Aufrüstung ziviler Atomenergie: Teilweise deutscher Brennstoffkonzern erhöht Urananreicherung

Aufrüstung ziviler Atomenergie: Teilweise deutscher Brennstoffkonzern erhöht Urananreicherung

Der zu einem Drittel deutsche Urankonzern URENCO rüstet seine Brennstoffversorgung für Atomkraftwerke auf. Das bestätigt die Bundesregierung auf Nachfragen des Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel (Fraktion DIE LINKE). In der von URENCO betriebenen Anreicherungsanlage in den USA soll statt bisher 5,5 Prozent des spaltbaren Isotops Uran-235 nunmehr künftig eine Anreicherung auf bis zu zehn Prozent erfolgen. Damit sollen herkömmliche und immer ältere Atomreaktoren ausgestattet werden. Damit werden die Sicherheitsmargen weiter belastet. Eine entsprechende Genehmigung hat URENCO in den USA beantragt. (Frage und Antwort sie unten im Wortlaut.)

Eine weitere Erhöhung der Urananreicherung auf knapp unterhalb des atomwaffenfähigen Anreicherungsgrad von 20 Prozent, wie URENCO vor einiger Zeit angekündigt hatte, ist nach Angaben der Bundesregierung „absehbar“ nicht vorgesehen. Der Grund: Die US-Regierung hat die Herstellung des als HALEU bezeichneten Uran-Brennstoffes vorerst an ein US-Unternehmen vergeben. America-First gilt in der Atom(waffen)politik auch unter der Regierung Biden.

Zum Hintergrund: Um angesichts des Kostendrucks durch die erneuerbaren Energien die Abschaltung von Atomkraftwerken zu verhindern, versuchen Atomkonzerne und Regierungen derzeit, die Wirtschaftlichkeit der herkömmlichen Atomreaktoren zu erhöhen. Dazu gehört auch der Brennstoff. Je höher die Anreicherung des spaltbaren Uran-235 in dem Brennstoff, desto mehr Strom könnte erzeugt werden, weil die Abstände zwischen den Brennelemente-Wechseln erhöht werden könnten. Allerdings werden auch die Sicherheitsgrenzen der meist älteren Atommeiler verringert. Der Einsatz erhöhter Anreicherungen hat erhebliche Auswirkungen sowohl für den Betrieb, aber auch für die Zwischen- und Endlagerung der nach dem Reaktoreinsatz anfallenden hochradioaktiven Abfälle. In Russland und den USA, aber auch in anderen Staaten wird intensiv untersucht, mit höheren Uran-Anreicherungen die vorhandenen Atomreaktoren am Netz zu halten.

Der erwähnte neuartige Brennstoff HALEU, bei dem eine Anreicherung auf bis zu 19,75 Uran235 und damit nur knapp unter der als atomwaffenfähig geltenden Schallmauer von 20 Prozent erfolgen soll, ist weltweit für neue Reaktormodelle vorgesehen. Weltweit wird intensiv an mobilen und kleineren Reaktoren geforscht, um dezentrale Atomenergie für Strom und Wärme bereit zu stellen, – entweder für Militär-Basen und Kriegseinsätze oder auch für Rohstoffförderung in abgelegenen Regionen. Noch ist offen, ob die Forschung für solche neuartigen Reaktoren erfolgreich sein wird. Doch um das zu testen, braucht es diese höher angereicherten Uranbrennstoffe.

Auch URENCO will an diesem Geschäft teilhaben und ist selbst an der Entwicklung einer Uran-Batterie beteiligt. Dabei hätte der Konzern, an dem E.on und RWE gemeinsam ein Drittel der Anteile halten und bei dem die Bundesregierung eine Kontrollfunktion gemeinsam mit Großbritannien und den Niederlanden ausübt, in den USA seine Anreicherungsfähigkeiten gern auf fast 20 Prozent erhöht, um das neuartige HALEU herzustellen (siehe hier die URENCO-Meldung vom Februar 2019, unten dokumentiert). Doch die USA haben sich vorerst entschieden, diesen Brennstoff in ausschließlich us-amerikanischen Unternehmen (Centrus-Energy) herzustellen (Link siehe oben).

  • Die deutschen Uranfabrik der URENCO steht in Gronau und ist, wie eine weiterer Uranfabrik in Lingen vom Atomausstieg ausgenommen. Alle Informationen zum Thema Uranfabrik (Lingen, Gronau) auf dieser Seite

Schriftliche Frage an die Bundesregierung im Monat April 2021
Frage Nr. 297

Frage MdB Hubertus Zdebel: Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung beim teilweise deutschen Urananreicherer URENCO der aktuelle Stand bei der vom Unternehmen bereits im Frühjahr 2019 angekündigten Absicht zur Herstellung des sogenannten Kernbrennstoffes „High-assay low-enriched uranium“ (HALEU)“ mit einer Anreicherung von bis zu 19,75 Prozent des spaltbaren Uran235 (wie beispielsweise Genehmigung, Aufstellung oder Einrichtung der Zentrifugen; siehe auch Mündliche Frage 33, Plenarprotokoll 19/151), und wann werden nach Kenntnis der Bundesregierung bei URENCO die ersten Anreicherungen von über fünf Prozent spaltbarem Uran235 für die Herstellung von HALEU in den USA erfolgen?

Antwort Andreas Feicht, Staatssekretär, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Die Urananreicherungsanlage von Urenco in den USA hat eine Genehmigung für die
Anreicherung von Uran mit bis zu 5,5 Prozent des Isotops Uran-235. Für diese Anlage
beantragt das Unternehmen derzeit eine Genehmigung für einen Anreicherungsgrad
von bis zu zehn Prozent. Nach Kenntnis der Bundesregierung ist absehbar keine Herstellung von HALEU vorgesehen.

Dokumentation der PM von URENCO zur HALEU-Herstellung aus dem Februar 2019:

News

Urenco USA Inc. announces next-step HALEU activities

05 February 2019

Urenco USA Inc., a US supplier of uranium enrichment services and nuclear fuel cycle products, today announces its capability in the provision of high assay low enriched uranium (HALEU). HALEU (U235 enriched up to 19.75 per cent) is a subcategory of LEU (U235 enriched up to no more than 20.00 per cent). It will be used for civil, peaceful applications in existing and new power plants as well as for research, test and medical isotopes facilities.

A new program at Urenco covers the production of HALEU. Urenco’s advanced gas centrifuge technology is capable of producing the full range of LEU enrichments, including HALEU.
Several Urenco enrichment facilities are already licensed to produce at enrichments above 5% U235 in line with today’s nuclear industry market requirements. Urenco is now exploring the construction of a dedicated HALEU unit at the UUSA facility. Urenco is progressing the design engineering and related licensing activities to support this project.

Further activity at UUSA is underway to support near-term delivery of slightly greater than 5% U235 enrichments for existing light water reactors interested in higher burn-up rates and/or extended operating cycles.

Thomas Haeberle, Chief Executive of Urenco, said:

“This work falls within the core expertise and technology of Urenco as a leader in the civil nuclear power industry for nearly 50 years, providing enrichment services for customers and meeting 100% of our deliveries.

We have proven enrichment technology which benefits from modular deployment. This was successfully demonstrated when we built the USA’s world scale commercial enrichment plant which can suitably accommodate a HALEU facility.

We are well placed to support operators in industry, medicine and research in order to meet the practical and logistical challenges of producing and transporting HALEU. This represents an exciting next stage in the civil nuclear power industry and we look forward to collaborating with existing and new customers on their requirements and using our expertise to provide a reliable fuel supply for the future demand.”

Dirk Seifert