Vattenfall, E.on und die Arbeitsplätze: Beschäftigte unter enormem Druck – ratlose Gewerkschaften

In Hamburg mobilisieren GewerkschafterInnen für den Volksentscheid von Unser Hamburg - Unser Netz mit einem Aufruf, denn man hier unterschreiben kann.
In Hamburg mobilisieren GewerkschafterInnen für den Volksentscheid von Unser Hamburg – Unser Netz mit einem Aufruf, denn man hier unterschreiben kann.

„Wie sicher ist ihr Arbeitsplatz 2013 in Hamburg?“ Das fragte das Hamburger Abendblatt im Januar 2013 und legte eine umfangreiche Analyse vor. Während das Abendblatt insgesamt einen Trend zu mehr Beschäftigung bilanziert, stellt die Zeitung unter dem Stichwort Vattenfall fest: Von 2011 auf 2012 hat der Atom- und Kohlekonzern Vattenfall insgesamt 525 Arbeitsplätze in Hamburg abgebaut! Im Frühjahr 2013 wurde bekannt: Allein in Deutschland sollen 1.500 Arbeitsplätze verschwinden. Auch bei E.on ist der Druck hoch: Im Sommer 2012 hat E.on angekündigt, in Deutschland insgesamt 6.000 Arbeitsplätze abzubauen.

Zur Lage der Beschäftigten bei Vattenfall siehe auch hier: Ohne Perspektive? Schlechte Stimmung bei Vattenfall-Beschäftigten

Kurios ist das Verhalten der Gewerkschaften in dieser Situation: Statt nach Perspektiven für die Beschäftigten Ausschau zu halten und diese im Zuge der Energiewende auch öffentlich zu debattieren, ist es auf diesem Feld erstaunlich still. Umso eindeutiger positionieren sie sich in Hamburg gegen die Forderungen nach einer vollständigen Rekommunalisierung der Energienetze, die Umweltorganisationen, Kirchen, Verbraucherzentrale, Mietervereine und Soziale Einrichtungen per Volksentscheid erreichen wollen.

Ohne auch nur mit einem Wort auf den massiven Arbeitsplatzabbau in den Konzernen Vattenfall und E.on einzugehen, hat sich letzte Woche der Fachbereich „Versorgung“ bei Verdi Hamburg (FB02) mit einem Positionspapier gegen den Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ ausgesprochen. Darüber hatte umweltFAIRaendern.de berichtet.

Vattenfall hat jüngst eine weitere Kampfansage an die Beschäftigten formuliert: „Kostensenkungen und laufende Rationalisierungsmaßnahmen werden beschleunigt. Die geplanten Kosteneinsparungen für 2014 werden von 1,5 Milliarden SEK auf 2,5 Milliarden SEK erhöht. Für 2015 wird ein neues Sparziel von 2 Milliarden SEK festgelegt. Vattenfall hat einen Einstellungsstopp verhängt und zudem den Einsatz externer Berater erheblich eingeschränkt. Seit 2010 hat Vattenfall jährlich seine Kosten um 7,5 Milliarden SEK reduziert.“ So heißt es in der letzte Woche veröffentlichten PM des Konzerns. In Euro: Von aktuell ca. 171 Millionen Euro sollen im nächsten Jahr 285 Millionen Euro eingespart werden. Ab 2015 sollen es dann jährlich 228 Millionen Euro sein! (Wechselkurs: 1 EUR = 8,7773 SEK (30. Juni 2013)), siehe hier. Es braucht wenig prophetische Gaben, um zu wissen, wer von diesen Kostensenkungen vor allem betroffen sein wird.

Hinzu kommt, dass Vattenfall seine Investitionen zurückschrauben will. In der PM von Vattenfall heißt es: „Die Investitionen für die kommenden fünf Jahre werden auf 105 Milliarden SEK gesenkt, verglichen mit 123 Milliarden SEK für den Zeitraum 2013 bis 2017.“ Also nur noch 11,7 Mrd. Euro statt bisher 14 Mrd. Euro.

Nicht viel anderes sieht es bei E.on aus: „Im August 2011 haben wir das konzernweite Programm E.ON 2.0 gestartet. Ziel von E.ON 2.0 ist es, die beeinflussbaren Kosten bei E.ON von rund 11 Mrd € im Jahr 2011 bis spätestens 2015 auf 9,5 Mrd € zu reduzieren, um Spielraum für Investitionen zu schaffen“, heißt es im Jahresabschluss 2011 (PDF). Im Bericht für 2012 wurde dieser Betrag noch einmal auf nunmehr 8,5 Mrd. für 2015 gesenkt. Insgesamt also um 2,5 Mrd. Euro sollen die Kosten in diesem Zeitraum gesenkt werden. Ob es dabei bleiben wird? Auch für E.on gilt: Die sinkenden Stromerlöse aufgrund sinkender Preise an den Börsen in Verbindung mit der Energiewende trifft E.on in seinen Grundstrukturen. Das drückt sich nicht nur in den bereits angekündigten Maßnahmen an, mit denen allein in Deutschland 6.000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Wie für Vattenfall gilt auch für E.on: Es ist keine Besserung in Sicht.

Auch bei RWE stehen die Zeichen auf massiven Arbeitsplatzabbau: RWE muss noch mehr sparen – Jobs in Gefahr.

Vor dem Hintergrund dieser Daten und der Ratlosigkeit, mit denen die Konzerne in der wachsenden Krise reagieren, ist das Schweigen der Gewerkschaften kaum noch nachvollziehbar. Und es ist noch weniger nachvollziehbar, wieso über gewerkschaftliche Perspektiven nicht nachgedacht wird, um Auswege für die Beschäftigten zu suchen.

Anders als die Hamburger Gewerkschaften mit ihrer engen Verbundenheit an die SPD-Spitze behaupten: Die Rekommunalisierung und der Volksentscheid sind eine enorme Chance für die Beschäftigen. Das Risiko für die Arbeitsplätze heißt Vattenfall und E.on – nicht „Unser Hamburg – Unser Netz“.

Arbeitsplätze, Netze und Konzerne

Im folgenden soll ein Überblick über die Arbeitsplätze in Verbindung mit E.on und Vattenfall sowie den drei Netzgesellschaften dieser Konzerne gegeben werden, an denen die Stadt Hamburg als Minderheitsaktionär mit 25,1 Prozent beteiligt ist. Insgesamt muss dazu festgestellt werden: Es liegen nur wenige konkrete Zahlen vor und auch Verdi oder die IG Metall Hamburg leisten keinen Beitrag, um mehr Transparenz in dieser Frage zu erreichen.

Ein Aspekt zur Frage der Sicherheit von Arbeitsplätzen betrifft mit Blick auf Vattenfall auch die einzelnen Gesellschaften, in denen der Konzern seine Geschäfte betreibt. Vattenfall ist aktuell mit ca. 25 steuerpflichtigen Unternehmen (Tochter- und Schwestergesellschaften sowie Beteiligungen mit Steuersitz in Hamburg) in Hamburg vertreten. Der Konzern sagt in den Vereinbarungen mit der Stadt Hamburg zu, dass er bis 2016 mit mindestens 20 Unternehmen weiterhin vertreten sein wird. Der Kommentar des Senats: „Mehr war im Verhandlungswege nicht zu erreichen“ (Quelle (PDF): „Hamburg schafft die Energiewende“, S.7).

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf: Vattenfall hat angekündigt, den Rückzug aus Deutschland zu prüfen. Einzelne Geschäftsfelder sind dabei schon benannt: Der Rückzug aus der Braunkohle in der Lausitz bis Ende 2014, siehe: Vattenfall Deutschland zerfällt: Verkauf der Braunkohle-Sparte bis Ende 2014 und der Verkauf der Anteile am AKW Brokdorf, siehe: Vattenfall steigt aus: Anteile am AKW Brokdorf sollen verkauft werden

Grundsätzlich zur Krise von Vattenfall: Vattenfall sucht Investoren für Komplettübernahme des Deutschland-Geschäfts

Der oben schon erwähnte Artikel aus dem Hamburger Abendblatt stellt zusammenfassend fest: „Gut ein Drittel der größten 200 Unternehmen plant 2013 Neueinstellungen. Die Arbeitsagentur erwartet bis zu 10.000 neue Stellen.“ Doch was in der Zusammenfassung stimmen mag, gilt den Angaben zu Folge nicht für Vattenfall!

Für Vattenfall in Hamburg ergibt sich aus den Daten des Abendblatts: Bereits von 2011 auf 2012 hat das Unternehmen die Arbeitsplätze in Hamburg von 4.725 auf 4.200 reduziert, also insgesamt 525 Arbeitsplätze gestrichen. (siehe hier die Tabelle des Abendblatts, PDF, Nr. 15).

Zu E.on Hanse hat das Abendblatt keine Angaben veröffentlicht. Die Tochter E.on Hanse mit Sitz in Quickborn gehört mit rund 74 Prozent Anteil zum E.on-Konzern. Einige Gemeinden und Städte aus Schleswig-Holstein halten gemeinsam eine Minderheitsbeteiligung von rund 26 Prozent. Angaben über die Anzahl der MitarbeiterInnen bei E.on Hanse sind der Homepage nicht zu unternehmen (falls ich nichts übersehen habe, siehe unten).

Bekannt ist: E.on hat bereits im Sommer 2012 angekündigt, insgesamt 11.000 Arbeitsplätze im gesamten Konzern abzubauen, davon 6.000 in Deutschland.

Im Mai 2012 veröffentlichte der Hamburger Senat das Papier „Hamburg schafft die Energiewende – Fragen und Antworten“ (PDF). Dort finden sich folgende Zahlen zu den Arbeitsplätzen der Konzerne mit Bezug auf Hamburg bzw. der Arbeitsplätze, bei den jeweiligen Netzgesellschaften der beiden Konzerne, an denen die Stadt Hamburg als Minderheitsaktionär beteiligt ist:

Für die Konzerne E.on und Vattenfall nennt das Papier zunächst die Beschäftigungszahlen mit Bezug auf Hamburg:

E.on: „Für das Jahr 2010 wurde durch einen beauftragten Wirtschaftsprüfer bestätigt, dass durchschnittlich 1.274 Mitarbeiter der E.ON Hanse-Gruppe in Hamburg beschäftigt waren.“

Vattenfall: „Vattenfall in der Metropolregion Hamburg rund 4.500 Mitarbeiter (einschließlich rund 260 Auszubildende) – davon ca. 3.500 Mitarbeiter in der Stadt.“

Von diesen Zahlen der Beschäftigten sind durch Minderheitsbeteiligung jetzt bei den drei Netzgesellschaften folgende Arbeitsplätze betroffen:

„Welche Angaben zu den Mitarbeiterzahlen können für die Gesellschaften gemacht werden?

Antwort: Für die Hamburg Netz GmbH sind heute rund 33, zukünftig rund 310 Beschäftigte tätig. Einschließlich der Auszubildenden hat die Vattenfall Stromnetz Hamburg GmbH ca. 130 und die Vattenfall Wärme Hamburg GmbH wird ca. 540 Beschäftigte haben. Bei den Beschäftigten der Vattenfall Stromnetz Hamburg GmbH und der Vattenfall Wärme Hamburg GmbH handelt es sich um die bereits jetzt im Hamburger Stromnetz beziehungsweise Fernwärmegeschäft der Vattenfall tätigen Beschäftigte.“

Das sind – unter Einschluss der bei Hamburg Netz GmbH (E.on) genannten Zahlen 33 auf 310) insgesamt: 880 Arbeitsplätze.

Von den bei E.on genannten durchschnittlich 1.274 Beschäftigten sind also 310 für die gemeinsame Netzgesellschaft tätig. Von den 4.500 Vattenfall-MitarbeiterInnen in der Metropolregion bzw. 3.500 MitarbeiterInnen in Hamburg sind gemeinsam für Strom und Fernwärme 670 Mitarbeiter nun bei den gemeinsamen Unternehmen tätig.

Dirk Seifert

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