Evangelische Akademie Loccum: Endlagersuche zwischen Neustart, Konflikt und jede Menge Atommüll

loccum-2016„Endlagersuche: Um jede Entscheidung und jeden Schritt in diesem Prozess wird hart und intensiv gerungen.“ So heißt es in der Einladung zu einer „Endlager-Veranstaltung“ der Evangelischen Akademie Loccum im Juni 2016.  Auch die Loccum-Veranstaltung ist zum Konflikt geworden, nachdem im letzten Jahr haufenweise AtomkraftgegnerInnen der „Traditions-Veranstaltung“ eine Absage erteilt hatten. Zu „Endlager“-Kommissions-nah wäre das Programm gewesen.  Ein herber Schlag für das Dialog-Konzept der Akademie. Die Folge: Intensive Diskussionen und ein thematisch breiter aufgestellter Themenansatz für die Veranstaltung im Juni 2016.

Demnach wird nicht nur (aber auch) über die „Endlager“-Kommission diskutiert. Darüber hinaus werden aber z.B. auch die Konsequenzen aus der wahrscheinlich deutlich verlängerten Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle angesprochen oder die Finanzierung der Atommülllagerung (Stichwort Rückstellung und Verursacherhaftung), von der sich die Konzerne verabschieden wollen, thematisiert. Außerdem geht es um die Frage nach einem kontinuierlichen, gesellschaftlichen Begleitgremium.

Der Versuch, angesichts der massiven gesellschaftlichen Konflikte um die Atomenergie und ihrem atomaren Erbe, dem Verhalten der Atomkonzerne (Klagen, Begrenzung der finanziellen Verantwortung für die Kosten der Atommülllagerung) und dem der zuständigen Atombehörden aus Bund und Ländern, einen Dialog über den künftigen Umgang zu führen, ist so etwas wie die Quadratur des Kreises. Allemal, wenn nicht endlich Themen abgeräumt werden, die einem vermeintlichen Neustart angesichts der Konflikte entgegen stehen: An Gorleben als möglichen Standort für ein „Endlager“ festzuhalten und dennoch einen gesellschaftlichen Konsens bei der Lagerung hochradioaktiver Abfälle erreichen zu wollen, ist schlicht und einfach unmöglich und blockiert grundsätzlich den Weg für einen tatsächlichen Neustart.

Allerdings: Das kann auch eine Veranstaltung der Evangelischen Akademie Loccum nicht ändern. Mit dem erweiterten Themenfeld für die Veranstaltung im Juni (Programm etc) reagiert die Tagungsleiterin Dr. Monika C. M. Müller von der Evangelischen Akademie Loccum jedoch auf die Kritik zur letztjährigen Veranstaltung und greift z.B. auch die Konflikte und Probleme auf, die schon heute bei der Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle an zahlreichen Standorten erheblich sind. Ein Thema von großer Bedeutung, das die Politik im Standortauswahlgesetz fast völlig ausblendet und in der „Endlager“-Kommission eher am Rande behandelt wird.

So widmet sich die Veranstaltung mit gleich drei Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven dem Thema längerer Zwischenlagerzeiten hochradioaktiver Abfälle. Fast alle Experten erwarten, dass sich die Suche nach einem „Endlager“ möglicherweise bis zum Jahr 2080 verzögern kann, bis ein solches unterirdischen Lager in Betrieb gehen könnte. Bis alle hochradioaktiven Abfälle dann auch dort eingelagert sind, würden abermals Jahrzehnte vergehen. Daraus ergeben sich eine Vielzahl von neuen Fragen und Herausforderungen, immerhin hat man der Bevölkerung an den heutigen Zwischenlager-Standorten versprochen, dass der dort gelagerte Atommüll nach einer Betriebszeit von 40 Jahren weg kommen würde.

Mit allein drei Beiträgen befasst sich dieser Abschnitt der Veranstaltung: Über „Zwischenlager – Zwischen Laufzeitende und Endlagerung“ (Wolfgang Neumann, intac), „Verlängerte Zwischenlagerung: Was passiert mit dem Inventar und wie gehen wir damit um?“ (Gerold Spykman, Sachverständiger, TÜV-Nord, Hannover) und „Langzeitzwischenlager vor Ort? – Die Sicht Betroffener“ (Ulrike Brenner, Vorstand, FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik, Augsburg (angefragt))

Ein weiterer Themenblock widmet sich der Öffentlichkeitsbeteiligung beim Umgang mit radioaktiven Stoffen und der „Endlager“-Suche („(Öffentlichkeits-)Beteiligung lernen – Erfahrungen und Ziele Was war? Wie war es? Wie soll es werden?“). Dazu werden „Beobachtungen und Erfahrungen zu den offiziellen Beteiligungs-Formaten“ im Umfeld der „Endlager“-Kommission mit Beiträgen von Juliane Dickel (freie Journalistin, Berlin), Rainer Kuhn, (DIALOGIK gemeinnützige Gesellschaft für Kommunikations- und Kooperationsforschung, Stuttgart) und dem Kommissionsmitglied und Co-Vorsitzenden der AG 1 (Öffentlichkeitsbeteiligung) Ralf Meister (Bischof der Hannoverschen Landeskirche, Hannover) thematisiert.

Und schließlich wird es am Sonntag um die Frage gehen: „Wie ist eine kontrollierende und korrigierende Begleitung des Prozesses sicherzustellen? Wann? Wer? Was? Wie?“ Dazu werden: Dr. Stefan Birkner, (MdL, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP Niedersachsen, Hannover), Klaus Brunsmeier, (BUND, Berlin, Mitglied der Kommission und Co-Vorsitzender AG2 Evaluation), Ulrike Donat, (Rechtsanwältin und Mediatorin, Hamburg), Sylvia Kotting-Uhl, (Kommissionsmitglied, MdB, Bündnis 90/Die Grünen, atompolitische Sprecherin, Berlin) und Hubertus Zdebel, (Kommissionsmitglied, MdB, Die Linke, Mitglied im Ausschuss für Bau und Reaktorsicherheit, Berlin) unter der Moderation von Dr. Monika C. M. Müller mit den TeilnehmerInnen im Plenum und in AGs diskutieren.

Eröffnet wird die Veranstaltung am Freitag mit Beiträgen, die das Themenfeld Atommülllagerung, Sicherheit und gesellschaftlicher Umgang behandeln:

  • Sozial-ökologische Herausforderungen im Zeitalter des Anthropozän
    Folgewirkungen menschlichen Handelns
    PD Dr. Achim Brunnengräber, Forschungszentrum für Umweltpolitik, ENTRIA, Freie Universität Berlin
  • Die Transformation des Energiesystems als Treiber demokratischer Innovationen
    Dr. Jan-Hendrik Kamlage, Kulturwissenschaftliches Institut Essen – KWI, Essen (angefragt)
  • Wohin führt die geplante Standortsuche?
    Zu einem sicheren Endlager hier – oder ins Ausland?
    Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Salzgitter
  • Wie finanzieren wir den Atomausstieg?
    Jürgen Trittin, MdB, Bündnis 90/Die Grünen, Vorsitzender der Atomkommission, Berlin

Endlagersuche: Wie steht es um die Vorbereitung der Entsorgung radioaktiver Abfälle in Deutschland? Tagung der Evangelischen Akademie Loccum vom 3. bis 5. Juni 2016 Pfeil nach rechts Das Programm als pdf >

Dirk Seifert

Ein Gedanke zu “Evangelische Akademie Loccum: Endlagersuche zwischen Neustart, Konflikt und jede Menge Atommüll

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert