Hochradioaktiver Atommüll aus Frankreich kehrt zurück – Castortransporte nach Philippsburg genehmigt

Hochradioaktiver Atommüll aus Frankreich kehrt zurück – Castortransporte nach Philippsburg genehmigt

Hochradioaktiver Atommüll aus der Plutoniumfabrik in La Hague in Frankreich darf per Castor-Transport in das Zwischenlager am ehemaligen AKW in Philippsburg zurücktransportiert werden. Eine entsprechende Genehmigung hat das zuständige Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) erteilt. Bis 2005 durften die AKW-Betrieber ihren Atommüll zur vermeintlichen „Wiederaufarbeitung“ nach La Hague oder Sellafield schicken, statt sie in Castorbehältern einfach zwischenzulagern. Während neuer Atommüll und enorme Umweltrisiken in Kauf genommen wurden, wurde ein geringer Teil des hochgefährlichen Plutoniums aus dem Brennstoff herausgelöst und zu sogenannten Mischoxid-Brennelementen (MOX) weiterverarbeitet. Einen tatsächlichen wirtschaftlichen Nutzen hatte das nicht, half damals aber, die vollkommen ungeklärte Endlagerung der hochradioaktiven Abfälle zu verschleiern. Ein vergleichbarer Rücktransport hat bereits aus Sellafield in das Zwischenlager Biblis stattgefunden. Weitere solcher Castor-Atomtransporte nach Brokdorf und Isar/Ohu sollen noch bis spätestens Ende 2025 erfolgen.

Vier Castor-Behälter werden nun bis Ende 2024 von Frankreich aus per Bahn nach Philippsburg kommen. Begleitet werden sie vermutlich von einem Großaufgebot von Polizei, denn angesichts erhöhter Terrorrisiken und dem Krieg in der Ukraine dürfte eine enorm hohe Sicherheitsstufe für die Durchführung dieser brisanten Atomtransporte angewandt werden. Atomtransporte gelten seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA als Anschlagsziele. Dabei kommen die meist geheimen Regelungen nach SEWD zur Anwendung (Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter).

Die Rücknahme der Atomabfälle aus Frankreich und England basiert auf internationalen Verträgen, die mit der Verarbeitung der bestrahlten Brennelement aus deutschen Atomkraftwerken im Ausland vereinbart wurden. Diese Verträge sind öffentlich nicht bekannt, sollen aber regeln, dass Deutschland verpflichtet ist, den durch die Verarbeitung entstanden zusätzlichen Atommüll zurückzunehmen.

  • Ehemals war vorgesehen, dass aus Frankreich rund 157 Behälter mit Atommüll kommen sollten. 2021 hatten sich die Bundesrepublik und Frankreich jedoch verständigt, die Zahl deutlich zu reduzieren. Statt mittelradiokativer Abfälle zu verpacken (Strukturteile, Abstandhalter etc. von den Brennelementen), einigte man sich darauf, lieber weniger Behälter, dafür aber hochaktives verglastes Material zu transportieren. Der Spiegel berichtete z.B.: „Der ursprüngliche Plan sah eine Rückführung von 157 Behältern mit mittelradioaktivem Material aus der französischen Anlage La Hague vor. Fünf Castorbehälter mit mittelradioaktiven Abfällen sollten ursprünglich ins Zwischenlager Philippsburg und 152 Behälter mit mittelradioaktiven Metallresten von aufgearbeiteten Brennelementen ins Zwischenlager Ahaus in Nordrhein-Westfalen zurück.“ (Zuvor hatte es Kontroversen und Probleme zwischen Frankreich und Deutschland über die Behälter gegeben, die bei diesen Rücktransporten zum Einsatz kommen sollten. Siehe hier: Zwischenlager Ahaus: Deutscher Atommüll bleibt vorerst in Frankreich.) Weiter berichtete der Spiegel über die neue Vereinbarung von 2021: „Diese Lösung sei aber »aufgrund technischer Schwierigkeiten bei der dafür vorgesehenen Behälterbauart TGC27« nicht realisierbar gewesen und hätte eine zeitliche Verzögerung des Transports bis in die Vierzigerjahre zur Folge gehabt, erklären die Ministerien. Nun sollen, anders als zunächst vorgesehen, 152 Behälter mit radioaktiven Metallresten doch in Frankreich bleiben. Dafür sollen neben den Castortransporten nach Philippsburg noch 30 leere Brennelemente-Transportbehälter ins deutsche Zwischenlager Ahaus gebracht werden. Auch das ist Teil der Einigung.“ Auch andere Medien und z.b. das Nuklearforum Schweiz berichtete damals von diesen Verhandlungen.

Plutonium ist einer der giftigsten Stoffe, den die Menschheit kennt. Und er ist der „heißeste“ Stoff, um daraus Atomwaffen herzustellen. Die Auseinandersetzung in Deutschland um die Nutzung von Plutonium im Atombereich dauert Jahrzehnte und war mit Anlagen wie der Plutoniumbrennelementefabrik von Siemens in Hanau, dem geplanten Schnellen Brutreaktor in Kalkar und der geplanten „Wiederaufarbeitungsanlage“ (WAA) Wackersdorf verbunden. Nach massiven Konflikten und großen Demonstrationen wurde der Einstieg in die Plutoniumwirtschaft in Deutschland schließlich Ende der 1980er Jahre beendet. 2005 wurde dann auch der Weg über die Plutoniumabtrennung im Ausland gesetzlich verboten und die Zwischenlagerung hochradioaktiver Atombrennstoffe als Norm festgeschrieben.

Damit wurden erhebliche Risiken bei den Atomtransporten und der Bearbeitung in Sellafield und La Hague von deutscher Seite „stillgelegt“. Das strahlende Atommüll-Erbe aus dieser Phase bleibt nun aber noch für vermutlich rund 100 Jahre in oberirdischen Lagern in Deutschland. Die Suche nach einem unterirdischen Atommülllager hat sich abermals deutlich verzögert, wie Behörden und zuständige Unternehmen vor wenigen Monaten einräumen mussten.

Einer der Standorte, der über Jahrzehnte mit Atommüll aus der gefährlichen Plutonium-Abtrennung in La Hague und Sellafield zu tun hatte, war das Zwischenlager in Gorleben im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Dort sollte in einem völlig ungeeigneten Salzstock der Atommüll später vergraben werden. Auch hier kam es zu lange Jahre anhaltenden erheblichen Protest, mit großen Polizeieinsätzen und politischen Kontroversen.

  • Streit um Gorleben als Zwischenlagerstandort gibt es weiterhin. Nicht nur wegen der Defizite bei der Auslegung in Sachen Terrorschutz. Zuletzt forderten Landräte aus Bayern, die dortige Zwischenlager mit Atommüll aufzulösen und doch alles nach Gorleben zu transportieren. Dazu diese PM der BI Lüchow Dannenberg.

Heut ist klar: Gorleben war immer nur eine politische Festlegung für das Atommüll-Zwischen- und Endlager. Als eine erstmal von politischen Beeinflussungen unabhängige Prüfung der Eignung des als Endlager geplanten Salzstocks in Gorleben erfolgte, kamen die zuständigen Fachleute und die Bundesgesellschaft für Endlagerung auf Basis der im Standortauswahlgesetz festgelegten Kriterien zu dem Ergebnis, dass Gorleben für die Endlagerung nicht geeignet ist.

Die Suche für ein solches unterirdisches Atommüll-„End“-Lager, welches für eine Million Jahre Schutz bieten muss, dauert weiter an.

Dokumentation der o.g. PM vom BASE hier im Wortlaut:

Rücktransport von hochradioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich nach Philippsburg genehmigt

Die Genehmigung für den Transport der letzten aus Frankreich zurückzunehmenden hochradioaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung von Brennelementen aus deutschen Atomkraftwerken ist erteilt. Die Transportfirma Orano NCS GmbH hat nach Prüfung des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung die Einhaltung aller dafür notwendigen Sicherheitsanforderungen nachgewiesen.

Genehmigt ist der Transport der hochradioaktiven Abfälle auf der Schiene in maximal vier Transport- und Lagerbehältern bis einschließlich dem 31. Dezember 2024. Wann und auf welchem Weg konkret der Transport stattfindet, stimmt die Antragstellerin insbesondere mit den zuständigen Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes sowie dem Eisenbahn-Bundesamt als zuständige atomrechtliche Aufsichtsbehörde für den Schienentransport ab. Die Rücknahme der deutschen Abfälle ist völkerrechtlich verbindlich vorgegeben.

Aufbewahrungsgenehmigung für Philippsburg liegt vor

Die Aufbewahrung der verglasten Abfälle im Zwischenlager Philippsburg wurde vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung im Juli 2023 genehmigt. Auch nach der Rücknahme der vier Behälter wird am Standort Philippsburg die bereits genehmigte Zahl an Behältern für hochradioaktive Abfälle nicht ausgeschöpft. Im Zwischenlager Philippsburg ist u.a. die Aufbewahrung von maximal 152 Behältern mit hochradioaktiven Abfällen gestattet. Inklusive der Behälter mit den verglasten Abfällen aus La Hague werden dort 46 Behälter mit hochradioaktiven Abfällen weniger stehen als ursprünglich geplant.

Hintergrund: Rücknahme der deutschen Abfälle

Bis heute befinden sich verglaste radioaktive Abfälle aus deutschen Atomkraftwerken im Vereinigten Königreich und in Frankreich. Die deutschen Energieversorgungsunternehmen hatten bis 2005 bestrahlte Brennelemente aus ihren Atomkraftwerken dorthin zur Wiederaufarbeitung transportiert. Die dabei entstandenen flüssigen Abfälle wurden anschließend in Glas geschmolzen und seitdem sukzessive zurück transportiert. Seit dem Jahr 2005 ist die Lieferung von Brennelementen aus deutschen Atomkraftwerken in die sogenannte Wiederaufarbeitung verboten. Stattdessen wurden die Atomkraftwerksbetreiber durch Änderung des Atomgesetzes verpflichtet, die bestrahlten Brennelemente in Zwischenlagern an den Standorten der Reaktoren zu lagern.

Erfüllung der völkerrechtlichen Verpflichtungen

Deutschland hat sich völkerrechtlich verpflichtet, die Abfälle aus der Wiederaufarbeitung zurückzunehmen. Aus Frankreich sollten ursprünglich bis Ende des Jahres 2024 fünf CASTOR-Behälter mit verglasten mittelradioaktiven Abfällen und 152 Behälter mit hochdruckverpressten mittelradioaktiven Metallresten zurückgenommen werden. Da diese Transporte in dem vorgesehenen Zeitraum nicht hätten stattfinden können, wurde mit Frankreich eine neue Lösung verhandelt. Statt der insgesamt 157 Behältern mit mittelradioaktiven Abfällen nimmt Deutschland stattdessen die hier genehmigten vier Behälter mit verglasten hochradioaktiven Abfällen zurück. Zusätzlich sorgen die Energieversorger für die Verwertung von bis zu 30 leeren, ausgedienten Brennelemente-Transportbehältern.

Mit dem hier genehmigten Transport werden somit die letzten hochradioaktiven Abfälle aus Frankreich zurückgenommen. Zur Erfüllung der völkerrechtlichen Verpflichtungen gegenüber dem Vereinigten Königreich müssen aber noch hochradioaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung in England zurückgenommen und in andere deutsche Zwischenlager gebracht werden.

Warum Rücktransport nach Philippsburg?

Bis 2011 transportierten die Abfalleigentümer die radioaktiven Rückstände aus der Wiederaufarbeitung in das Zwischenlager Gorleben in Niedersachsen. Dort stehen seither 108 Behälter mit verglasten radioaktiven Abfällen und damit bereits ein Großteil der insgesamt aus der Wiederaufarbeitung zurückzunehmenden Abfälle. In Gorleben befindet sich auch der einzige Standort, der in der Vergangenheit teilweise auf seine Eignung als Endlager für hochradioaktive Abfälle untersucht worden war. Diese geologischen Untersuchungen waren 2012 beendet worden, der Standort ist nicht mehr Teil der Endlagersuche nach dem Standortauswahlgesetz.

Mit dem Standortauswahlgesetz, das der Bundestag 2013 mit breiter Mehrheit verabschiedete, änderte der Gesetzgeber auch das Atomgesetz: die verbliebenen verglasten Abfälle im Ausland sind demnach in Zwischenlagern an den Standorten der Kernkraftwerke aufzubewahren. Ziel war es, bei der ergebnisoffenen Suche nach einem Endlager nicht den Eindruck zu erwecken, Gorleben sei als Endlagerstandort bereits festgelegt. 2015 verständigten sich Bundesregierung, Länder und Energieversorgungsunternehmen, die verbliebenen radioaktiven Abfälle in Biblis, Brokdorf, Niederaichbach (Atomkraftwerk Isar) und Philippsburg zwischenzulagern.

 

 

Dirk Seifert

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