Handelskammer Hamburg und ihr scheidender Präses: Die Herren machen das selber, daß ihnen „andere Unternehmer“ Feind werden.
Selbstkritik gehört nicht zu den Vorlieben des scheidenden Präses der Handelskammer, Fritz Horst Melsheimer. Das Engagement seiner Handelskammer gegen den Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ ist inzwischen als rechtswidrig verurteilt, auch seine Reden vor der Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zum Jahreswechsel waren Gegenstand dieser Urteile. In seiner Rede am 30. Dezember 2016 (PDF) stellt er zwar mehr die Hamburger Wirtschaft konkret in den Vordergrund und zeigte die vielfältigen Tätigkeiten der Kammer auf. Ansonsten aber blieb er sich in der Pose eines entrechteten Kammer-Chefs treu, dem böse Intriganten und Gerichte die Meinungsfreiheit verbieten wollen. Angriffe gegen das Alternativ-Bündnis „Kammer sind WIR“ oder gar dümmliche Witze krönten die Rede. Kein Wunder also, wenn so eine Art der Kammer-Vertretung Widerstand und Veränderungen auf den Plan ruft! Die Handelskammer und ihr Präses sind nicht nur maßgeblich verantwortlich für das unsinnige Olympia-Bewerbungsabenteuer der Hansestadt. Im Januar und Februar finden die Wahlen für das Plenum der Handelskammer statt. Melsheimer will danach nicht mehr als Präses kandidieren. (FOTO: Fritz Horst Melsheimer, Präses der Handelskammer Hamburg, Foto: Handelskammer Hamburg/Michael Zapf)
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Auf der Homepage ist eine Zusammenfassung als auch die gesamte Rede samt Video online. (Das Video aus auf Youtube hier veröffentlicht.) Dort findet sich auch dieser „Witz“: „Ein Amerikaner, ein Russe und der Hamburger Kammerpräses streiten, in wessen Vaterland größere Freiheit herrscht. ‚Angenommen, Gospodin’, sagt der Amerikaner, ‚ich schreibe ans Weiße Haus: ‚Präsident und Regierung der USA sind komplette Hornochsen!‘ Was passiert mir? Nichts.’ ‚Brüderchen, Brüderchen!’, lacht der Russe. ‚Wenn ich schreibe genau diesen Satz an Kreml: Was passiert mir? Auch nichts!’ Kommt die Reihe an den Hamburger Kammerpräses: ‚Wenn ich diesen Satz vor der Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns sagen würde, würden die Kammergegner wegen angeblicher Kompetenzüberschreitung das Verwaltungsgericht anrufen!’“
Da ist es nicht nur wegen der gerichtlichen Bearbeitung der Verstöße von Melsheimer wirklich echt verwunderlich, wenn Vertreter von die „Kammer sind WIR“ nicht wirklich lachen können, wie die Welt berichtet: „Darauf reagierten die sogenannten „Kammerrebellen“ nicht frei von Pathos: „Sein Recht auf freie Rede sollte man nicht dazu nutzen, um peinliche Witze über Meinungsfreiheit zu reißen. Das ist eine Verhöhnung von politischen Gefangenen nicht nur in Russland, sondern auf der ganzen Welt“, hieß es in einer von Bündnis-Sprecher Tobias Bergmann verbreiteten Mitteilung. Ansonsten wiederholte das Bündnis die bereits bekannten Forderungen nach einem Ende der Zwangsmitgliedschaft in der Kammer.“
Zumindest der letzte Satz aus dem Welt-Artikel dürfte nicht so ganz stimmen. Die „Kammer sind WIR“ will nicht die Zwangsmitgliedschaft beenden, sondern setzt sich für die Aufhebung der Zwangs-Mitgliedsbeiträge ein. Diese sollen künftig durch freiwillige Beiträge sowie Gebühren eingespielt werden, wie es z.B. auch bei der Kammer in Hannover geschieht.
Der NDR weiß zu berichten, dass Melsheimer von seinen Kammer-internen Kritikern nicht viel hält. Sollte es mit Blick auf die kommenden Plenums-Wahlen dazu kommen, dass die „Kammer sind WIR“-VertreterInnen deutliche Stimmengewinne oder gar eine Mehrheit im Plenum einfahren, dann müsse sich auch die Politik einmischen: „Die Handelskammer sei eben auch wirtschaftlicher Berater der Politik. „Wenn diese Form der effektiven Politikberatung weiter gewünscht ist, dann fordere ich alle Politikvertreter auf, diese Funktion der Industrie- und Handelskammern zu sichern“, sagte Melsheimer. Notfalls bedürfe es einer gesetzlichen Klarstellung in dieser Frage“, berichtet der NDR.
Das Abendblatt berichtete denn auch am 7. Januar: „Warum Olaf Scholz die Kammer-Rebellen fürchtet“ und schrieb nach einigen kritischen Hinweisen auf die Kammer-Geschäftsführung unter anderem: „Gleichwohl dürfte dem Bürgermeister angesichts der seit Jahren innerhalb der Kammer tobenden Grabenkämpfe mittlerweile auch etwas mulmig zumute werden. Sollten nämlich bei der am 16. Januar beginnenden Plenarwahl die „Rebellen“ von „Die Kammer sind WIR“ die Macht in der Repräsentanz der Kaufmannschaft übernehmen, wüsste niemand so genau, ob es die Kammer in dieser Form noch weiter geben würde. Ihr Ende als berechenbarer Partner allerdings wäre für die Politik ein gravierendes Problem. „Jeder Senat ist in Hamburg bei der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft auf eine funktionierende Handelskammer angewiesen“, betont der Scholz-Intimus und Chef der Senatskanzlei, Christoph Krupp, am Freitag. „Es ist für die Politik wichtig, dass die unterschiedlichen Wirtschaftszweige ihre Interessen in den Kammer-Ausschüssen miteinander abstimmen und die Kammer dann Stellungnahmen abgibt, die von großen Teilen der Wirtschaft getragen werden. Damit können wir politisch arbeiten.“ Das sei bei Großprojekten wie dem Überseequartier wichtig, aber auch im alltäglichen Geschäft. „Bisher funktioniert das sehr gut“, so Krupp. „Wir hoffen, dass das auch in Zukunft so bleibt.““
Und zur Rede von Melsheimer hieß es im Kommentar des Abendblatt unter der Überschrift: „Überzeugende Bilanz des Handelskammer-Präses“ unter anderem: „Der eine oder die andere mag sich zu Recht an den kritischen Anmerkungen zur Fahrradpolitik stören – aber wer ernsthaft die Redefreiheit des Präses beschneiden will, muss zunächst eine Frage beantworten: Geht es den Kritikern wirklich nur um einzelne inhaltliche Aussagen? Oder doch eher um die Schwächung der Kammer insgesamt? Man kann Melsheimers Rede als Plädoyer für eine starke, mutige und aktive Kammer verstehen. Ob die Unternehmer der Stadt ihm folgen, wird sich bei der Kammerwahl zeigen.“
Komische Frage, die Oliver Schirg hier stellt, denn die Redefreiheit will eigentlich niemand beschneiden. Es geht vielmehr darum – und das sagen die Gerichte ja auch: Als Vertreter einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung mit Zwangsmitgliedern muss sich der Präses auf seine Rolle beschränken, die er als Repräsentant in dieser Funktion hat. Wer kritisiert, dass er das wiederholt nicht beachtet hat, muss nicht die Schwächung der Kammer zum Ziel, kann aber eine andere Art der Vertretung im Sinn haben. Genau das ist ja auch der eigentliche Hintergrund, warum es heute die „Kammer sind WIR“ überhaupt gibt. Das in weiten Teilen rechtswidrige Agieren der Handelskammer beim Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ führte ja dazu, dass sich zahlreiche UnternehmerInnen aus Empörung über dieses Vorgehen der Handelskammer-Spitze erstmals als eine Art „Fraktion“ für ein Mandat im Plenum der Kammer bewarben und damit erfolgreich waren!
- Handelskammer Hamburg illegal – Schluss mit wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Kampfverbänden
- Siehe auch im Blog FAIRspielen.de zur Hamburger Olympia-Bewerbung: Macht und Millionen – Hamburgs Handelskammer: Olympia, eine Seilbahn und ungewohnte Opposition
Wenn man so will: Es war vor allem das Agieren der Handelskammer-Spitze selbst, das zu einer möglichen eigenen Schwächung beigetragen hat!
Nicht nur der am Ende erfolglose Widerstand gegen die Rekommunalisierung der Energienetze von Vattenfall und E.on wäre hier zu nennen. Auch die versemmelte Olympia-Bewerbung, für die die Kammer-Spitze verantwortlich zeichnet oder ein gescheiterter Bürger-Entscheid gegen die „Musical-Seilbahn“ wären hier zu erwähnen. Wiederholt hat sich die Kammer-Spitze in den letzten Jahren sehr weit aus dem Fenster gelehnt und hat vor allem Bruchlandungen hingelegt. Kritische Anmerkungen zum eigenen Verhalten bis heute: Total Fehlanzeige! Und von erfolgreich sicher auch weit entfernt!
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Da muss man sich wahrlich nicht wundern, wenn ein solch trotziges oder schlicht engstirniges Agieren zu Widerstand führt und Kräfte mobilisiert, die auf Veränderungen drängen! Und nicht ganz vergessen sollte man die wachsenden finanziellen Probleme, die allesamt hausgemacht sind.
Ein Gedanke zu “Handelskammer Hamburg und ihr scheidender Präses: Die Herren machen das selber, daß ihnen „andere Unternehmer“ Feind werden.”