Atommüll-Kommission am Ende: Nein von BUND und LINKEN – Sonderrolle Bayern – und andere Reaktionen
Die Arbeit der „Endlager“-Kommission ist am Ende. In einer Marathon-Sitzung ist gestern in der Nacht zum Dienstag der Abschlussbericht fertig gestellt worden. Am Ende sagte der BUND als einziger beteiligter Umwelt- bzw. Anti-Atom-Verband Nein zur Endfassung. „Die Kommission hat ihre eigenen Ansprüche nicht wirklich erfüllt, deshalb müssen wir den Abschlussbericht ablehnen“, sagte Klaus Brunsmeier, der für den BUND in der Kommission verhandelt hatte, in einer Presseerklärung. Auch die LINKE erklärte ihre Ablehnung zum Bericht und kündigte ein Sondervotum an. Sondervoten kündigten auch Sachsen, Bayern und der Vertreter von E.on an. Und in Bayern droht man schon mit Wackersdorf! (*)
- Die Presseerklärung des BUND ist unten dokumentiert und hier online. Außerdem berichtet der Bundestag hier über den Bericht. Ausgestrahlt schreibt dies. Die Kommission selbst hat diese PM veröffentlicht (PDF). Über den Verlauf der gestrigen Sitzung siehe auch Endlagerdialog.de mit diesem Beitrag „Die letzte Sitzung der Endlagerkommission – Die Schreckliche.“
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Mit 15:1 der stimmberechtigten Mitglieder der Kommission wurde der Abschlussbericht der Kommission angenommen. Anti-Atom-Initiativen und andere Umweltverbände hatten den BUND für seine Mitarbeit an der Kommission vor zwei Jahren heftig kritisiert. Das Gesetz zur Standortsuche für ein Atommüll-„End“-Lager war seinerzeit weitgehend hinter verschlossenen Türen von Partei- und Fraktionsspitzen verabredet worden, ohne die Anti-Atom-Verbände einzubeziehen. Dabei wurden bedeutsame Rahmenbedingungen festgelegt, die zu massivem Widerspruch seitens der NGOs führten. Es ging nicht nur um die Gorleben-Frage, sondern auch um die Strukturen des Suchverfahrens, der Öffentlichkeitsbeteiligung im Verfahren, den Klagerechten. Ebenso forderten die Initiativen, dass ein Suchverfahren im gesellschaftlichen Konsens nur gelingen könne, wenn über alle Arten radioaktiver Abfälle gesprochen würde.
Eine Forderung, die sich in der Kommissionsarbeit schließlich mehr als bestätigt hat. Sowohl zu dem brennenden Thema der Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle als auch zur Frage, ob ein Dauerlager nicht nur für hochradioaktive, sondern auch für leicht- und mittelradioaktive Abfälle gesucht werden soll, gibt der Bericht keine Antworten. Dabei sind diese Fragen für jeden Standort, der bei kommenden Suchverfahren „ausgewählt“ wird, von großer Bedeutung, wenn es um Zustimmung und Akzeptanz geht.
Sowohl der BUND als auch die LINKE verweisen in ihren Presseerklärungen auf diese schweren Mängel. In der PM von Hubertus Zdebel, der für die Fraktion DIE LINKE Mitglied in der Kommission war, heißt es: „Gravierende Fragen sind weiterhin völlig ungeklärt und werden eine Standortsuche künftig schwer belasten. Unklar bleibt z.B., ob das zu findende ‚Endlager‘ nicht nur hochradioaktiven Atommüll, sondern auch leicht- und mittelradioaktive Abfälle aufnehmen soll. Ein vielbeschworener Neustart, der wider besseres Wissen den ungeeigneten und politisch verbrannten Standort Gorleben im Spiel hält, hat keine Chance, den angestrebten gesellschaftlichen Konsens bei der dauerhaften Atommülllagerung zu erreichen. Es sollte allen eine Warnung sein, dass die Anti-Atom-Initiativen und Umweltverbände die Arbeit der Kommission bis zum Schluss schwer kritisierten.“
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Aus Sicht des BUND-Vertreters mache der Bericht „zwar viele sinnvolle Vorschläge zur Verbesserung des Standortauswahlgesetzes, er beinhalte jedoch einige zentrale und grundsätzliche Mängel und fuße auf Fehlentscheidungen, die eine Zustimmung für ihn unmöglich gemacht hätten“, heißt es in der PM.
„Kritik übe der BUND unter anderem daran, dass nicht klar sei, für welche Art des Atommülls ein Lager gesucht werde. So schlage die Kommission vor, auch den Müll aus der „Asse“ bei Wolfenbüttel, radioaktive Abfälle aus der Urananreicherung und sonstigen nicht für das Endlager für schwach- und mittelaktiven Abfall „Schacht Konrad“ bei Salzgitter geeigneten Atommüll in das neue Suchverfahren zu integrieren. Zweiter Hauptkritikpunkt des BUND sei, dass sich die Kommission für ein neues Endlager-Suchverfahren nicht zu einem Verzicht auf den Standort Gorleben durchringen konnte. Außerdem habe der BUND gefordert, in den Abschlussbericht einen Passus aufzunehmen, der eine verfassungsrechtliche Absicherung des Atomausstiegs verlange. Leider habe sich die Kommission nicht zu einer klaren Empfehlung in diesem Sinne durchringen können.“
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Die Agentur dpa berichtet über die Sitzung der Kommission unter anderem: „Heftige Diskussionen gab es in der letzten Sitzung um den Salzstock Gorleben. Klaus Brunsmeier vom Umweltverband BUND wollte den Satz einfügen: «Angesichts der Geschichte des Standorts wäre ein solches Vorhaben politisch nicht durchsetzbar.» Dies wurde jedoch abgelehnt. Brunsmeier stimmte später als einziger der 15 anwesenden Stimmberechtigten Mitglieder gegen den Abschlussbericht.“
Auch der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias Miersch, nimmt vorsichtig-kritisch zur Gorleben-Frage Stellung. Miersch „hätte sich ein klares «Nein» zu Gorleben gewünscht. Er sagte: «Die gefunden Kriterien legen allerdings nahe, dass, im Fall eines fairen Verfahrens, Gorleben ausscheidet“, berichtet dpa. Dass es fair wird, wird also irgendwie auch bei der SPD noch bezweifelt.
Zu den Reaktionen der grünen Kommissions-Vertreter aus dem Bundesrat heißt es in dem Bericht: „Die grünen Umweltminister von Niedersachsen und Schleswig-Holstein zeigten sich zufrieden mit dem Ergebnis. «Es wurden echt ein paar dicke Brocken weggeräumt», sagte Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck. Niedersachsens Ressortchef Stefan Wenzel sagte, die Kommission habe konstruktiv und fair gearbeitet.“
Bayern wäre bei der neuen Standortsuche betroffen, wenn es um Granit als Wirtsgestein geht. Sicherheitshalber hat das Bundesland daher ein Sondervotum angekündigt, in dem es sich faktisch wohl für nicht zuständig erklärt, weil aus Sicht der Staatsregierung nur ungeeignete Formationen vorhanden wären. Der Bayerische Rundfunk berichtet: „Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) will ein Atommüll-Endlager im Granit des Bayerischen Walds oder des Fichtelgebirges verhindern. Sie drängt deshalb auf die Festsetzung geologischer Kriterien, die einen solchen Standort unmöglich machen würden. In einer Stellungnahme auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks schreibt Scharf, die Sicherheit des Endlagers stehe an oberster Stelle.“
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Der BR berichtet auch von einer Initiative gegen ein „Endlager“ im Fichtelgebirge, die schon jetzt mit Wackersdorf droht: „Ganz unabhängig von den Entscheidungen der Berliner Endlager-Kommission, der Bayerische Wald kann sich nicht in Sicherheit wiegen. Da ist der Vorstand der Initiative gegen ein Endlager im Saldenburger Granit und Thurmansbanger Bürgermeister Martin Behringer (FWG) sicher. Ob da geologische Kriterien am Ende überhaupt die entscheidende Rolle spielen werden, bezweifelt Behringer. Er erwartet, dass die Verantwortlichen vorerst weiter auf Zeit spielen – und stellt in Frage, ob sich der langjährige Atom-Staat Bayern beim Wegräumen des Mülls auf Dauer entziehen kann. Wenn der Saldenburger Granit wieder in den Fokus rücken sollte, droht die Initiative jedenfalls schon vorsorglich mit Widerstand – wie einst in Wackersdorf.“
(*) Der Autor dieses Textes ist Mitglied im BUND und Mitarbeiter des MdB Hubertus Zdebel.
Dokumentation: Pressemitteilung des BUND vom 28. Juni 2016
Bericht der Endlager-Suchkommission vom BUND abgelehnt. Sondervotum angekündigt
Berlin: Als einziges stimmberechtigtes Mitglied der „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ hat Klaus Brunsmeier, stellvertretender Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), den Abschlussbericht der Endlager-Suchkommission abgelehnt. Stattdessen kündigte der Umweltverband eines von vier Sondervoten an. Mit 15 Ja-Stimmen wurde der Bericht jedoch mehrheitlich angenommen.
„Wir haben in der Kommission zwei Jahre lang konstruktiv und mit großem Engagement mitgearbeitet, um das geltende Standortauswahlgesetz zu verbessern. Erreichen wollten wir, den Mehrheitsbeschluss des Bundestags zu einem gesellschaftlichen Konsens zu machen, der einen echten Neustart bei der Endlagersuche ermöglicht. Die Kommission hat ihre eigenen Ansprüche nicht wirklich erfüllt, deshalb müssen wir den Abschlussbericht ablehnen“, sagte Brunsmeier.
Der Bericht der Kommission mache zwar viele sinnvolle Vorschläge zur Verbesserung des Standortauswahlgesetzes, er beinhalte jedoch einige zentrale und grundsätzliche Mängel und fuße auf Fehlentscheidungen, die eine Zustimmung für ihn unmöglich gemacht hätten, so Brunsmeier. „Wir geben ein Sondervotum ab, das unsere Kritikpunkte zusammenfasst“, sagte der BUND-Vertreter.
Kritik übe der BUND unter anderem daran, dass nicht klar sei, für welche Art des Atommülls ein Lager gesucht werde. So schlage die Kommission vor, auch den Müll aus der „Asse“ bei Wolfenbüttel, radioaktive Abfälle aus der Urananreicherung und sonstigen nicht für das Endlager für schwach- und mittelaktiven Abfall „Schacht Konrad“ bei Salzgitter geeigneten Atommüll in das neue Suchverfahren zu integrieren. Zweiter Hauptkritikpunkt des BUND sei, dass sich die Kommission für ein neues Endlager-Suchverfahren nicht zu einem Verzicht auf den Standort Gorleben durchringen konnte. Außerdem habe der BUND gefordert, in den Abschlussbericht einen Passus aufzunehmen, der eine verfassungsrechtliche Absicherung des Atomausstiegs verlange. Leider habe sich die Kommission nicht zu einer klaren Empfehlung in diesem Sinne durchringen können.
Verbesserungen habe der Umweltverband jedoch bei der Gewährleistung eines primär an der Sicherheit ausgerichteten vergleichenden Verfahrens zur Endlagersuche durchsetzen können. Auch Verbesserungen beim Rechtsschutz und die Fixierung eines generellen Exportverbots für hochradioaktiven Atommüll seien ebenfalls Ergebnisse erfolgreicher BUND-Interventionen.
„Der BUND hat das Ziel, dass es zu einer neuen vergleichenden Standortsuche für ein Atommüll-Lager in Deutschland kommt. Ich will mein ablehnendes Votum zum Kommissionsbericht nicht als Zeichen für einen Stillstand in dieser Frage verstanden wissen. Wir fordern die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Bundesregierung auf, schnell mit der dringend erforderlichen Überarbeitung des Standortauswahlgesetzes zu beginnen und dabei möglichst viele der konstruktiven Vorschläge der Kommission und vor allem die weiter gehenden Forderungen des BUND einzuarbeiten“, sagte Brunsmeier.
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