Atommüll für den Schacht Konrad: Bereitgestelltes Eingangslager

HZG-Begleitgruppe-GKSS-BesuchSchachtKonrad26-11-2013182
Tunnelbau im geplanten Atommüll-Schacht Konrad. Oben soll – irgendwo – nun – möglicherweise – ein neues Eingangslager entstehen.

Wenn es Probleme mit dem Ausgang gibt, kümmert man sich doch besser um den Eingang. Bei der Lagerung von Atommüll jedenfalls hat das Bundesumweltministerium daran offenbar eine neue Freude gefunden. Weil es mit der „Endlagerung“ nirgends so richtig klappen will, zauberte die Behörde jüngst ein sogenanntes Eingangslager für die hochradioaktiven Abfälle aus dem Hut (siehe Nationales Entsorgungsprogramm). Weil das so praktisch war, soll nun noch eins obendrauf, das sogar noch raffinierter ist: Ein Eingangslager für den leicht- und mittelradioaktiven Atommüll, der im Schacht Konrad in Salzgitter versenkt werden soll und das – aufgepasst – nicht unbedingt auch in Salzgitter gebaut werden muss. Klasse. Dumm nur, dass die Menschen in der Region Salzgitter sich irgendwie verschaukelt fühlen.

Verpackt in dem Artikelgesetz, mit dem die schwarz-rote Bundesregierung im Zusammenspiel mit einem (stark grün gefärbten) Bundesrat vor allem die Finanzierung der Atommülllagerung und damit verbunden die Aussetzung des Verursacherprinzips zugunsten der Atomkonzerne regeln will, taucht dieses neue Eingangslager für viele Beteiligte völlig überraschend auf.

Im „Gesetz zur Regelung des Übergangs der Finanzierungs- und Handlungspflichten für die Entsorgung radioaktiver Abfälle der Betreiber von Kernkraftwerken“ – das man künftig vielleicht eher als „(Entsorgungsübergangsgesetz)“ erinnern wird, ist in Paragraph 3 Absatz (3) zu lesen:

„Der Dritte nach § 2 Absatz 1 Satz 1 kann ein zentrales Bereitstellungslager für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung als Eingangslager für
das Endlager Schachtanlage Konrad errichten.“

Kurz und knackig. Was die überaus schlauen Gedanken zu dieser Erfindung im Bundesumweltminsterium oder beim Bundesamt für Strahlenschutz sind, erfahren wir in den Erläuterungen zum Gesetz und zwar hier: Absatz 3 „sieht als mögliche künftige Option die Errichtung eines zentralen Zwischenlagers für radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung durch den bundeseigenen Zwischenlagerbetreiber vor. Dieses Lager soll die Funktion eines Eingangslagers für das Endlager Schachtanlage Konrad haben. Diese Option wäre nur dann zu verwirklichen, wenn sie sich nach Abwägung von Kosten und Nutzen als wirtschaftlich erweisen würde“, wird uns zunächst erklärt. Gottseidank! Geld soll also nicht leichtfertig verschwendet werden und entschieden ist schon mal noch gar nichts!

Weiter wird erklärt: „Der atomrechtliche Planfeststellungsbeschluss für das Endlager Schachtanlage Konrad beinhaltet die Festlegung, dass die Abfallgebinde „just in time“ von den Zwischenlagern abgerufen und sodann über Schiene und Straße angeliefert werden. Zusätzliche Beschränkungen beispielsweise im Hinblick auf den Wärmeeintrag einzelner Gebinde erfordern eine im Detail abgestimmte Einlagerungsreihenfolge, die durch ein Eingangslager optimiert werden könnte.“

Und weil der Planfeststellungsbeschluss mal lieber nicht wieder angefasst werden soll, regelt man ein Eingangslager a. bessser per Gesetz und betont b., dass das ja auch gar nicht am Schacht Konrad entstehen muss (dazu gleich weiter unten mehr).

In jedem Fall, so erfahren wir: „Zur Absicherung einer störungsfreien, kontinuierlichen Anlieferung und der Bereitstellung einer ausreichenden Anzahl von endlagergerecht verpackten spezifischen Abfallgebinden könnte daher ein zentrales Eingangslager zweckmäßig sein. In diesem würden die endlagergerecht verpackten Abfallgebinde zur unmittelbaren Anlieferung an das Endlager Schachtanlage Konrad zusammengeführt und von dort nach Bedarf abgerufen. Die Einrichtung müsste nach aktuellem Erkenntnisstand sicherheitstechnisch ausgelegt werden.

Ohne ein derartiges Eingangslager könnte es zu Stillständen des  Einlagerungsbetriebs im Endlager Schachtanlage Konrad mit entsprechenden Offenhaltungskosten für den Bund und zu Verzögerungen beim Räumen der dezentralen Zwischenlager kommt.

Durch das Eingangslager könnte auch ein zeitweiliger Zweischichtbetrieb des Endlagers mit einem höheren jährlichen Einlagerungsvolumen und damit eine deutlich kürzere Gesamtbetriebszeit für das Endlager Schachtanlage Konrad erreicht werden. Ein solches Vorgehen könnte neben finanziellen Aspekten insbesondere auch sicherheitstechnisch vorteilhaft sein.“ (S. 45f)

Auf diese mit dem Gesetz angestrebte Möglichkeit zum Bau eines Eingangslagers hat es in der Region rund um Salzgitter heftige und empörte Reaktionen gegeben (siehe dazu oben den Link: Durch die Hintertür…).

Während man möglicherweise im Bundesumweltministerium noch ganz berauscht von diesen tollen und echt praktischen Eingangslagern ist, sieht das Bundesamt für Strahlenschutz sich schon genötigt, zu den Befürchtungen Stellung zu nehmen.

Auf der Konrad-Seite des BfS  wird mal eindeutig klargestellt:

„Es sind nunmehr Befürchtungen in Salzgitter geäußert geworden, dass zusätzlich zu dem bisher geplanten Endlager ein derartiges Eingangslager an dem Bergwerksgelände errichtet werden könnte. Hierzu stellt das BfS als Betreiber des Endlagerprojekts Konrad fest:

  1. Die Anlieferung der Abfälle zum Endlager wird wie im Planfeststellungsbeschluss festgeschrieben über die Schiene und die Straße erfolgen. Die angelieferten Abfallgebinde werden unmittelbar nach der Eingangskontrolle unter Tage eingelagert. Eine Änderung der in der Genehmigung aus dem Jahre 2002 festgeschriebenen Vorgehensweise ist nicht geplant und nicht erforderlich.
  2. Das BfS würde die Einrichtung eines zentralen Eingangslagers begrüßen, denn es stellt aus mehreren Gründen eine Entlastung für die Region dar:Die Bestimmungen zur Einlagerung in Konrad bilden ein äußerst komplexes System ab. Die Genehmigung gibt vor, dass die Abfälle streng sortiert nach radioaktiven Stoffen, Chemie und möglicher Restwärmeentwicklung eingelagert werden müssen. Da eine oberirdische Zwischenlagerung dieserAbfallbehälter in Salzgitter nicht möglich und vorgesehen ist, müsste nach heutigem Stand sehr lange im Voraus für jedes Abfallgebinde geplant werden, zu welchem Tag es angeliefert wird. Bei tausenden von Containern, die zu unterschiedlichen Zeiten, mit unterschiedlichem Inventar an unterschiedlichen Standorten in Deutschland bereitgestellt werden müssen, stellt dies ein äußerst störanfälliges System dar. Ein zentrales Eingangslager würde dazu beitragen, die Abläufe so zu gestalten, dass
    • die Transporte möglichst reibungslos durchgeführt werden können,
    • ein Rückstau von Abfallbehältern vor der Anlage noch besser vermieden werden könnte,
    • die Gesamtbetriebszeit des Endlagers durch die Vermeidung von Stillstandzeiten und durch eine mögliche Beschleunigung der Einlagerungsabläufe verkürzt werden könnte.

    Um die genannten Verbesserungen durch ein optionales Eingangslager zu erreichen, bedarf es nicht eines Standortes in der Region oder gar an der Schachtanlage. Sofern ein solches Eingangslager errichtet werden soll, ist vielmehr allein die Anbindung an eine leistungsfähige Infrastruktur von Schiene und Straße von Bedeutung.

  3. Das BfS hat sich in der Vergangenheit deutlich gegen ein derartiges Eingangslager an bzw. in der Nähe der Schachtanlage ausgesprochen. Es gibt keinen Anlass diese Position zu verändern.
  4. Der Neubau eines Eingangslagers würde nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik erfolgen und damit die Sicherheit gegenüber der bestehenden Lagersituation in der Bundesrepublik weiter verbessern.“

Ok, also wenn es denn ein neues Eingangslager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll mit Blick auf Schacht Konrad geben sollte, dann sind vielleicht nicht die SalzgitteranerInnen die ersten Betroffenen, sondern irgendwer anders. Komisch irgendwie, dass all den Behörden erst jetzt einfällt, dass man da ganz und gar schwierige Dinge in den Planfeststellungsbeschluss für Schacht Konrad geschrieben hat. Aber vielleicht wachsen nach absolut vermasselten Flughafen-, Musikhallen- oder auch Bahnhofsprojekten bei den Verantwortlichen die Sorge, dass es auch am Schacht Konrad irgendwie schief gehen kann?

Dirk Seifert

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