Zivil-Militärisch: URENCO-Uran und US-Atomwaffen – Tritium-Hilfe beschäftigt auch niederländisches Parlament

Darf das dreistaatliche Uranunternehmen URENCO Brennstoff an Atomreaktoren liefern, in denen Tritium für die Atomsprengköpfe der USA erzeugt wird, und womit die Trennung zwischen ziviler und militärischer Atomenergienutzung durchbrochen wird? Das Unternehmen selbst und auch das Kontrollgremium, in dem neben den Niederlande und Großbritannien auch die Bundesregierung mit Veto-Recht vertreten ist, sehen laut einem Tagesschau-Bericht mit Bezug auf eine Veröffentlichung des US-Energieministeriums keine Probleme. Für den Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel (Fraktion DIE LINKE) ist das unhaltbar, auf Nachfragen aber hüllt sich die Bundesregierung bislang mit dem hinaus auf „streng vertraulich“ in Schweigen. Während die Recherchen von Zdebel weiter gehen, beschäftigt der Vorgang jetzt aber auch das niederländische Parlament.

Nach einem Bericht der niederländischen LAKA war die Tritium-URENCO-Atomwaffen-Frage Thema in der „Tweede Kamer“ des niederländischen Parlaments. (Entgegen der Angabe bei LAKA fand die Sitzung nicht am Mittwoch, sondern am Dienstag, den 16. Mai statt, siehe hier). Dort fragte die Abgeordnete Liesbeth van Tongeren (GL) die Infrastruktur- und Umweltministerin Schultz, was denn an den Recherchen der Tagesschau dran wäre und ob es zutrifft, dass URENCO Uran liefern dürfte, auch wenn in dem betreffenden Reaktor Tritium für US-Atomwaffen erzeugt würde.

Die Ministerin reagierte auf die Frage mit dem Hinweis, dass sie dazu keine aktuellen Informationen habe und davon ausgehe, dass die Internationale Atomenergieagentur (IAEO) eine entsprechende Information geliefert hätte. Davon aber habe sie keine Kenntnis. LAKA berichtet weiter: „Van Tongeren hält den von ihr zu diesem Sachverhalt gestellten Antrag solange aufrecht, bis die Ministerin erneut -über das Wirtschaftsministerium- bei der IAEA entsprechend nachgefragt hat.“ Es bleibt also abzuwarten, was hier noch zutage kommt. (Unten folgt gleich die komplette Übersetzung des gesamten Berichts der niederländischen LAKA-Stiftung)

Auf Nachfragen von der Tagesschau und von Hubertus Zdebel hüllt sich die deutsche Bundesregierung in Schweigen. Mit dem Hinweis auf „streng vertraulich“ weigert sie sich sogar, den US-Bericht zu bestätigen, in dem mitgeteilt wird, dass ein URENCO-Rechtsgutachten zum Ergebnis gekommen ist, dass die Belieferung eines US-Reaktors, der im US-Atomwaffenprogramm eine zentrale Rolle spielt, zulässig wäre und dass auch das URENCO-Kontrollgremium dem nicht widersprochen habe, also die Bundesregierung nicht widersprochen hat.

Auf eine weitere Schriftliche Frage von Zdebel teilte das Bundeswirtschaftsministerium am 29. Mai mit: „Die Firma URENCO hat bisher kein von ihr angereichertes Uran für den US-Betreiber Tennessee Valley Authority (TVA) geliefert.“ (siehe gleich unten die Frage und Antwort als Dokumentation.)

„Bisher“ – sagt die Bundesregierung.

Zum Thema die folgenden Texte von Hubertus Zdebel und der Tagesschau-Bericht in englischer Sprache:

Dokumentation:

  • Schriftliche Frage von Hubertus Zdebel und Antwort Bundesregierung

Schriftliche Frage Nr. 156 des MdB Hubertus Zdebel an die Bundesregierung:
„In welchen Atomkraftwerken des US-amerikanischen Betreibers Tennessee Valley Authority (TVA, bitte die einzelnen Anlagen und die jeweiligen Blöcke angeben) wird nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in den Kontrollgremien der URENCO nach den Verträgen von Almelo und Washington oder aufgrund anderer Informationen seit 2006 von URENCO angereichertes Uran eingesetzt, und von welchen Unternehmen wurde aus dem von URENCO gelieferten Uran die Brennelemente für den Einsatz in den TVA-Reaktoren hergestellt?“

Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums vom 29. Mai:
„Die Firma URENCO hat bisher kein von ihr angereichertes Uran für den US-Betreiber
Tennessee Valley Authority (TVA) geliefert.“

LAKA – Dokumentations- und Forschungszentrum Kernenergie

Urenco, US-Kernwaffen und die Vereinbarung von Washington

  1. Mai 2017

Infrastruktur- und Umweltministerin Schultz hat nicht die Absicht, im Zusammenhang mit einem Beitrag in der deutschen Tagesschau die Beteiligung von Urenco am amerikanischen Kernwaffenprogramm zum Gegenstand einer Untersuchung zu machen. Das verlautete am Mittwoch in einer Parlamentsdebatte zur nuklearen Sicherheit. Das Kabinett habe dazu von der Internationalen Atomenergiebehörde nichts vernommen, sodass, so die Begründung der Regierung Kabinetts, an der Sache auch nichts dran sei. Mit dem von Urenco gelieferten Uran wird in amerikanischen Kernkraftwerken jedoch Tritium hergestellt. Dieses Tritium wird in amerikanischen Kernwaffen benutzt. Natürlich stellt sich die Frage, ob die niederländisch/deutsch/britische Urenco an der Produktion von Rohstoffen für Kernwaffen überhaupt mitwirken darf.

Im Verlauf der Parlamentsdebatte zur nuklearen Sicherheit stellte die Abgeordnete Liesbeth van Tongeren (GL) am vergangenen Mittwoch (Anmerkung: Die Sitzung war am Dienstag, s.o.) eine Frage zu der vom LAKA öffentlich gemachten Verbindung zwischen dem von Urenco gelieferten angereicherten Uran und der Tritiumproduktion für das amerikanische Kernwaffenprogramm. Van Tongeren forderte eine Untersuchung der Fakten. Ministerin Schultz (Infrastruktur und Umwelt) weigerte sich, darauf einzugehen:  sie habe nicht die Absicht, nach jeder ‚Fernseh-Show‘ ein Untersuchungsprogramm zu starten. Außerdem habe die Ministerin nichts von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA vernommen, die ihrer Ansicht nach dafür nunmehr zuständig sei. Nach Ansicht der Ministerin kein Anlass für eine Untersuchung. Van Tongeren hält den von ihr zu diesem Sachverhalt gestellten Antrag solange aufrecht, bis die Ministerin erneut -über das Wirtschaftsministerium- bei der IAEA entsprechend nachgefragt hat.

Dabei handelte es sich bei der Sendung nicht einfach nur um eine “Fernseh-Show”. Die Tagesschau ist die wichtigste deutsche Fernseh-Nachrichtensendung. Zur Erinnerung: auch der Diebstahl von Blaupausen von Ultrazentrifugen bei Urenco in Almelo in  den Neunzehnhundertsiebzigerjahren wurde durch eine deutsche Fernsehreportage im (März 1979) und nicht durch die IAEA bekannt.

In einem Bericht aus dem Jahre 2014 des amerikanischen Rechnungshofes GAO ‘Interagency Review Needed to Update U.S. Position on Enriched Uranium That Can Be Used for Tritium Production’, wurde behauptet, dass der Gemeinsame Ausschuss von Urenco der Lieferung von angereichertem Uran zugestimmt habe, obwohl die mögliche Herstellung von Tritium in diesen Reaktoren bekannt war: nach Angaben von Urenco ist Tritium ein Nebenprodukt und stellt folglich keine Verletzung der Washingtoner Vereinbarung dar.

Artikel III. Friedliche Nutzung
Im Rahmen dieser Vereinbarung in die Vereinigten Staaten weitergegebene Zentrifugentechnologie, -ausrüstung und -bauteile, die Anlage, das Kernmaterial in der Anlage, das durch den Einsatz dieser Technologie erzeugte besondere Kernmaterial, das durch die Nutzung solchen besonderen Kernmaterials erzeugte besondere Kernmaterial sowie in der Anlage entstandene und als geschützt bezeichnete Daten, solange sie unter die Hoheitsgewalt der Regierung der Vereinigten Staaten oder der drei Regierungen fallen, dürfen nur für friedliche, nichtexplosive Zwecke benutzt werden.

Die Vereinbarung spricht ausschließlich von “besonderem Kernmaterial”, das als Plutonium und hoch angereichertes Uran spezifiziert wird. Die Begründung (Memorie van Toelichting) zur Ratifizierung der Vereinbarung (Parlamentsdrucksache Nr. 22991 13, Tweede Kamer 1992-1993) ist eindeutiger. Darin heißt es zu Artikel III: “Dieser Artikel schreibt die Verpflichtung zur ausschließlich friedlichen Nutzung der gesamten unter die Vereinbarung fallenden Technologie, Ausrüstung und Materialien fest.” Darunter fällt natürlich auch angereichertes Uran, mit dem Tritium produziert wird, das in Kernwaffen Verwendung findet.

USA: Tritiumproduktion ist militärisch
Die USA sind selbst auch dieser Ansicht. Auffallend ist nämlich, dass die gesamte amerikanische Strategie für die Produktion von Tritium von ‚nicht zweckgebundenem LEU‘ ausgeht. Das soll heißen, dass das für die Tritium-Produktion eingesetzte Uran nicht in den Geltungsbereich von Vereinbarungen fallen kann, die dessen Verwendung auf eine friedliche Nutzung beschränken. Das ist bereits seit Jahrzehnten die Politik der amerikanischen Regierung, gerade um auf diese Weise die friedliche von der militärischen Nutzung so eindeutig wie möglich zu trennen. Da liegt für die USA das Problem. Da Amerika keine eigene Kapazität zur Urananreicherung mehr hat, ist es auf den geregelten Markt für schwach angereichertes Uran (LEU) angewiesen. Ein außerhalb der USA auf dem Markt bezogenes LEU -oder auch in der in den USA befindlichen Urenco-Fabrik angereichertes LEU- unterliegt stets Vereinbarungen mit darin festgeschriebenen ‚obligations‘, wie in der Washingtoner Vereinbarung. Für die amerikanische Regierung war die in zivilen Kernkraftwerken betriebene Produktion von Tritium für Kernwaffen stets militärisch. Und für Urenco soll das nicht gelten?

Urenco, das heißt die Niederlande, Deutschland und das Vereinigte Königreich müssen folglich die Lieferung von Rohstoffen oder Techniken zur Urananreicherung an die USA stoppen, mit denen Tritium für Kernwaffen hergestellt werden kann.

http://www.laka.org/nieuws/2017/urenco-vs-kernwapens-en-het-verdrag-van-washington-7032

Kasten:

Zweckgebundenes und nicht zweckgebundenes Uran

Die Vereinigten Staaten müssen generell atomares Material ausweisen, das sie im Rahmen von atomaren Kooperationsvereinbarungen mit ausländischen Partnern erwerben. Die Vereinbarungen werden allgemein unter bestimmten Auflagen geschlossen, z.B. der Bedingung, dass das Material für friedliche Zwecke zu nutzen ist. Material, für das solche Auflagen gelten, wird als „zweckgebunden“ („obligated“) bezeichnet. (…) Material, für das nach den Bestimmungen der Vereinbarung keine Auflagen gelten, wird als „nicht zweckgebunden“ („unobligated“) bezeichnet.” Manche Formen von Uran, z.B. schwach angereichertes Uran (LEU), werden zur Aufrechterhaltung der Atomwaffenbestände in den US-Beständen genutzt, aber der Bestand an nicht zweckgebundenem schwach angereichertem Uran geht in den USA zurück. (GAO 2016, Bericht S. 2)

Dse4Zdebel

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