Genehmigungsverfahren startet: Neuer Atombrennstoff „Made in Germany“ mit russischer Unterstützung

Genehmigungsverfahren startet: Neuer Atombrennstoff „Made in Germany“ mit russischer Unterstützung

Die vom Atomausstieg ausgenomme Uranfabrik in Lingen will mit russischer Unterstützung künftig zusätzlich die Herstellung von neuartigen Brennelementen für osteuropäische Atommeiler durchführen. Die im Emsland in Niedersachsen ansässige Firma ANF Lingen gehört zum fränzösischen Atomkonzern Framatome. Die Genehmigung soll nach § 7 Atomgesetz erfolgen. Jetzt beginnt die öffentliche Auslegung der entsprechenden Antragsunterlagen. Das geht aus der jetzt kurzfrisstig erfolgten amtlichen Bekanntmachung in einigen Regionalzeitungen hervor. Für eine Frist von zwei Monaten ab dem 4. Januar 2024 können die Unterlagen regional, in Hannover und im Internetz eingesehen werden (siehe unten). Gegen den Weiterbetrieb und Ausbau der Uranfabrik in Lingen gibt es Proteste, insbesondere vor dem Hintergrund des Kriegs Russland in der Ukraine müsse die Beteiligung des russischen Atomkonzerns Rosatom verhindert und die Anlage stillgelegt werden, fordern Anti-Atom-Initiativen vor Ort und .ausgestrahlt. Für den 20. Januar ist in Lingen eine Demo gegen die nuklearen Erweiterungspläne vorgesehen.

Ohne vorherige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit durch das zuständige Niedersächsische Umweltministerium (NUM) ist die nach Atomrecht obligatorische Ankündigung für die Anfang Januar startende öffentliche Auslegung der Antragsunterlagen jetzt auf den regionalen Anzeigenseiten von Tageszeitungen bekannt gemacht worden.

Damit startet nun die atomrechtliche Öffentlichkeitsbeteiligung. Während der Auslegungsfrist können Einwendungen erhoben werden, die die zuständige Behörde im weiteren prüfen muss. Dazu dient unter anderem ein Erörterungstermin, auf dem die Einwendungen mit dem Antragssteller „diskutiert“ werden können. Erst nach einer behördlichen Auswertung kann dann eine Genehmigung erteilt werden. Vielfach wird diese sehr begrenzte Form der Beteiligung kritisiert, weil sie den Bürger:innen nur wenig Spielraum und Unterstützung gibt.

Diese Form des Verfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung hat das NUM im Rahmen einer Ermessensentscheidung im Frühjahr 2023 angeordnet, nachdem unter der Vorgängerregierung in Niedersachsen zuvor (Oktober 2022) noch eine Umweltverträglichkeitsprüfung als nicht zwingend bewertet worden ist. Das NUM betrachtet das Genehmigungsverfahren als wesentliche Änderung der Atomfabrik und hat daher diesen Ermessenspielraum.

Unmittelbar vor Weihnachten teilt das NUM in der Bekanntmachung nun kurzfristig mit, dass die Antragsunterlagen gleich zu Anfang des neuen Jahres vom 4.1. bis zum 3. 3. 2024 öffentlich ausgelegt werden und bis dahin Einwendungen erhoben werden können.

Dokumentation der Öffentlichen Bekanntmachung (Achtung. Der Text ist per OCR umgewandelt und kann Fehler enthalten, bitte sicherheitshalber hier auch die PDF der Anzeige kontrollieren.)

Öffentliche Bekanntmachung des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz (MU)

Genehmigungsverfahren zur Fertigung hexagonaler Druckwasser-Brennelemente des Typs VVER nach $ 7 Atomgesetz (AtG) in der Brennelement-Fertigungsanlage Lingen (BFL)

Bek.d. MU v. 20.12.2023

— Ref42-40311/06/12/23/40-0003-006 —

Gemäß 8 4 Abs. 1 und 4 sowie 8 5 Abs. 1 AtVfV in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.2.1995 (BGBl.1S.180), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 22. 3. 2023 (BGBl. 2023 Nr. 88), wird bekannt gemacht:

Die Advanced Nuclear Fuels GmbH, Am Seitenkanal 1, 49811 Lingen (Ems), hat mit Schreiben vom 10. 3. 2022 einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zur wesentlichen Veränderung ihrer Anlage und ihres Betriebes nach $ 7 Abs. 1 AtG für die Fertigung hexagonaler Druckwasser-Brennelemente des Typs VVER (Wasser-Wasser-Energie-Reaktor) in der Brennelement-Fertigungsanlage Lingen gestellt.

Die Brennelement-Fertigungsanlage Lingen befindet sich auf dem Gebiet der Stadt Lingen (Ems), Landkreis Emsland, innerhalb des Industriegebietes Lingen-Süd „IndustriePark Lingen“ im Ortsteil

Darme/Bramsche. In der Brennelement-Fertigungsanlage werden Brennelemente für Leichtwasserreaktoren sowie deren Zwischenprodukte hergestellt. Die atomrechtlichen Genehmigungen umfassen die Fertigungsprozesse der Umwandlung von Uranhexafluorid zu Uranoxidpulver, die Herstellung von Uranoxidtabletten, das Fertigen von verschlossenen Brennstäben und die anschließende Assemblierung der Brennstäbe zu Brennelementen.

Der Antrag umfasst folgende Änderungen im Bereich der Brennstab- und Brennelementfertigung:

– Bereich der Brennstabfertigung: In der Brennstabfertigung sollen im Bereich der Verschweißung des beladenen Hüllrohrs verschiedene Einrichtungen ausgetauscht bzw. neu errichtet werden. Dazu

zählen neben dem Austausch der Schweißmaschine auch zusätzliche Einrichtungen zur Dichtheits-, Schweißnaht- und Innendruckprüfung der gefertigten Brennstäbe.

– Anlieferung von gefertigten Brennstäben: Für einige Designs der zu fertigenden hexagonalen Druckwasser-Brennelemente ist vorgesehen, dass einige Brennstäbe Uranoxid-Tabletten mit einem zentralen Loch enthalten. Da in der Tablettenfertigung diese Tabletten zurzeit nicht qualifiziert hergestellt werden können, sollen diese in anderen Brennelement-Fertigungsanlagen gefertigt, als fertige Brennstäbe angeliefert, wie bisher Eingangsüberprüfungen unterzogen, ggf. in den Brennstablagern gelagert und anschließend in den VVER-Brennelementen verbaut werden.

– Bereich der Brennelementfertigung: Um die Brennstäbe für die hexagonalen Druckwasser-Brennelemente vor Beschädigungen beim Einschieben in das Brennelement-Skelett zu schützen, werden diese vor dem Einschieben mit einer Schicht aus Polyvinylalkohol (PVA), einem wasserlöslichen thermoplastischen Kunststoff, überzogen. Die hierzu erforderliche Beschichtungsanlage wird ebenfalls errichtet.

– Zur Entfernung der PVA-Beschichtung der Brennstäbe ist die vorhandene Brennelementwaschanlage an die neuen Gegebenheiten der hexagonalen Brennstabbündel anzupassen.

Der Antrag und die zugehörigen Unterlagen nach $ 6 Abs. 1 AtVfV sind in der Zeit vom 4.1. bis zum 3. 3. 2024 an folgenden Stellen zur Einsicht ausgelegt:

— Stadt Lingen (Ems), Neue Straße 5, 49808 Lingen (Ems),

9.00 bis 16.00 Uhr

montags bis mittwochs in der Zeit von

donnerstags in der Zeit von

9.00 bis 17.00 Uhr,

freitags in der Zeit von

9.00 bis 12.30 Uhr,

samstags in der Zeit von

9.00 bis 12.00 Uhr,

sowie im

– Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, Archivstraße 2, 30169 Hannover,

montags bis freitags in der Zeit von

8.00 bis 15.30 Uhr.

Darüber hinaus sind die Unterlagen in der gleichen Zeit auf der Internetseite des MU einsehbar unter:

https://www.umwelt.niedersachsen.de/brennelementfertigungsanlage_lingen.

Einwendungen zum Antrag können während der Auslegungsfrist vom 4.1. bis zum 3. 3. 2024 schriftlich oder zur Niederschrift beim Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, Archivstraße 2,

30169 Hannover erhoben werden. Für Einwendungen zur Niederschrift vereinbaren Sie bitte einen Termin unter der Tel.0511120-3473.

Alternativ können Einwendungen auch elektronisch per E-Mail an BFL-einwendung@mu.niedersachsen.de erhoben werden, wenn sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind ($ 3a

VwVfG). E-Mails ohne qualifizierte elektronische Signatur sind nicht zulässig. Mit Ablauf der Auslegungsfrist werden für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen.

Nach 88 8 ff. AtVfV werden rechtzeitig erhobene Einwendungen in einem Erörterungstermin erörtert. Auf den Zeitpunkt des Erörterungstermins wird im Nds. MBl., in den örtlichen Tageszeitungen sowie unter https://www.umwelt.niedersachsen.de mindestens eine Woche vor dem Termin hingewiesen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Einwendungen in dem Termin auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden. Die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen, wird durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt, wenn außer an den Antragsteller mehr als 300 Zustellungen vorzunehmen sind.

Es wird zur Information darauf hingewiesen, dass in dem Verfahren eine UVP-Vorprüfung nach § 9 UVPG durchgeführt wurde. Die Entscheidung ist im UVP-Portal des Landes Niedersachsen unter folgendem Link einzusehen: https://uvp.niedersachsen.de:443/trefferanzeige?docuuid=F14E6D63-3DD1-4E52-8597-9BF2243378B7&lang=de

Siehe auch:

Land Niedersachsen

Hinweis
auf die öffentliche Bekanntmachung
über das Genehmigungsverfahren zur Fertigung
hexagonaler Druckwasser-Brennelemente des Typs VVER
nach § 7 des Atomgesetzes
in der Brennelement-Fertigungsanlage Lingen

Vom 16. November 2023

Gemäß § 4 Absatz 1 Satz 3 der Atomrechtlichen Verfahrensverordnung (AtVfV) vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 180), die zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 22. März 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 88) geändert worden ist, wird auf folgende Bekanntmachung hingewiesen:

Die Advanced Nuclear Fuels GmbH, Am Seitenkanal 1, 49811 Lingen, hat mit Schreiben vom 10. März 2022 einen Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zur wesentlichen Veränderung ihrer Anlage und ihres Betriebs nach § 7 Absatz 1 des Atomgesetzes für die Fertigung hexagonaler Druckwasser-Brennelemente in der Brennelement-Fertigungsanlage Lingen gestellt. Künftig sollen in der Anlage auch hexagonale Druckwasser-Brennelemente des Typs VVER gefertigt werden. Die Bekanntmachung des Vorhabens nach § 4 Absatz 1 und 4 sowie § 5 Absatz 1 AtVfV erfolgt im Niedersächsischen Ministerialblatt und in den folgenden Tageszeitungen:

Grafschafter Nachrichten
Lingener Tagespost
Meppener Tagespost

in der jeweiligen Ausgabe vom 20. Dezember 2023.

Hannover, den 16. November 2023

Ref42-40311/06/12/23/40-0003-006

Niedersächsisches Ministerium
für Umwelt, Energie und Klimaschutz

Im Auftrag
R. Sommerfeld

Dirk Seifert

4 Gedanken zu “Genehmigungsverfahren startet: Neuer Atombrennstoff „Made in Germany“ mit russischer Unterstützung

  1. Wo und nach welchem Recht werden eigentlich die radioaktiven Abfälle dieser Anlage konditioniert und entsorgt? In Frankreich, Rußland oder bleiben diese in Deutschland?

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