Krise der Atomkonzerne: Französischer Atomgigant AREVA vor dem Super-GAU

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Schaltet sich AREVA bald selbst ab? Foto: Pay Numrich

Der Stolz der Grande Nation bald ein Scherbenhaufen? 2014 erzielt der französische Atomgigant einen „Rekordverlust von 4,8 Milliarden Euro“… „Seither arbeitet die sozialistische Regierung von Präsident François Hollande an einem Rettungsplan.“ AREVA steht mit dem Rücken zur Wand. Die Misere spitzt sich zu, weil ausgerechnet der neue Super-Reaktor von einer Krise zur nächsten Panne taumelt. Der Reaktordruckbehälter des EPR-Neubau in Flamaville hat Mängel, die einen kompletten Austausch erforderlich machen könnten. China hat schon mal mit einem Baustopp reagiert. Das wird in jedem Fall teuer. AREVA ist mit Ausnahme des Betriebs der Atommeiler in allen Facetten des Atomgeschäfts aktiv. Um den wirtschaftlichen Super-Gau zu verhindern ist jetzt sogar eine engere Kooperation mit der EDF im Gespräch, dem zweiten Großkonzern im französischen Atomgeschäft, der die 58 Atomreaktoren betreibt.

Die Welt berichtet ausführlich über das gegenwärtige und möglicherweise kommende Desaster für AREVA. „Denn die Mängel, die die französische Atomsicherheitsbehörde ASN (Autorité de sûreté nucléaire) nun an dem Druckwasserreaktor in Flamanville entdeckte, werfen neue Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Atomkonzerns auf – denn das effizientere Druckwassersystem soll eigentlich eine neue Epoche der Atomkraft einläuten. Und die Mängel gefährden andere Projekte Arevas. So entschied China, wo der Konzern im Süden des Landes ebenfalls zwei EPR-Druckwasserreaktoren baut, die Arbeiten zu stoppen. Man werde keine Brennstäbe in die zwei Reaktoren in Taishan einsetzen, solange nicht alle Zweifel an der Sicherheit der Einrichtung komplett beseitigt seien, kündigte das chinesische Umweltministerium an. Die Reaktorbehälter müssen Temperaturen von mehr als 300 Grad und sehr hohen Druck aushalten. Und sie müssen über Jahrzehnte hinweg sicher sein. Doch die nun festgestellten Unregelmäßigkeiten in der Zusammensetzung des Stahls an Deckel und Bodenplatte des Reaktorbehälters könnten nach Ansicht der französischen Atomsicherheitsbehörde zu Rissen führen. Sie will nun weitere Untersuchungen durchführen. Areva selbst beauftragte eine französisch-britische Gesellschaft als „unabhängigen Experten“ zusätzlich zu den eigenen, internen Überprüfungen.“

Das Handelsblatt hatte vor einigen Tagen ebenfalls über die massiven Probleme in Flamaville berichtet. „Das Reaktorprojekt EPR sollte der Atomkraft einen Aufschwung bescheren. Doch zahllose Pannen machen das Projekt zum Albtraum für die französischen Bauherren. Ein weiterer Konstruktionsfehler könnte nun das Aus besiegeln.“ Weiter heißt es dort: „Im Falle des EPR geht es um ein elf Meter hohes Stahltrumm mit fast fünf Metern Außendurchmesser, das über 500 Tonnen wiegt. Dieses Gefäß enthält die Brennstäbe, es muss Temperaturen von über 300 Grad und sehr hohem Druck standhalten. Es ist das einzige Bauteil, das nicht ausgetauscht werden kann. Deshalb muss es absolut zuverlässig sechzig Jahre lang den Reaktorkern einschließen. Genau diese Sicherheit wird beim EPR von der französischen Atomaufsicht ASN angezweifelt: „Es gibt ernste, sehr ernste Anomalien am Druckbehälter des EPR“ sagte Pierre-Franck Chevet, Chef der ASN, am Donnerstag. Deckel und Bodenplatte des Gefäßes wiesen Unregelmäßigkeiten in der Zusammensetzung des Stahls auf. Die könnten zu Rissbildung führen. Bei ersten Tests hatte die ASN diesen fatalen Fehler festgestellt. Nun soll eine weitere Serie von Untersuchungen zeigen, ob sich die Defekte bestätigen. Sollte das geschehen, sind die Folgen für Chevet klar: „Entweder gibt EDF das Projekt auf, oder der Druckbehälter wird ausgetauscht, was hohe Kosten und mehrere Jahre Verzögerung bedeutet.““

Flamaville könnte zum Desaster für AREVA werden, schreibt jetzt auch die Welt: „Die Umweltschutzorganisation Greenpeace schätzt, dass die Kosten für den Druckwasserreaktor dort mittlerweile auf zehn Milliarden Euro gestiegen sind. Er sollte ursprünglich bereits 2012 in Betrieb gehen. Zuletzt war die Rede von 2017, aber angesichts der neuen Probleme dürfte auch dieses Datum schwer zu halten sein.“ Nicht erwähnt wird, aber die Frage stellt sich auch: Was eigentlich ist mit dem Druckbehälter im zweiten AREVA-Neubau im finnischen Olkiluto? Auch dort sind die Kosten über die Jahre explodiert und haben sich die Bauzeiten immer wieder verlängert.

Die Welt berichtet weiter: „Die sozialistische Regierung Hollandes arbeitet fieberhaft an Plänen, wie dem Atomkonzern finanziell wieder auf die Beine geholfen werden kann. Energieministerin Ségolène Royal versprach nun eine schnelle Entscheidung – und plädierte erneut für eine Annäherung des Atomkonzerns und des Reaktorbetreibers EDF.“ Ob der zu rund 87 Prozent in Staatsbesitz befindliche Konzern auf staatliche Hilfen rechnen kann, ist in Frankreich umstritten, wie die Welt schreibt. „Doch Areva hat frisches Geld bitter nötig. Spätestens seit einer Gewinnwarnung von Ende Februar erwarten Experten, dass Areva bald eine Kapitalerhöhung über zwei bis 2,5 Milliarden Euro vornehmen muss. Eine staatliche Finanzspritze für den Atomkonzern dagegen hat Wirtschaftsminister Macron bisher ausgeschlossen. Die Frage einer Kapitalerhöhung sei verfrüht, sagte er der konservativen Tageszeitung „Le Figaro“ im März. Priorität hätten die operative Genesung des Konzerns und die Verbesserung der Partnerschaft mit EDF. Für Areva wird die Zeit langsam knapp. Konzern-Chef Knoche und Verwaltungsratschef Philippe Varin warnten bereits, dass die Verschuldung des Atomkonzerns von zuletzt 5,8 Milliarden Euro in diesem und kommenden Jahr steigen dürfte. Die Mängel, die jetzt an dem Reaktorbehälter des Druckwasserreaktors in Flamanville entdeckt wurden, setzen Areva finanziell noch mehr unter Druck.“

Dirk Seifert

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