Atommüllkonferenz: Auf dem Prüfstand – Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle und der Strahlenschutz

Castoren-Fertigung bei GNS - Wie sehen die künftigen Anforderungen an die Zwischenlagerung aus? Foto: GNS
Castoren-Fertigung bei GNS – Wie sehen die künftigen Anforderungen an die Zwischenlagerung aus? Foto: GNS

Die Anti-Atom-Initiativen stellen auf ihrer nächsten Atommüllkonferenz (AMK) am 24. September in Göttingen die Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle und den Strahlenschutz auf den Prüfstand. Atommülllager in Jülich und Brunsbüttel ohne ausreichende Atomrechts-Genehmigungen, der mögliche Neubau einer Castor-Halle in Lubmin, laufende Nachrüstungen im Zuge des Terrorschutzes an allen Zwischenlagern, fehlende heiße Zellen und die Erkenntnis, dass die Zwischenlagerung 80 und mehr statt der bislang genehmigten 40 Jahre dauern kann, werfen erhebliche sicherheitsrelevante Fragen auf. Der Atommüllreport plant außerdem für den 25. November eine Fachtagung zum Thema Zwischenlagerung. Zweites Schwerpunktthema der AMK ist die eher im Stillen laufende nationale Umsetzung der EU-Strahlenschutz-Richtlinie 2013/59/Euratom. Bis Februar 2018 muss die auch in der Bundesrepublik umgesetzt werden – mit der Möglichkeit, strengere Regelungen als die derzeit kritisierten zu treffen.

Hinter den Kulissen läuft längst eine Debatte bei Bundes- und Landesbehörden, wie es mit der Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle weiter gehen kann. Weil die Sicherheit der Castor-Behälter angesichts neuer terroristischer Bedrohungen nicht mehr ausreicht, laufen als Sofort-Maßnahme derzeit an allen Standorten Nachrüstungen. Ausreichend dürften die nicht sein, denn vor allem im Süden der Republik erfüllen die Gebäude im errichteten Zustand kaum Sicherheitsfunktionen und sind daher strukturell nur in Ansätzen aufrüstbar.

Hinzu kommt: Die Zwischenlagerung wird spätestens mit den Erkenntnissen der „Endlager“-Kommission mindestens doppelt so lange dauern wie bislang geplant. Damit stellen sich auch an die Behälter neue Anforderungen. Last but not least: Mit dem Rückbau der Atommeiler verschwinden auch die Orte, an denen im bisherigen Zwischenlagerkonzept defekte Behälter repariert werden konnten. Heiße Zellen könnten das Problem lösen – kommt die Betreiber aber teuer. In Bund-Länder-Gremien und bei der Entsorgungskommission wird außerdem über eine „Konsolidierte Zwischenlagerung“ gesprochen. Gemeint ist der Ersatz der bisherigen 15 Zwischenlager durch Neubauten an 3 – 5 Standorten.

Zu einem solchen Neubau kann es schon in nächster Zeit kommen, denn in Lubmin bei den EnergieWerkenNord sind in der bestehenden Castor-Halle die Anti-Terror-Maßnahmen vermutlich nicht nachrüstbar. Ein entsprechendes Konzept der Betreiber ist gescheitert und vom Bundesamt für Strahlenschutz nicht akzeptiert worden. Seit dem Sommer 2015 sitzen die Betreiber nun an einem alternativen Plan, der auch den Neubau einer Zwischenlagerhalle beinhaltet und bei dem mit Blick auf eine verlängerte oberirdische Lagerzeit und den Herausforderungen beim Terror-Schutz auch grundsätzlich neue Bau-Konzepte in der Debatte sind. Klar dürfte sein: Kommt es in Lubmin zu einem solchen Neubau, steht auch die Sicherheit der bisherigen Zwischenlager auf dem Prüfstand.

Auch für das Zwischenlager am AKW Brunsbüttel dürfte sich diese Sicherheitsfrage neu stellen, nachdem das Oberverwaltungsgericht Schleswig und das Bundesverwaltungsgericht die Genehmigung aufgehoben haben. Sicherheitsnachweise seien nicht erbracht worden oder auch falsch erfolgt, hatte das Gericht geurteilt. Vattenfall bereitet gerade den neuen Genehmigungsantrag vor und muss erheblich nachbessern, um nach den neuen Sicherheitsanforderungen künftig eine Genehmigung zu erhalten. Kaum wahrscheinlich, dass für eine neue Genehmigung nicht auch gravierende bauliche Nachrüstungen erfolgen werden.

In Jülich, wo 152 hochradioaktive Castor ohne ausreichende atomrechtliche Genehmigung zwischenlagern, machen sich Betreiber und Behörden die Sache eher leicht: Statt eines Neubaus wollen sie dort den Atommüll entweder nach Ahaus oder in die USA verschieben.

Zweites Schwerpunktthema der Atommüllkonferenz ist die laufende Debatte um die Novellierung der Strahlenschutzverordnung entlang der entsprechenden EU-Richtlinie. Vor allem das Strahlentelex bringt hierzu viele Kommentare und Kritiken. Nicht nur der Strahlenschutz hinsichtlich des Betriebs von Atomanlagen ist von Bedeutung. Während der kommenden Abrissarbeiten bei den stillgelegten Atommeilern sollen Strahlenwerte wie zu Betriebszeiten gelten. Hinzu kommt, dass kontaminierte und sehr gering strahlende Abrissabfälle in großen Mengen unkontrolliert entweder wiederverwertet oder deponiert werden sollen. Die bislang geltenden Grenzwerte und Empfehlungen der Strahlenschutzverordnung sind aus Sicht der AtomkritikerInnen schon jetzt zu hoch und müssten deutlich gesenkt werden. Auch eine Fachtagung des Atommüllreports hat sich jüngst mit diesem Thema beschäftigt:

Hier als Dokumentation das Programm der 9. Atommüllkonferenz

24. September 2016

Programm

11.00 – 11.15 Uhr Eröffnungsplenum

Begrüßung, politische Einführung (Ursula Schönberger, Henning Garbers)

11.15 – 12.45 Uhr Fachdiskussionen

Zwischenlager für Kernbrennstoffe

Wie ist es um die Zwischenlager für bestrahlte Brennelemente und wärmeentwickelnde Abfälle in der Bundesrepublik bestellt? Welche Probleme sind akut und welche Probleme zeichnen sich ab? Wie weit tragen Sicherheitskonzepte und wo gibt es Schwachstellen? Welche Szenarien zur Verlängerung oder Ausweitung bestehender Genehmigungen oder zur Errichtung neuer Zwischenlager werden diskutiert.

Referent: Wolfgang Neumann, intac Hannover
Moderation: Henning Garbers

Novellierung der Strahlenschutzverordnung

Der Rat der Europäischen Union hat die Richtlinie 2013/59/Euratom zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung erlassen. Diese Richtlinie ist bis zum 06.02.2018 in nationales Recht der Mitgliedsstaaten umzusetzen. Wo zeichnen sich Veränderungen zum Vor- und zum Nachteil ab? Die Euratom-Richtlinie sieht Mindeststandards vor, die sich aber weiterhin an den vielfach kritisierten Grenzwertempfehlungen der ICRP orientieren. Das jeweils nationale Recht kann aber strenger sein. Gibt es noch Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen?

Referentin: Oda Becker, unabhängige Expertin für Risiken von Atomanlagen
Moderation: Ursula Schönberger

12.45 – 13.45 Uhr Mittagspause

13.45 – 16.00 Uhr Arbeitsgruppen

AG 1: Abschaltung – Stilllegung – Rückbau

→ HAW-Zwischenlager:

Technische/fachliche Erörterung der Problematik
Wer verfolgt welche Strategien? Wie positionieren wir uns? „Heiße Zellen”, Rücktransporte – beschleunigte Genehmigungsverfahren, Bereitstellung zur Zwischenlagerung (Brunsbüttel), Regionale Lager, NaPro-Bereitstellungslager

→ Input: Wolfgang Neumann, Intac Hannover
→ Moderation: Henning Garbers

AG 2: Gesellschaftliche Auseinandersetzung um Atommüll

→ Auseinandersetzung mit Ergebnis der Atommüll-Kommission und dem darauf folgenden Gesetzgebungsprozess: Welche Beteiligungsformate und andere Entwicklungen(z.B. nicht-öffentliches Auswahlverfahren, Behördenstruktur) kommen auf uns zu und was hat das für konkrete Folgen auf unsere Arbeit, Interessenkonflikte in der Bewegung
→ Input: Ulrike Donat
→ Moderation: Martin Donat

AG 3: Atommüllreport

→ Themen: Ergebnisse Rückstellungskommission, Redaktionstreffen
→ Input: Getrud Patan, Wolfgang Irrek
→ Moderation: Ursula Schönberger

16.00 – 17.00 Uhr Abschlussplenum

  • Berichte aus Workshops und Arbeitsgruppen
  • Aktionsvorschläge, konkrete Planungen
  • zweitägige oder häufigere Atommüllkonferenzen gewünscht?
  • Ausblick, Ankündigungen, Absprachen

Veranstaltungsort

Volkshochschule Göttingen, Bahnhofsallee 7, 37081 Göttingen

 

Dirk Seifert

3 Gedanken zu “Atommüllkonferenz: Auf dem Prüfstand – Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle und der Strahlenschutz

  1. Im Artikel heißt es:
    „Vattenfall bereitet gerade den neuen Genehmigungsantrag vor und muss erheblich Nachbessern, um nach den neuen Sicherheitsanforderungen künftig eine Genehmigung zu erhalten. Kaum wahrscheinlich, dass für eine neue Genehmigung nicht auch gravierende bauliche Nachrüstungen erfolgen werden.“

    Mit Schreiben vom 11.11.2015 hat Vattenfall beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) den Antrag auf „Nachrüstung“ des Standortzwischenlagers für abgebrannte Brennelemente des AKW Brunsbüttel (SZL) gestellt.
    Am 13.7.2016 hat der erforderliche Scoping-Termin stattgefunden. Es soll lediglich eine Schutzmauer um den Eingangsbereich des SZL errichtet werden. Jegliche weitere Sicherheitsmaßnahmen (SEWD) wurden nicht vorgelegt, da sie als geheimhaltungsbedürftig eingestuft sind. Es könnte sich also das gleiche Problem ergeben wie bei der Genehmigung des bisherigen SZL, die vom Bundesverwaltungsgericht kassiert wurde.

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