Dokumente über den Ex-BGR-Präsidenten Dr. Hans-Joachim Martini und die Kriegsführung im Nationalsozialismus

Welche Rolle spielten führende Geologen und spätere Präsidenten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) wie Alfred Bentz, Hans-Joachim Martini und Gerhard Richter-(Bernburg) in der Zeit des Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg? Der Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel legt jetzt in einem ersten Schritt mit Blick auf den ehemaligen Präsidenten der BGR, Hans-Joachim Martini, Original-Dokumente im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Geologe im „Reichsprotektorat Böhmen und Mähren“ und in der 1939 gegründeten „Slowakischen Repulik“ vor. Diese zeigen, dass Martini 1937 in die NSDAP und 1942 in die SS  eingetreten ist und seine Tätigkeit bedeutsam für die Kriegsführung durch Nazi-Deutschland, vor allem auf dem Gebiet der Erlangung kriegsnotwendiger Rohstoffe, war. Einen Schaden nahm Martini im Nachkriegsdeutschland dadurch nicht. Von 1962 – 1969 war er Präsident der BGR. Noch heute ist er Namensgeber für eine Stiftung, die aufgrund von Medienberichten im Verdacht steht, dass Gutachten der BGR möglicherweise über die Hans-Joachim-Martini-Stiftung durch Gelder aus der Wirtschaft beeinflusst worden sind.

Siehe auch:

Dokument 1: Über Hans Martini und die Anregung durch den Reichwirtschaftsminister Keppler zur Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes Klasse 1
Das Dokument stammt aus dem Nationalarchiv in Prag. Hier als PDF

„Auf sämtlichen Gebieten hat Dr. Martini durch überdurchschnittliche Umsicht und Tatkraft zu Gunsten der Wehrwirtschaft und damit der Kriegsführung erhebliche Erfolge erzielt, sodass die Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes 1. Klasse gerechtfertigt erscheint.“ Das wird Hans-Joachim Martini im Sommer 1944 bescheinigt, nach dem der Präsident des Reichsamts für Bodenforschung, Staatssekretär W. Keppler in einem von seinem Stellvertreter Dr. Brockamp gezeichneten Brief vom 26. Juni 1944 die Anregung ausgesprochen hatte, „Herrn Dr. Martini für die Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes 1. Klasse vorzuschlagen“.  In dem Brief werden Martini „auf dem gesamten Gebiet der Bodenforschung  erhebliche Leistungen“ bescheinigt, die „der Wehrwirtschaft auf ihren vielseitigen Gebieten sehr zu Gute gekommen sind.“

Weiter heißt es in der Beurteilung über das Wirken von Dr. Martini in diesem Dokument:

„Dr. Martini ist Leiter des Referats Bodenforschung. In dieser Eigenschaft leitet er alle Arbeiten zur Erschliessung nutzbarer Lagerstätten im Protektorat (Böhmen). Durch Vereinbarung zwischen dem Deutschen Staatsministerium und dem Reichsamt für Bodenforschung sind ihm die gleichen Arbeiten für die Erz- und Minerallagerstätten der Slowakei übertragen worden. Darüber hinaus ist Dr. Martini bei allen Aufgaben im Rahmen des Programms zur bombensicheren Verlagerung kriegswichtiger Industrien, allen grundsätzlichen Arbeiten im Rahmen des Mineralölprogramms und des Manganprogramms, sowie bei dem Programm zur Aufrechterhaltung und Wiederingangsetzung von Mineralölverarbeitungsbetrieben massgeblich beteiligt. Ferner leitet er den Arbeitsausschuss für unterirdische Verlagerung des Luftwaffenausschusses und gehört ausserdem dem Arbeitsstäben des Moldauausschusses, des Beraunausschusses und der Sachverständnigenkommission für dne Bau und Betrieb des Oder – Donau – Kanals an.

Auf sämtlichen Gebieten hat Dr. Martini durch überdurchschnittliche Umsicht und Tatkraft zu Gunsten der Wehrwirtschaft und damit der Kriegsführung erhebliche Erfolge erzielt, sodass die Verleihung des Kriegsverdienstkrezes 1. Klasse gerechtfertigt erscheint.

Dokument 2: Über Dr. Hans-Joachim Martini in einem „politischen Gutachten“
Das Dokument stammt aus dem Nationalarchiv in Prag. Hier als PDF

Dr. Hans-Joachim Martini war Mitglied der NSDAP (Nr. 4669292 seit 1. Mai 1937) und seit 1942 Mitglied /Nr. 456753) der SS als Untersturmführer. Die Kreisleitung der NSDAP in Prag betont im Herbst 1944:

Herrr „Dr. Martini hat sich schon in seiner Jugend am völkischen Leben aktiv beteiligt. Er ist in politischer wie auch charakterlicher Hinsicht als einwandfrei anzusehen.“  Zum „politischen Verhalten“ in der Zeit vor 1938 heißt es in der Bewertung zu seiner Ernennung zum Regierungsgeologien: „1924 – 1929 Mitglied des jungdeutschen Ordens“. Sein „Verhalten zum Nationalsozialismus“ wäre „positiv“ und sein „Verhalten gegenüber Juden“ wird als „ablehnend“ beschrieben. (Quelle: (politisches Gutachten))

Dokument 3: Unterlagen über Dr. Martini bezüglich seiner Bewerbung um Aufnahme in die SS, darunter auch ein von Martini handschriftlich verfasster Lebenslauf. Unterlagen des Rasse- und Siedlungshauptamts (RuSHA) waren zwingend erforderlich, um Mitglied der SS zu werden. Das Dokument stammt aus dem Bundesarchiv. Hier als PDF

Beschönigender Nachruf

Im Oktober 1969 kam Dr. Hans Martini bei einem Autounfall ums Leben. Im folgenden wird aus einem Nachruf von Georg Richard Schultze zitiert, der hier online ist (PDF). In diesem Nachruf wird deutlich, wie sehr das Wirken von Martini und sein Anteil an der Kriegsführung von Nazi-Deutschland verharmlost bzw. verdrängt wird.

„Die weltweite Atmosphäre eines solchen Elternhauses mit gutbürgerlicher Tradition und die Umwelt des Heimatstädtchens an den sonnigen Hängen des Westharzes haben Martinis Charakter und Lebensweg unverkennbar geprägt: Frohe Lebensbejahung, gewinnende Konzilianz, klare Urteile und konsequente Entscheidungen kennzeichneten sein Wesen.“

„So wird Herr Martini in unserer Erinnerung weiterleben als das Vorbild eines liebenswerten Kollegen und geachteten Fachmannes, der eine unkomplizierte, edle Denkungsart mit erstaunlicher Schaffenskraft und wachem Gemeinschaftssinn in sich vereinigte.“

In dieser verblümten Sprache widmet sich Schultze auch der Zeit im Nationalsozialismus: 1940 wird dem  „zum Bezirksgeologen ernannten Herrn Martini wird die Leitung der Arbeitsstelle Prag des Reichsamtes für Bodenforschung und damit das Referat Bodenforschung beim Reichsprotektor in Böhmen und Mähren übertragen. Das entscheidende Wort bei der überaus geschickten Auswahl hat damals sicher Herr A. Bentz gesprochen, dessen glückliche Hand wir in den Abhandlungen der B. W. G. Bd. XVII (1965) auf S. 241ff. mehrfach hervorheben konnten. Jedenfalls ist es eine Bewährungsprobe großen Ausmaßes gewesen, daß es Herrn Martini gelungen ist, mit einem wissenschaftlich und praktisch eminent wichtigen Auftrag in einer politisch so fehlgeleiteten Umgebung die Anerkennung, das Vertrauen und sogar die Freundschaft seiner tschechischen Kollegen in einer dem „Großdeutschen Reiche“ feindlichen Atmosphäre zu erwerben. In den düsteren Tagen des Zusammenbruchs, wo niemand wissen konnte, wie es weitergehen würde, gibt es – zum Glück für ihn – ein Ziel: das heimatliche Bockenem, wo er Frau und Familie weiß.“

Dse4Zdebel

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