Hochradioaktive Verstrickungen in Schleswig-Holstein: Nichts geht mehr! Das Desaster nach dem Brunsbüttel-Urteil
Schleswig-Holstein und der Rest der Republik erleben den Super-Gau der Atommülllagerung. Nichts geht mehr. Das OVG Schleswig hat dem Castor-Zwischenlager am Vattenfall-AKW Brunsbüttel die Genehmigung entzogen, weil diverse Sicherheitsnachweise mangelhaft oder gar falsch erbracht worden sind. Die Folgen sind viel erheblicher, als die Behörden es derzeit einräumen wollen. In Brunsbüttel dürfen nach einer atomrechtlichen Anordnung durch das Land Schleswig-Holstein keine neuen Castor-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll mehr neu in das Lager eingestellt werden. Vattenfall muss eine neue Genehmigung beim Bundesamt für Strahlenschutz beantragen. Das kann Jahre dauern. Folgen könnte das auch für den Rückbau des AKW Brunsbüttel haben. Die hochradioaktiven Brennelemente sollten aus Sicherheitsgründen so schnell wie möglich aus dem Reaktor entfernt werden. Aber wohin? Was nun?
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Eines in jedem Fall übersehen die Medien ebenso wie der zuständige Minister: Schon seit der Stilllegung durch das Atomgesetz gibt es ein Problem: Es gibt bislang immer noch nicht genügend Castor-Behälter, in die der hochradioaktive Atommüll verpackt werden kann. Nicht nur, weil die Stilllegung für die Betreiber nach Fukushima und Laufzeitverlängerung überraschend kam. Die Genehmigung bzw. Zulassung für neue Behältertypen hatte sich wegen zahlreicher Probleme immer weiter verzögert. Erst vor wenigen Wochen ist diese erteilt worden. Aber schon seit dem Sommer 2011 ist Brunsbüttel nach Atomgesetz abgeschaltet.
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Eben aus diesem Grund sind im Castor-Lager von Brunsbüttel bislang auch nur neun Behälter abgestellt. Der gesamte Rest der hochradioaktiven Brennelemente lagert daher immer noch im Reaktor bzw. im so genannten Nasslager. Das erfordert eine aktive Kühlung und birgt daher trotzdem noch das Risiko von Störfällen. Eine gute Lage ist das nicht, aber es kann auch nicht sein, dass rechtsstaatliche Rahmenbedingungen einfach über Bord geworfen werden.
Aber: Bis heute liegt eine Genehmigung für den Abbau des AKW Brunbüttel gar nicht vor. Der Abriss könnte im Moment also ohnehin gar nicht beginnen. Nur vergleichsweise kleinere Abbaumaßnahmen dürfen ohne eine solche atomrechtliche Genehmigung vorgenommen werden. Und bis es zu einer Genehmigung kommt, könnte möglicherweise auch noch etwas dauern. Denn das Brunsbüttel-Urteil des OVG Schleswig dürfte auch z.B. für das geplante neue Zwischenlager für leicht- und mittelradioaktive (Abriss-)Abfälle Folgen haben. Die im Urteil festgestellten Mängel müssen nämlich wohl auch für dieses Lager angewandt werden. Das dürfte aber zu erheblichen neuen Sicherheitsbetrachtungen führen, die zum Bestandteil der Genehmigungsunterlagen gehören. Und diese Berechnungen erfordern Zeit. In der ehemaligen Atomforschungsanlage GKSS, heute HZG, haben diese neuen Anforderungen jedenfalls neue Bewertungen durch den Betreiber ausgelöst und das Genehmigungsverfahren deutlich verzögert.
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Die Auslegung der Antragsunterlagen für das AKW Brunsbüttel hat gerade begonnen und wird zwei Monate dauern. Danach müssen die Ergebnisse der Einwendungen bearbeitet werden, ein Erörterungstermin wird dann folgen und erst nachdem der ausgewertet ist, kann eine Genehmigung folgen.
Eine direkte Verknüpfung zwischen dem noch nicht genehmigten Abriss und der sinnvollen Auslagerung der hochradioaktiven Brennelemente aus dem Reaktor, gibt es aber ohnehin nicht. Z.B. in Obrigheim hatte eine inzwischen grün-rote Landesregierung keine Probleme, den Abriss zu genehmigen, bevor die Brennelemente aus dem Reaktor entfernt wurden. Das ist sicherheitstechnisch eigentlich nicht vertretbar. Aber, so die Logik: In Obrigheim gibt es überhaupt kein Castor-Lager. Derzeit laufen Planungen der Betreiber EnBW und des grün geführten Ministeriums in Baden-Württemberg, die Brennelemente aus Obrigheim per Castortransporten in das benachbarte AKW Neckarwestheim zu schaffen.
Auch der schleswig-holsteinische Minister Habeck würde nun gern, dass die Brennelemente aus dem AKW Brunsbüttel in das keine 20 km entfernte AKW Brokdorf gebracht werden. Doch anders als in Baden-Württemberg haben in Brunsbüttel und Brokdorf unterschiedliche Betreiber das Sagen: Das AKW Brunsbüttel gehört zu 66 Prozent Vattenfall und nur zu einem Drittel E.on. Brokdorf wiederum gehört zu 80 Prozent E.on und nur zu 20 Prozent Vattenfall. Vattenfall und E.on müssten sich also verständigen – auch über die Kosten.
Doch das dürfte das geringste Problem sein. Denn um die Brennelemente aus Brunsbüttel in Brokdorf einlagern zu können, braucht es – Überraschung – eine atomrechtliche Genehmigung durch das Bundesamt für Strahlenschutz. Denn für alle Castor-Zwischenlager an den AKW-Standorten gilt: Dort darf nur gelagert werden, was an hochradioaktivem Atommüll auch am Standort erzeugt worden ist. Und, ein Problem, das auch noch kommen wird: Ca. Mitte der 2040er läuft die Genehmigung für diese Castor-Zwischenlager aus, ohne dass es zu diesem Zeitpunkt ein “Endlager” geben wird.
Eine neue Genehmigung für die Einlagerung von Atommüll aus Brunsbüttel in das Lager in Brokdorf heißt aber auch: Die im OVG-Brunsbüttel-Urteil festgestellten Mängel müssten auch in dem baugleichen Lager in Brokdorf beseitigt werden. Und: In jedem Fall wäre dies eine “wesentliche Änderung” nach Atomgesetz. Die Folge: Das Genehmigungsverfahren würde mit einer Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden müssen. Und das wiederum führt mit hoher Sicherheit zu Klagen.
Am Ende könnte angesichts des Urteils des OVG Schleswig stehen: Statt einer neuen Einlagerungsgenehmigung für den Atommüll von Brunsbüttel in Brokdorf, geht möglicherweise auch die Genehmigung für das Castor-Lager in Brokdorf flöten.
Verantwortlich dafür ist der Anti-Terror-Schutz bzw. genauer: Der Geheimschutz, mit dem die Behörden zusätzliche Schutzmaßnahmen realisieren, die aus Sicherheitsgründen der Öffentlichkeit und selbst den Gerichten nicht bekannt gegeben werden. Damit aber werden Grundrechte außer Kraft gesetzt, Sicherheitsmaßstäbe können nicht mehr überprüft werden. Es ist keine Übertreibung, wenn man feststellt: Das Urteil des OVG Schleswig ist ein Meilenstein für die Rechtsstaatlichkeit und macht klar, dass die Risiken der Atomenergie inkl. der Terrorgefahren nicht mit demokratischen Staaten in Einklang zu bringen sind.
Nur am Rande sei dann noch erwähnt: Dass Robert Habeck ausgerechnet das AKW Brunsbüttel bzw. das dortige Castor-Lager für die Aufnahme des Atommülls aus der Auslands-Wiederaufarbeitung in Sellafield ins Spiel brachte, ist kaum nachzuvollziehen. Es war stark zu erwarten, dass das OVG Schleswig mindestens erhebliche Bedenken gegen die Genehmigung des Brunsbüttel-Lagers formulieren würde. Als Habeck Brunsbüttel für die Sellafield-Castoren und das Standortauswahlgesetz im Frühjahr 2013 ins Spiel brachte, war klar, dass ein Urteil des OVG Schleswig nicht mehr weit weg war.
In Deutschland gab es zu dem Zeitpunkt nur noch zwei dieser Standort-Zwischenlager, die nicht rechtskräftig genehmigt waren. Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und Esenshamm/Unterweser in Niedersachsen. Warum Habeck sich für Brunsbüttel trotz dieser Situation entschied? Ein zentrales Argument war der kurze Weg vom Brunsbütteler Hafen zum AKW!
Der BUND bringt es in seiner oben genannten Stellungnahme auf den Punkt: “Wenn es nicht gelingen sollte, die Sicherheitsüberprüfung offen und für die Öffentlichkeit und Gerichte überprüfbar zu gestalten, dann ist das das Eingeständnis, dass die Atomenergie und der Rechtsstaat nicht vereinbar sind.” Dann bleibt nur: Alle Atommeiler abschalten, sofort!
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