Terror-Anschläge in Belgien: AKWs Tihange und Doel (teil)evakuiert

AKW Tihange Huy koeltorens von Michielverbeek - CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons
(Teil)Evakuierung als Reaktion auf die Terroranschläge in Brüssel: „Nicht benötigte“ Mitarbeiter des AKW Tihange mit seinen drei Reaktorblöcken wurden nach Hause geschickt. Foto: Huy koeltorens von Michielverbeek – CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons

(Dieser Text wird laufend aktualisiert!) Nach den Terroranschlägen in Brüssel reagieren die belgischen Behörden laut Medienberichten jetzt mit der Teil-Evakuierung von Mitarbeitern in den beiden Atomkraftwerken Tihange (bei Lüttich, unweit der deutschen Grenze) und Doel. Der Betreiber spricht laut einer Meldung der Welt nicht von einer Evakuierung. „Vielmehr sei verzichtbares Personal aus Sicherheitsgründen nach Hause geschickt worden, unterstrich das Unternehmen auf dem Kurzmitteilungsdienst Twitter.“ Andere Medien sprechen von einer Teil-Evakuierung.

Mit Blick auf die Reaktoren in Tihange war zunächst von der belgischen Nachrichtenagentur Belga unter Berufung auf den lokalen Polizeichef, Didier Lambert, berichtet worden, dass Arbeiter und Angestellte in Sicherheit gebracht wurden. Ein Minimaldienst sei jedoch weiter gewährleistet, hieß es. Das Militär ist vor Ort. Alle verfügbaren Polizeikräfte aus Huy seien bei Bedarf einsatzbereit. Die drei Reaktoren des AKW sind aber offenbar nicht abgeschaltet worden. Inzwischen ist diese Maßnahme offenbar auch auf die Mitarbeiter im AKW Doel  mit seinen vier Reaktoren ausgeweitet.

Außerdem, so die FAZ: „Das Zentrum für Nuklearenergie in Mol wird ebenfalls verstärkt überwacht.“

Das Bundesumweltministerium teilt laut einer Meldung von Reuters mit: „Die Anschläge in Brüssel haben nach Angaben des deutschen Umweltministeriums momentan keine Auswirkungen auf die Sicherheit deutscher Atomanlagen. „Für die Einschätzung der Gefährdung in Deutschland sind die Bundessicherheitsbehörden zuständig“, teilte eine Sprecherin des Ministeriums am Dienstag auf Anfrage mit. „Demnach liegen aktuell keine Erkenntnisse vor, die auf eine konkrete Gefährdung der deutschen Atomkraftwerke hinweisen und zusätzliche Sicherungsmaßnahmen erforderlich machen würden.““ Allerdings: Auch in Deutschland gilt seit 2011 eine veränderte Sicherheitsbewertung. Danach gibt es zwar nach Behördenangaben keine konkreten Gefährdungen, aber an allen bundesdeutschen Atomanlagen werden die Sicherungsmaßnahmen erhöht. Entsprechende Genehmigungsverfahren mit Nachrüstumaßnahmen laufen oder sind bereits abgeschlossen. Diese Maßnahmen finden unter dem Begriff „Sonstige Einwirkungen Dritter“ (SEWD) statt. Über die SEWD-Maßnahmen bei den Zwischenlagern mit hochradioaktiven Abfälle berichtet das BMUB hier.

  • UmweltFAIRaendern berichtet hier zum Thema SEWD.

umweltFAIRaendern hatte in den letzten Wochen mehrfach über wachsende Terrorgefahren im Zusammenhang mit den AKWs in Belgien und dem Einsatz von Militär berichtet. Demnach hatten die belgischen Behörden Hinweise, dass die Atomanlagen Ziel terroristischer Angriffe werden könnten und reagierten u.a. mit dem Einsatz von Militär an allen belgischen Atomanlagen.

Schon vor den Terroranschlägen in Paris hatte es in Belgien Hinweise gegeben, dass Terroristen die belgischen Atomanlagen im Visier haben könnten. Erst vor wenigen Tagen erinnerte der Deutschlandfunk an einen im Oktober 2014 bekannt geworden Fall: Ein „belgischer Dschihaddist (hatte) drei Jahre lang für Belgiens ältestes Kernkraftwerk gearbeitet. Und zwar als Techniker im Hochsicherheitsbereich des AKW Doel nahe Antwerpen.“ Obwohl den Behörden bekannt war, dass er sich an Aktionen für den Islamischen Staat beteiligte, hatte er keine Probleme beim Zugang zum Atomreaktor. Mehr dazu hier: Terrorgefahren, Innentäter, „schmutzige Bomben“: Belgische Atommeiler und eine Nukleare Sicherheitskonferenz

Nach den Anschlägen von Paris stellten belgische Behörden nach Festnahmen und Hausdurchsuchungen bei einem Tatverdächtigen ein Video sicher, in dem die Überwachung eines belgischen Atomexperten zu sehen sein sollte (siehe dazu ausführlicher in den o.g. Texten/Links).

Auf dieses Video weist auch die FAZ nun aktuell hin: „Grund für die strengeren Sicherheitsmaßnahmen an den beiden belgischen Atomkraftwerke dürfte auch sein, dass die französischen und belgischen Kriminalbeamten bei ihren Ermittlungen zu den Attentätern vom 13. November auf mögliche Anschlagspläne gegen Nuklearanlagen in Belgien gestoßen sind. Bei einer Hausdurchsuchung in Brüssel waren die Ermittler am 30. November auf ein 10 Stunden umfassendes Video gestoßen, das den Tagesablauf eines hohen Verantwortlichen der belgischen Nuklearindustrie nachzeichnete. Nach Informationen belgischer Medien soll es sich um den Direktor des Zentrums für Nuklearenergie in Mol handeln. In der französischen Presse wurde spekuliert, dass die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) Anschläge auf Nuklearanlagen plane. Dies hat auch in Frankreich, das 58 Reaktoranlagen unterhält, zu großer Besorgnis geführt.“

Seit Monaten sind der Block 3 des AKW Tihange und der Block 2 in Doel besonders in der Diskussion. Trotz tausender Rissbefunde im Herzstück der Anlagen, den Reaktordruckbehältern, hatte die belgische Atomaufsicht ihre Zustimmung zur Wiederinbetriebnahme gegeben. Selbst das Bundesumweltministerium spricht davon, dass die vielen Risse die Sicherheitsgrenzen der Reaktoren deutlich reduzieren. Vor allem in den Grenzregionen zu Deutschland regt sich parteiübergreifend massiver Protest von Bürgermeistern, Kommunen und Städten sowie Anti-Atom-Initiativen, die eine sofortige Stilllegung der Riss-Reaktoren fordern. Tihange ist nur knapp 70 Kilomter von Aachen entfernt.

Dirk Seifert

4 Gedanken zu “Terror-Anschläge in Belgien: AKWs Tihange und Doel (teil)evakuiert

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