Atommüll-Lagerung: Genehmigungen im Schnellverfahren – Behörden wollen Öffentlichkeit ausschließen
Das Bundesumweltministerium will bei den anstehenden Genehmigungsverfahren für die Einlagerung von Castor-Behältern mit Atommüll aus der Wiederaufarbeitung die Öffentlichkeit nicht beteiligen. Das wurde von der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und dem Chef der Atomabteilung Wolfgang Cloosters in der Sitzung der Atommüll-Kommission am Freitag (18.12.) in Berlin mitgeteilt. Insgesamt 26 Castor-Behälter mit verglastem Atommüll aus Sellafield und La Hague sollen auf die Standort-Zwischenlager in Brokdorf, Biblis, Philippsburg und Isar/Ohu verteilt werden. Dazu müssen neue Genehmigungen von den Betreibern beim Bundesamt für Strahlenschutz beantragt werden. Das soll nun offenbar im Schnellverfahren erfolgen. Schon Ende 2016 sollen die Genehmigungen erteilt werden.
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Atomrechtlich wäre eine Beteiligung der Öffentlichkeit vorgeschrieben oder im Ermessen, wenn eine geplante und genehmigungsrechtlich relevante Maßnahme als „wesentliche Änderung“ anzusehen ist. Das Bundesumweltministerium hält diesen Fall im Zusammenhang mit den anstehenden Genehmigungsverfahren mit den Rücktransporten von Atommüll aus der Wiederaufarbeitung nicht für gegeben.
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Cloosters betonte, dass sich die Gesamtaktiviät im jeweiligen Zwischenlager gegenüber dem bisherigen Genehmigungsstand durch den Atomausstieg und der damit verbundenen geringeren Atommüllproduktion ohnehin reduzieren würde, auch wenn jeweils bis zu sieben Castorbehälter aus der Wiederaufarbeitung im Ausland hinzu kommen würden. Damit würden die wesentlichen Rahmenbedingungen der bisherigen Genehmigungen aus Sicht des BMUB nicht berührt und daher gäbe es keine wesentlichen Veränderungen.
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Diese Auffassung findet nicht nur beim BUND wenig Verständnis. Auch Bruno Thomauske machte mit einer Nachfrage in der Kommissions-Sitzung deutlich, dass er die Darstellung des Ministeriums nicht teilt. Die bisherigen Genehmigungen, an denen Thomauske seinerzeit als Mitarbeiter im Bundesamt für Strahlenschutz in führender Rolle beteiligt war, seien vollständig auf die vor Ort erzeugten hochradioaktiven Brennelemente und deren Zwischenlagerung ausgelegt.
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Aus der Wiederaufarbeitung aber kämen nun in Glas eingeschmolzene radioaktive Abfälle anderer Art hinzu. Außerdem wären die Behälter, in denen dieser Atommüll verpackt ist und längerfristig gelagert werden soll, von anderer Bauart als die bislang genehmigten. Z.B. haben die für den WAA-Atommüll ein anderes Deckelsystem (Verschluss).
Klar ist, dass das Bundesumweltministerium die Öffentlichkeitsbeteiligung nicht nur deshalb verhindern will, weil es schneller geht oder weil der Sachverhalt es nicht erfordert. Ganz bedeutsam dürfte das Brunsbüttel-Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig sein, mit dem die Genehmigung für das dortige Castor-Zwischenlager aufgehoben wurde. Wichtig dabei war: Die Behörden mochten dem Gericht Gutachten und Maßnahmen nicht zur Prüfung vorlegen, weil sie diese im Zusammenhang mit dem Anti-Terror-Schutz als geheim eingestuft hatten. So konnte das Gericht wichtige Sicherheitsfragen nicht ausreichend überprüfen und hätte die Behauptungen der Behörden lediglich glauben können – oder nicht. Das Gericht entschied sich für die Variante: Der Nachweis zahlreicher Sicherheitsaspekte konnte nicht erbracht werden oder war aus Sicht des Gerichts sogar falsch. Daher wurde die Genehmigung des Castor-Lagers in Brunsbüttel aufgehoben.
Damit ist nun die zentrale Frage: Wie können Genehmigungen erteilt werden, wenn den Gerichten aus Geheimschutzgründen wichtige Prüfungen unmöglich gemacht werden. Entscheidend für das Brunsbüttel-Verfahren: Das Urteil konnte nur erstritten werden, weil das Genehmigungs-Verfahren mit einer Öffentlichkeitsbeteiligung stattfand und daher die Einwender die Möglichkeit hatten, die Genehmigung gerichtlich prüfen zu lassen. So ist das Brunsbüttel-Urteil des OVG Schleswig für das Bundesumweltministerium also im Grunde ein Motiv, unter allen Umständen ein Genehemigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu vermeiden.
Während der Kommissions-Sitzung wurde vom BMUB auch mitgeteilt, dass Gespräche mit dem Justizministerium laufen, in dieser Frage zu neuen Lösungen zu kommen. Aber diese Gespräche laufen noch.
Eine atomrechtliche Genehmigung kann auch gerichtlich überprüft werden, wenn sie aufgrund eines Genehmigungsverfahrens ohne Öffentlichkeitsbeteiligung erteilt wird.
Allerdings werden die ausgelegten Unterlagen und Einwendungen dann nicht in einem Erörterungstermin mit dem Antragsteller und der Genehmigungsbehörde erörtert. Das spart Zeit.
Zu erwarten ist, dass die Genehmigung mit der Anordnung des Sofortvollzugs ausgestattet wird, so dass zusätzlich zur Klage im Hauptsacheverfahren eine weitere Klage gegen den Sofortvollzug ratsam ist.
Die Argumentation von Dr. Cloosters, Leiter des Rechtsreferats der Bundesumweltministerin, greift zu kurz; denn es handelt sich bei der Rücknahme des bei der Wiederaufarbeitung angefallenen Atommülls nicht um die Einlagerung von Castoren mit abgebrannten Brennelementen (allein für die ist das Zwischenlager Brokdorf genehmigt), sondern um Castoren die mit HAW-Glaskokillen befüllt sind. Die Frage, ob die genehmigte Nuklidmenge unterschritten wird, ist deshalb zweitrangig.
Die Rechtsauffassung (ob „Schweine oder Rinder“ in einem Stall stehen, sei unerheblich, wenn es nur eine vergleichbare Anzahl von Tieren ist) dürfte von erheblicher Bedeutung sein, so dass eine Genehmigung, die auf dieser Rechtsauffassung basiert, sicherlich angegriffen wird.