Vattenfall Chaos: Herbe Verluste mit Moorburg-Kohlestrom – Chef-Etage geht – Kommt rot-grüne Rettung?

Vattenfall Chaos: Herbe Verluste mit Moorburg-Kohlestrom – Chef-Etage geht – Kommt rot-grüne Rettung?

Für das Klima-Monster-Kohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg muss Vattenfall schon wieder eine heftige Wertkorrektur vornehmen. Vermutlich weniger als 500 Millionen dürfte das ehemals über drei Milliarden teure „modernste europäische Kohlekraftwerk“ nur noch Wert sein. Kein Wunder also, wenn es (z.B. bei Finanztreff) heißt: „Vattenfall prüft Exit-Optionen für Steinkohlekraftwerk Moorburg“. Außerdem wurde jetzt öffentlich: Vattenfall braucht eine neue Führung – Hall und Hatakka ziehen sich zurück, berichtet der Tagesspiegel. Der rot-grüne Senat in Hamburg hat auf seiner Agenda das Ziel formuliert, dass mindestens einer der beiden 800 MW Kohle-Blöcke von Moorburg noch in dieser Legislatur stillgelegt werden soll, der andere Block irgendwie umgerüstet werden könnte. Wirtschaftlich dürfte das nicht zu machen sein. Kurios auch: Anteile am Eigentum der Anlage hält der Senat zwar nicht, aber die SPD-Spitze und die Grünen sind offenbar schon seit einigen Monaten im Gespräch mit Vattenfall. Rettet jetzt der rot-grüne Senat Vattenfall mit der Übernahme von Moorburg vor weiteren Verlusten?

Zur Krise von Vattenfall, Moorburg und Verluste siehe auch hier und z.B. diese Texte auf umweltFAIRaendern:

Schon vor den Wahlen hatte Bürgermeister Tschentscher Andeutungen über einen Moorburg-Ausstieg gemacht (SPD präsentiert Vorschlag zum Kohleausstieg), während Vattenfall erstaunlicherweise dazu einfach schwieg. Seit Jahren versucht Vattenfall – erfolglos – das Kraftwerk Moorburg zu verkaufen. Die Gründe, dass das bislang nicht geklappt hat, liegen nicht so sehr an der Art der Stromerzeugung. Es sind vor allem konkrete Standort-Probleme, die Vattenfalls Spielraum einschränken. Außerdem hat der Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ und die damit verbundenen Veränderungen in der Hamburger Energiepolitik dafür gesorgt, dass der Klimakiller Moorburg seine Wirtschaftlichkeit nicht dadurch verbessern konnte, dass das Kraftwerk – wie ehemals von der SPD unter dem heutigen Finanminister Scholz unterstützt – in die inzwischen komplett rekommunalisierte ehemalige Vattenfall-Fernwärme einspeisen kann.

Auch eine Klage vom BUND, die noch in der Hauptsache ansteht, hat im Eilverfahren den Betrieb des umweltschädlichen Kraftwerks Moorburg über Jahre verteuert, weil ein Gericht einstweilen anordnete, dass für die Kühlung in Moorburg kaum Elbwasser, dafür aber ein zusätzlicher Hybrid-Kühlturm eingesetzt werden muss. Statt die Elbe aufzuheizen, musste Vattenfall Einbußen bei der Stromerzeugung und der Effizienz hinnehmen. Das geht ins Geld. Bis heute ist das Verfahren in der Hauptsache aber nicht entschieden. Die grüne Umweltbehörde hat bis heute den Genehmigungsbescheid nicht geändert und steht in dem Verfahren immer noch an der Seite mit Vattenfall gemeinsam gegen den BUND. Bitte?

Statt das wirtschaftliche Desaster mit einem Schnitt zu beenden und das Kraftwerk endlich stillzulegen (Hallo Vattenfall: Das wäre doch endlich mal eine wirklich gute Investition in ein neues Image!), könnte Vattenfall möglicherweise einen Deal mit dem rot-grünen Senat anstreben. Ausgerechnet der grüne Senator Kerstan hatte jüngst ja auch erklärt (NDR), Moorburg notfalls kaufen zu wollen.

So könnte Vattenfall aus der wirtschaftlichen Misere und weiteren Verlusten mit Moorburg zu Lasten der Steuerzahler*innen befreit werden. Das Absurde ist allerdings: Auch der von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Kohleausstieg könnte für Vattenfall zu einer Art Entschädigung führen, obwohl das Kraftwerk Moorburg einfach überflüssig ist und aus wirtschaftlichen Gründen – wie war das jetzt mit dem Markt? – ohnehin vom Netz gehen dürfte.

Der Tagesspiegel berichtet zu den Vattenfall-Verlusten mit dem Kohlekraftwerk Moorburg: „„Wir schauen uns verschiedene Optionen an“, sagte Unternehmenschef Magnus Hall während einer Telefonkonferenz anlässlich der Vorstellung der Halbjahreszahlen. Diese seien eine Teilnahme an der geplanten Steinkohle-Auktion, ein Verkauf der Anlage, oder ihre Umwandlung in andere Brennstoffe. „Wir wissen noch nicht wirklich genau, welchen Weg wir einschlagen“, so Hall. Vattenfall hat infolge eines schwierigen Marktumfeldes in der Corona-Krise deutlich weniger mit seinen Kohlekraftwerken verdient. In Hamburg belief sich der Wertverfall im ersten Halbjahr 2020 wegen der niedrigen Margen auf 9,1 Milliarden schwedische Kronen, umgerechnet 883 Millionen Euro. Auch sinkende Strompreise haben sich schlecht auf das Geschäft ausgewirkt.“

In einer DPA Meldung vom 21. Juli heißt es in Sachen Verluste und Wertberichtungen bei Vattenfall auch: „Die Wertminderung des Moorburg-Werks bezifferten die Schweden auf satte 9,1 Milliarden Kronen.“ Das wäre eine Wertminderung um runde 900 Millionen Euro. Und das vor dem Hintergrund, dass Kohle auch gegenüber den Gaspreisen verliert, die CO2-Kosten steigen … Investment-Fonds wie Blackrock sehen bis Ende des Jahrzehnts keine Kohlekraftwerke mehr am Markt! Nur die Bundesregierung mit ihrem Begriff von „Kohleausstieg“ sorgt möglicherweise dafür, dass einige Kohlemeiler noch etwas länger am Netz bleiben. Moorburg? Selbst die Ende 2021 anstehende Stilllegung des 1.400 MW AKW Brokdorf dürfte für Vattenfall und Moorburg keine wirkliche Entlastung bringen, wenn die Preisentwicklungen so bleiben oder sich nur wenig erholen. (Klimaschutz? Macht der Markt! 🙂 ok Quatsch.)

Eine schnelle Abschaltung von Moorburg käme dem rot-grünen Hamburg sehr zupass und hätte indirekt auch etwas für die Klimabilanz (Moorburgs Emissionen sind trotz des Standorts nicht „hamburgisch“). Denn bei dem seit Jahren geplanten Ersatz des Heizkohlekraftwerks in Wedel kommt es zu immer neuen Verzögerungen, sodass eine Abschaltung vermutlich erst noch einmal verspätet 2026 (Stephan Jersch, MdBü) statt wie mal erwartet 2021/22 erfolgen wird.

Auch für das kohlebefeuerte Fernwärmewerk Tiefstack, das aufgrund der Volksinitiatiative Tschüss Kohle schneller als bis spätestens 2030 abzuschalten ist, sieht es mit Ersatzlösungen – jenseits von Gas oder fragwürdiger Buschholz-Brennstofflieferungen von Großgrundbesitzern aus dem fernen Namibia – nicht sonderlich vielversprechend aus. Da würde es auch mit Blick auf einen sehr dürftigen Klimaplan der rot-grünen Regierung ziemlich gut kommen, wenn der rot-grüne Senat, egal unter welchen Umständen, feiern könnte, Moorburg abgeschaltet zu haben (auch wenn es eben wirtschaftlich ohnehin am Ende war und es im Grunde auf Beihilfe zugunsten von Vattenfall hinaus läuft). Aber über 8 Millionen Tonnen CO2 (im kaum erreichten Vollbetrieb) weniger. Das sieht gut aus.

Zu seinem Rückzug als Konzernchef sagte Hall der Deutschen Presse-Agentur, es handele sich um eine persönliche Entscheidung, die er komplett selbst getroffen habe. Die vergangenen sechs Jahre seien sehr intensiv gewesen, der Job des Vattenfall-Chefs immer einer, in dem man 150 Prozent geben müsse, was er sehr genossen habe. „Wir haben uns in eine Position gebracht, die mir wirklich gefällt. Wir stehen an der Spitze der Energiewende“, sagte der 60-Jährige. Der Konzern habe eine klare Strategie für die Zukunft.“ Ach so.

Da passt es, wenn man daran erinnert: Vattenfall betriebt in Schweden immer noch Atomkraftwerke, ist am hiesigen AKW Brokdorf noch mit 20 Prozent beteiligt und klagt vor einem internationalen Schiedsgericht in Washington gegen die Bürger*innen der Bundesrepublik Deutschland auf Schadensersatz für die damals schon schrottreifen Atommeiler Brunsbüttel und Krümmel, die nach der Fukuschima-Katastrophe 2011 endgültig stillgelegt wurden. Bereits seit 2007 hatten beide AKW wegen einer Serie von Störfällen und einem Brand am AKW Krümmel keinen Atomstrom mehr erzeugt. Die Schadensersatzsumme, die Vattenfall samt der fälligen Millionen-Beträge für die Anwälte verlangt: So irgendwas bei inzwischen 5,5 Mrd. Euro!

 

Dirk Seifert