Atommüll-Kosten sichern: Gutachten zum öffentlich-rechtlichen Fonds veröffentlicht
Während heute die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag dafür sorgte, dass das von der Bundesregierung eingebrachte und als eilbedürftig bezeichnete Konzern-Atom-Haftungsgesetz vorerst gestoppt ist, läuft die Arbeit der neuen Atom-Kommission zur Sicherung der Rückstellungen für Rückbau und Atommülllagerung an. Jetzt hat die Kanzlei GGSC und deren Anwalt Hartmut Gassner ein Gutachten im Auftrag der Grünen vorgelegt, mit dem ein öffentlich-rechtlicher Fonds etabliert werden soll, eine Variante, die die Atomkonzerne als verfassungswidrig ablehnen.
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In einer Pressemeldung hat Gassner die Eckdaten seiner Stellungnahme zusammengefasst. umweltFAIRaendern dokumentiert das hier im Anschluss. Gassner selbst ist nicht nur Mitglied in der neuen Atomkommission zur Sicherstellung der Rückstellungen. Er ist außerdem Mitglied der Atommüll-Kommission, die das Standortauswahlgesetz evaluiert, die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Standortsuche verbessern soll und die Kriterien für die dauerhafte Lagerung von Atommüll entwickeln soll.
„[GGSC] Gutachten zu Atomrückstellungen veröffentlicht
Die Frage der Sicherstellung der Finanzierung des Atomausstiegs ist aktuell ein wichtiges politisches Thema. [GGSC] hat zur Ausgestaltung eines öffentlich-rechtlichen Fonds ein Gutachten für die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen erstattet, das nunmehr veröffentlicht wurde.
1. Das vorgeschlagene Modell eines öffentlich-rechtlichen Fonds sieht vor, dass die EVU Zuführungen in diesen Fonds vornehmen.
2. Der öffentlich-rechtliche Fonds soll eine finanzielle Vorsorge sowohl für die Kosten von Stilllegung, Rückbau und Zwischenlagerung als auch für die Kosten der Endlagerung vorsehen. Ziel ist eine umfassende insolvenzfeste Absicherung. Der Fonds wird nicht operativ tätig.
3. Durch den öffentlich-rechtlichen Fonds erfolgt in Höhe der Zuführungen der EVU eine Freistellung von der Kostenlast, nicht jedoch von der Verantwortlichkeit für die Stilllegungsphase. Für den Bereich der Stilllegung und dem damit einhergehenden Rückbau der Atomkraftwerke sowie die Zwischenlagerung sind daher weiterhin die EVU allein zuständig. Durch die Freistellung von der Kostenlast erfolgt allerdings keine Begrenzung der Finanzierungsverantwortung auf die zunächst dem öffentlich-rechtlichen Fonds zugeführten Mitteln, sondern es wird stets eine aktualisierte Betrachtung der benötigten finanziellen Ressourcen vorgenommen, deren Aufkommen die EVU jeweils zu gewährleisten haben.
4. Es ist ausreichend, den öffentlich-rechtlichen Fonds ohne eigene Rechtspersönlichkeit zu gründen und von einer bestehenden Behörde verwalten zu lassen. Alternativ wäre eine rechtsfähige Ausgestaltung als Anstalt des öffentlichen Rechts oder als Stiftung des öffentlichen Rechts möglich. Für die vorgesehenen Aufgaben – Ermittlung und Fortschreibung der zu erwartenden Kosten und Verteilung dieser Kosten auf die EVU sowie Anlage und Verwaltung der Fondsmittel – kann auf eine rechtliche Verselbstständigung des Entsorgungsfonds verzichtet werden.
5. Für den öffentlich-rechtlichen Fonds sind Anlagevorgaben in Anlagerichtlinien festzulegen, die auf der einen Seite eine sichere Anlage gewährleisten, andererseits aber auch die Erwirtschaftung von Fondszinsen ermöglichen, durch die ein Teil der Kostenlast getragen werden kann. Bei der Festlegung der Anlagekriterien können die Regelungen im Versicherungsaufsichtsgesetz zur Vermögensanlage und Erfahrungen aus der Stiftungsverwaltung als Vorbild genutzt werden.
6. Der Bund sollte die Ausfallhaftung für den Fonds übernehmen, um die Insolvenzfestigkeit sicherzustellen. Die Ausfallhaftung greift dabei nur, wenn Vermögensverluste auf Grund von Verstößen gegen Anlagevorschriften entstehen. Wertschwankungen der Anlagen sind hingegen über die Nachschusspflicht durch die EVU auszugleichen.
7. Der öffentlich-rechtliche Fonds ist in der vorgeschlagenen Form verfassungsrechtlich zulässig.
8. Die bestehenden Sicherungsinstrumente sollten für den Fall der Notwendigkeit der Erhöhung der Mittel des Fonds aufrechterhalten werden. Dazu gehört insbesondere die Verlängerung der Solidarvereinbarung, durch die die Konzernmütter der Betreibergesellschaften sich zum Abschluss bzw. zur Aufrechterhaltung von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen oder harten Patronatserklärungen verpflichten. Hier sind zudem gesetzliche Vorgaben erforderlich.
9. Schließlich ist zu überlegen, ob eine Solidarhaftung der EVU eingeführt werden soll. Eine an die Schweizer Rechtslage angelehnte Regelung würde ermöglichen, dass die Kernkraftbetreiber gegenüber dem Stilllegungsfonds gegenseitig nachschusspflichtig sind, wenn einer von ihnen für die Kosten nicht mehr aufkommen kann. Allerdings ist zu beachten, dass eine Solidarhaftung der Betreiberunternehmen nach den bisherigen atomrechtlichen Regelungen nicht besteht. Eine entsprechende Rechtsgrundlage wäre unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu schaffen.“
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