Atommüll: Eine Kommission, Gäste und die Öffentlichkeit
Atommüll ohne Ende, Probleme überall. Seit dem Spätsommer tagt im Bundestag die hoch umstrittene Endlager-Kommission. Inzwischen hat sich im Rahmen der Kommission eine AG für die Öffentlichkeitsbeteiligung gebildet, genauer: „AG1 – Gesellschaftlicher Dialog, Öffentlichkeitsbeteiligung und Transparenz„. Deren Vorsitzende, der Landesbischof Ralf Meister (Hannover) und Rechtsanwalt Hartmut Gassner, haben nun ein umfangreiches Papier zur Debatte über die Öffentlichkeitsbeteiligung vorgelegt, das am Freitag (12.12.) auf dem Treffen der AG1 erstmals behandelt werden soll. Vorgesehen ist, das Konzept im März 2015 von der Kommission beschließen zu lassen.
Update: Auf das Papier von Meister und Gassner reagierte noch am Abend vor der Sitzung am 12.12. Jörg Sommer von der Deutschen Umweltstiftung in scharfer Form. Der Vorschlag von den beiden Vorsitzenden sei elitär orientiert und könne von ihm so nicht mitgetragen werden. Allerdings betonte Sommer darin auch, dass nun aus seiner Sicht endlich überhaupt eine Grundlage für die Debatte um Beteiligung und Mitentscheidung in der Kommission bzw. der AG in Gang komme.
- Sein Papier ist hier online: Jörg Sommer: Stellungnahme zum Entwurf eines Konzepts zur Öffentlichkeitsbeteiligung (siehe auch K-Drs./AG1-16) (PDF).
Auf den letzten Drücker hatte die rot-grüne Landesregierung von Niedersachsen im Rahmen der Verhandlungen um einen vermeintlichen Neustart bei der Endlagersuche diese Kommission als eine Form von Öffentlichkeitsbeteiligung ins Standortauswahlgesetz gehievt. Fast alle Anti-Atom-Initiativen und Umweltverbände hatten das zustande kommen des Gesetzes und der Kommission heftig kritisiert und eine Beteiligung zunächst abgelehnt. Erst in letzter Minute entschied sich der BUND zu einer Beteiligung, ohne die massive Kritik im Kern zurückzunehmen.
- Zum Thema informieren auch der Endlager-Dialog und die Umweltstiftung unter plenum.cc. Der BUND informiert hier über seine Arbeit in der Kommission.
Der BUND reagierte damit aber auf einige Maßnahmen seitens der Bundesregierung, die z.B. die weitere Erkundung in Gorleben beendet und eine Klage zurücknahm (ohne aber den Standort Gorleben aus dem Suchverfahren auszuschließen). Auch der Aufbau des umstrittenen neuen Bundesamts für kerntechnische Entsorgung wurde zunächst auf Eis gelegt. Und schließlich wurde in einem Entschließungsantrag durch den Bundestag bekräftigt, dass die Kommission eine Evaluation des Gesetzes durchführen und dazu dem Bundestag Vorschläge für Veränderungen unterbreiten soll. Auch die Deutsche Umweltstiftung ist als Vertreter der Umweltverbände Mitglied der Kommission.
Gäste mit Erfahrungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei den Endlager-Projekten
Bereits auf der letzten Sitzung der AG1 im November waren Gäste eingeladen, die sich mit den Konflikten um die Atommülllagerung seit Jahren auseinandersetzen und die AG1 über ihre Einschätzungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei den drei Endlagerstandorten Morsleben, ASSE und Gorleben informierten. Vorgesehen war auch, eine Person aus der Region Salzgitter zu finden, die über diesbezügliche Erfahrungen zum Schacht Konrad berichten sollte. Dies blieb aber ohne Erfolg.
Michael Fuder berichtete über die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der ASSE, Andreas Fox über das gleiche Thema in Sachen Morsleben. Schon diese beiden Vorträge machten deutlich, dass viel Vertrauen in das staatliche Vorgehen zertrümmert worden ist.
Zur aktuellen Entwicklung bei der ASSE machte Fuder darauf aufmerksam, dass es starke Tendenzen gäbe, die mit den Begriffen „Pro-Forma-Beteiligung“ (BMUB, BfS), Staat als „Obrigkeit“ und „Gegner“ und „Geringschätzung“ zu tun hätten. Andreas Fox verwies unter anderem auf „extrem asymmetrische Verhältnisse in Hinsicht auf manpower, Finanzierung und alle anderen Ressourcen“, die eine Arbeit auf Augenhöhe bislang völlig verhindern würden.
Die Rechtsanwältin und Mediatorin Ulrike Donat ging in ihrem Vortrag über die Erfahrungen zu Gorleben hinaus und sprach grundsätzliche Probleme des gesellschaftlichen Konflikts um die Atomenergie an, deren Befassung, Würdigung und Klärung sie als unbedingt erforderlich bezeichnete, wenn es zu einer wirklichen Verständigung und Konsensbildung für die Atommüll-Lagerung kommen soll.
Das grundlegende Problem, um eine Vertrauensbasis zu entwickeln, machte Donat schon in der Einleitung ihrer Thesen klar: „Bundesregierung, Energiewirtschaft und Verwaltung sowie ein großer Teil der Parteien sind seit Beginn sog. „friedlichen Nutzung der Atomenergie“ einseitig pro Atom und auf Durchsetzung ausgerichtet gewesen, bis hin zur Laufzeitverlängerung 2010. Kommunikation erfolgte intransparent und „top down“. Durchsetzung und Kostenaspekte rangierten vor Sicherheitsinteressen der Bürger.“
Gegen diese Einseitigkeit war allein die Anti-Atom-Bewegung Garant für Sicherheit, Sicherheitsbedenken und Kontrolle. Für das Gelingen eines neuen Verfahrens zur Suche nach einem dauerhaft sicheren Atommülllager, für das es vor allem Vertrauen und Glaubwürdigkeit braucht, stellt sie Anforderungen: „Ein Neuanfang benötigt Glaubwürdigkeit für den Ansatz und für das Verfahren. Dazu wäre es hilfreich, wenn die sicherheitsrelevante Rolle der Kritiker gewürdigt wird und die Fehler der Vergangenheit von Seiten der Politik eingestanden werden. Auch die künftige Finanzierung sollte auch nach dem Ende der Atomenergienutzung gesichert werden. Weitere Laufzeitverlängerungen und eine Renaissance der Atomkraft müssen ausgeschlossen werden. Art und Menge des zu entsorgenden Mülls muß kalkulierbar sein“ und „Das Verfahren muß in einem öffentlichen Prozess gemeinsam abgestimmt werden unter neutraler, allparteilicher, geschulter Moderation“.
Anforderungen, denen sich die Kommission und die AG1 sicher stellen muss, wenn sie die bislang weitgehende Ablehnung des derzeitigen Verfahrens bei den Anti-Atom-Initiativen verändern will. Anforderungen aber auch, denen sich vor allem Betreiber, Regierungen und Behörden auch unabhängig von der Kommission stellen müssen. Denn so sehr sich die Kommission um möglicherweise gute Ansätze bemühen mag: Projekte, wie die derzeit in Planung befindliche Abschiebung von Atommüll aus Jülich in die USA oder der Versuch von E.on und anderen, sich vor den wachsenden Kosten der Atommülllagerung zu drücken, sind sicher nicht geeignet, Vertrauen in die Glaubwürdigkeit eines staatlichen Neubeginns zu fördern – um nur zwei von den vielen möglichen Beispielen zu nennen.
Die drei Vorträge von Donat, Fuder und Fox hier zum download:
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