jahr 2014 sei eine Abweichung in den Messergebnissen festzustellen, die Auswirkung auf die Anzahl der bewertungspflichtigen Anzeigen hat. Demnach haben insgesamt 379 (309 für Doel-3 und 70 für Tihange-2) aus dem Jahr 2014 nicht bewertungspflichtige Anzeigen die festgelegten Bewertungskriterien für Wasserstoffflocken im Jahr 2017 erfüllt und seien
somit nun bewertungspflichtig geworden. Diese Streuung lasse sich aus Sicht der FANC eindeutig mit den erwarteten verfahrensbedingten Messabweichungen erklären und sie sei daher nicht als neu entstandene Befunde zu betrachten. Teilergebnisse der Untersuchungen am RDB von Tihange-2 sind in dem Bericht „EXAMEN DE LA CUVE TIHANGE 2 VP-2017 RAPPORT DE SYNTHESE ANALYSE PARTIELLE“ dokumentiert
worden (http://afcn.fgov.be/GED/00000000/4400/4408.pdf). Dieser Bericht ist veröffentlicht und dem BMUB übergeben worden. Das BMUB hat die Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart (MPA) damit beauftragt, den Bericht auf Plausibilität und Nachvollziehbarkeit auszuwerten. Ergebnisse der Auswertung liegen noch nicht vor.“
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