Atommüll: Der lange Marsch zum „Endlager“
Wann wird es ein möglichst sicheres und dauerhaftes Lager für hochradioaktiven Atommüll geben? Im Standortauswahlgesetz ist von Anfang der 2050er die Rede. Aber kaum ein Experte hält das für realistisch. Bereits im Dezember 2014 hatte Bruno Thomauske in der Atommüll-Kommission in einem Vortrag eine von der Planung im StandAG abweichende Sicht der Zeitabläufe vorgestellt, rückgekoppelt auch auf vorherige Prognosen des „Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte“ (AKEnd) Anfang der 2000er Jahre. Thomauske kommt zu der Aussage, dass ein solches Lager wohl erst 30 Jahre später als bislang vorgesehen in Betrieb gehen dürfte.
- Der Vortrag von Bruno Thomauske hier direkt als PDF auf umweltFAIRaendern.
- Atommüll muss länger zwischengelagert werden: Zeitplan für Endlagersuche nicht zu halten
Nicht nur Thomauske hält die zeitlichen Annahmen auf dem Weg zur Inbetriebnahme eines Atommüll-Dauerlagers im StandAG für wenig realistisch. Auch aus dem Bundesamt für Strahlenschutz, immerhin zuständig für die Atommülllager ASSE, Konrad und Morsleben, ist immer wieder zu hören, dass es deutlich länger dauern dürfte, als im StandAG geschrieben steht. Während der letzten Sitzung der Kommission ist diese Frage auch Debattenthema gewesen. Auch, weil die Frage der Glaubwürdigkeit gegenüber der Öffentlichkeit davon berührt ist. Soll man einen solchen Termin im Gesetz belassen, auch wenn ihn niemand für erreichbar hält. Führt nicht umgekehrt ein späterer Termin dazu, dass im Verfahren mehr getrödelt wird? Wahrscheinlicher ist: An den Atommüll-Standorten sollen die Daten für eine gewisse Beruhigung sorgen, auch wenn am Ende klar ist, dass diese nicht einhaltbar sind. Es kann ja immer was dazwischen kommen…
- Auch die AG3 der Kommission, die sich u.a. mit den Kriterien für die Suche nach einem geeigneten Standort befasst, kam im April 2015 zu der Auffassung, dass es mehr Zeit bei der Suche und Inbetriebnahme eines solchen Atommülllagers bedarf: „Arbeitsgruppe erwartete verzögerte Endlagerung„
- In den Beratungen für das Erstellen eines Endberichts der Kommission liegen unterschiedliche Entwurfsfassungen vor, die sich auch mit der Frage der Zwischenlagerzeiten als Folge einer längeren Standortfindung befassen, z.B. hier in einem Papier (für die AG3) von Michael Sailer, Prof. Dr. Armin Grunwald, Dr. Robert Habeck mit der Drucksachen-Nummer 160 vom 15. Januar (Beratungsstand), z.B. S. 22.
Thomauske verwies in dieser Debatte vor allem darauf, dass seine Prognose auf klar benennbaren Aufgaben und Zeitabläufen basiere, die in der Summe zu dem späteren Betriebsbeginn eines solchen Atommülllagers führen würden. Das kann man zwar sicherlich an vielen Stellen auch noch kritisch diskutieren, deckt sich aber zumindest in der Tendenz mit den Aussagen anderer Akteure in diesem Feld.
Eine derart deutliche Verschiebung der Inbetriebnahme eines zu findenden Dauerlagers wird massive Folgen auch für das Konzept der Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle in Castor-Behältern in den dezentralen Zwischenlagern sowie Gorleben, Ahaus und Lubmin haben. Bei den letzteren laufen die Betriebsgenehmigungen bereits um die Mitte der 30er Jahre aus, bei den dezentralen Zwischenlagern an den Noch-AKW-Standorten dann um die Mitte der 40er Jahre. Angesichts der Prognosen von Bruno Thomauske müsste die Zwischenlagerzeit dann noch mal um mindestens 40 – 60 Jahre verlängert werden, bis nicht nur ein Dauerlager in Betrieb ist, sondern die Behälter dann irgendwann dort auch eingelagert sind.
Doch können wir uns eigentlich angesichts zunehmender Risiken und Gefährdungslagen eine oberirdische Zwischenlagerung über derart lange Zeiträume leisten? Robert Habeck, Schleswig-Holsteins grüner Atomminister, warnt davor, dass wachsende Terrorrisiken den Druck, ein Dauerlager zu finden, deutlich erhöhen und mahnt zur Eile. Doch es geht nicht um die Frage Eile oder nicht. So oder so würde der hochradioaktive Müll mindestens 30- 50 Jahre oberirdisch gelagert bleiben. Was Habeck mit dem Terrorhinweis eigentlich an Frage aufwirft: Können wir uns die derzeitige Form der (dezentralen) Zwischenlagerung selbst mit nachgerüsteten Hallen angesichts der Krisenentwicklung und wachsender Terror-Gefahren noch leisten oder müssen nicht gänzlich andere Sicherheitskonzepte für die Lagerung hochradioaktiver Brennelemente auf die Tagesordnung, bevor sie irgendwann tief unter die Erde kommen?
Die Bundesregierung deutet dies vorsichtig mit einem „Eingangslager“ im Nationalen Entsorgungsprogramm (NaPro) an. Habeck spricht davon, drei oder vier deutlich besser als die derzeitigen Zwischenlager gesicherte neue zentrale Atommülllager zu bauen. So richtig deutlich will an diese Frage aber derzeit niemand ran. Nicht nur, weil es enorme Kosten mit sich bringen würde und die Konsequenz hätte, dass ca. 1.900 Castor-Behälter quer durch die Republik von rund 15 Standorten zu den drei – vier neuen Lagern rollen müssten.
ach, ich bin immer noch für überirdisch. die vorteile sind einfach nicht von der hand zu weisen …