Toter in russischer Uranfabrik – Defekter Behälter aus Deutschland?
In einer russsischen Uranfabrik in Nowouralsk ist ein Rosatom-Mitarbeiter ums Leben gekommen, nachdem das gasförmige Uran-Hexafluorid aus einem undicht gewordenen Behälter freigesetzt worden ist. Das sogenannte UF6 wird benötigt, um Uran zum Brennstoff für Atomkraftwerke oder für Atomwaffen anzureihern. In den letzten Jahren sind immer wieder auch Behälter mit abgereichertem UF6 aus den Uranfabriken der URENCO in Gronau und Almelo (NL) nach Russland transportiert worden. Atomkraftgegner:innen hatten gegen die Ausfuhrerlaubnis deutscher Bundesbehörden scharf protestiert. Daher, so spekuliert die taz in ihrem Bericht, könnte es sein, dass der Unfall durch einen Behälter aus Deutschland oder den Niederlanden ausgelöst worden sein könnte. Über 100 Menschen sollen in der Folge in Krankenhäuser untersucht worden sein. (Foto: ? Bitte Melden! UF6 auf einem LKW Transport.)
- Die Taz berichtet hier über den Vorfall.
- Urankonzern URENCO entsorgt wieder Atommüll in Russland
- Greenpeace: URENCOs Uran-Müll-Exporte nach Russland rechtswidrig?
Dokumentation einer PM zu dem Vorfall und zur Berichterstattung:
- Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen
- Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau
- SOFA (Sofortiger Atomausstieg) Münster
- Bündnis AgiEL – Atomkraftgegner:innen im Emsland
- Elternverein Restrisiko Emsland
- BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg
- Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU)
- IPPNW – Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs / Ärzt*innen in sozialer Verantwortung
- Ecodefense
Gronau/Münster, 17. Juli 2023
Atomunfall in russischer Uranfabrik: ein Toter – stammte defektes Uranfass aus Gronau oder Almelo?
Anti-Atomkraft-Initiativen fordern Aufklärung
– 6. August Mahnwache vor Urananreicherungsanlage Gronau
Anti-Atomkraft-Initiativen aus NRW und Niedersachsen sowie der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), die Ärzteorganisation IPPNW und die unabhängige russische Umweltorganisation Ecodefense befürchten, dass womöglich ein defektes Uranfass aus der westfälischen Urananreicherungsanlage Gronau oder der niederländischen Urananreicherungsanlage Almelo die Ursache für den tödlichen Unfall in der russischen Atomfabrik Novouralsk war. Dort starb in der letzten Woche nach russischen Angaben mindestens ein Arbeiter, weil ein Fass mit Uranhexafluorid undicht geworden war. Über 100 Personen wurden nach der „Explosion“ ins Krankenhaus eingeliefert. Betreiber der Atomanlage in der „geschlossenen Stadt“ in der Nähe von Ekaterinburg am Ural ist der Staatskonzern Rosatom.
Seit Mitte der 1990er-Jahre hat der deutsch-niederländisch-britische Atomkonzern Urenco aus den Uranfabriken in Gronau/Westfalen bzw. Almelo/Niederlande mehrere Zehntausend Tonnen abgereichertes Uranhexafluorid als Abfallstoff nach Russland geschickt, um die wesentlich teurere Entsorgung in Deutschland und den Niederlanden zu umgehen. Ein Hauptziel war dabei der Atomkomplex von Novouralsk. Zuletzt waren 2019/20 nochmal 18 000 Tonnen Uranhexafluorid als Uranmüll von Gronau nach Novouralsk gegangen.
„Es ist sehr traurig, dass ein undicht gewordenes Uranfass aus Gronau oder Almelo die Ursache für den tödlichen Unfall in Novouralsk gewesen sein kann. Die russische Umweltorganisation Ecodefense hat schon mehrfach berichtet, dass der Zustand der Uranfässer in Novouralsk und in den anderen Lagerstätten in Sibirien oftmals sehr schlecht ist. Die ersten Uranfässer aus Gronau lagern ja schon fast 30 Jahre vor Ort unter freiem Himmel. Wir fordern deshalb von Urenco, aber auch von der Atomaufsicht in Düsseldorf und Berlin, eine klare Auskunft darüber, ob eines der Gronauer oder Almeloer Uranfässer hier beteiligt ist. Und welche Lehren sind aus dem Unfall für die Uranfabrik Gronau zu ziehen? Den Betroffenen und den Angehörigen des Verstorbenen sprechen wir unser tiefes Mitgefühl aus,“ erklärte Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.
“Die Explosion mit tödlichem Ausgang sowie die Freisetzung von hochtoxischem und radioaktivem Material in Novouralsk sind die Konsequenzen einer extrem niedrigen Sicherheitskultur in der russischen Atomindustrie. Russische Umweltschützer haben viele Male vor Unfällen in den russischen Urananreicherungsanlagen gewarnt sowie vor der Einfuhr von Uranmüll aus Gronau und Almelo. Aber die russische Regierung hat nicht zugehört. Deshalb sind weitere derartige Unfälle zu befürchten, weil die russische und die europäische Atomindustrie primär an ihren Profit und ihre geostrategischen Interessen denken,“ ergänzte Vladimir Slivyak, Ko-Vorsitzender der russischen Umweltorganisation Ecodefense und Träger des Alternativen Nobelpreises.
Der tragische Unfall bestätigt zugleich die Gefährlichkeit der Urananreicherung und der damit verbundenen Urantransporte. Uranhexafluorid (UF6) ist der Grundstoff für die Urananreicherung. Er bildet schon bei Berührung mit Luftfeuchtigkeit die äußerst toxische Flusssäure. Ein Unfall mit UF6 hat in Gronau 2010 zur Verstrahlung eines Arbeiters geführt. Die Initiativen und Verbände fordern deshalb schon lange einen Transportstopp für UF6. Auch gegen den unverantwortlichen Export nach Russland gab es im Münsterland, in den Niederlanden und auch in Russland immer wieder Proteste. Die letzten Transporte 2019/20 verstießen sogar gegen die damals schon geltenden EU-Sanktionen gegen Russland, da abgereichertes UF6 von Rosatom unter anderem zur Herstellung von panzerbrechender Uranmunition verwendet werden kann.
- August: Mahnwache Urananreicherungsanlage Gronau
Am Sonntag, 6. August, findet um 13.30 Uhr vor der Urananreicherungsanlage Gronau zum 78. Jahrestag der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki eine Mahnwache statt. Zugleich soll daran erinnert werden, dass Urenco die Verantwortung für den eigenen Atommüll in Russland nicht einfach wegdelegieren kann. Diese Exporte nach Russland waren ein klares Zeichen der Verantwortungslosigkeit. Zugleich fordern die Initiativen und Verbände von der Atomaufsicht in Düsseldorf und Berlin endlich klare Schritte zur Stilllegung der Urananreicherungsanlage in Gronau im Rahmen des deutschen Atomausstiegs.
Kontakt:
Matthias Eickhoff, Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen, Tel. 0176-64699023
Dr. Angelika Claußen, IPPNW, Tel. 0172-5882786
Vladimir Slivyak, Ecodefense, Tel. 0178-1792352
Weitere Infos:
www.sofa-ms.de, www.bbu-online.de, www.ippnw.de, www.bi-luechow-dannenberg.de
Verwendete Quellen:
https://taz.de/Wiederaufbereitungsanlage-in-Russland/!5947408/