Spurensuche Hitlers Bombe – Atomforschung in Nazi-Deutschland – Video-Dokumentation
Über die Entdeckung der Kernspaltung und den Stand der Atomforschung in Nazi-Deutschland berichtet eine Video-Dokumentation aus dem Jahr 1992. Darin kommen die damals noch lebenden Wissenschaftler Carl-Friedrich von Weizsäcker und Erich Bagge zu Wort, die zu den maßgeblichen Atomforschern in Nazi-Deutschland gehörten. Bagge war Mitglied der NSDAP und gründete gemeinsam mit Kurt Diebner später die Atomforschungsanlage GKSS in Geesthacht bei Hamburg.
Das Video ist hier bei Youtube zu sehen (siehe auch unten).
- Spurensuche: „Hitlers Bombe“ – Nazi-Forschung und Entwicklung an einer militärischen Nutzung der Atomenergie und ein Ausblick auf die Debatte um die Atombewaffnung in der jungen Bundesrepublik Deutschland der 50er Jahre.
- Atomforschungsanlage GKSS – Forschung an der Atombombe?
Über Weizsäcker berichtet die Welt vor kurzem: „Carl Friedrich von Weizsäcker hat wohl gelogen. Neue Briefe des Nobelpreisträgers Werner Heisenberg zeigen, wie sehr der Physiker seinem Schüler und dessen Arbeit im NS-Atombombenprogramm misstraute.“ Weizsäcker hatte – wie auch andere Beteiligte – immer wieder versucht, das Streben nach einer Atombombe für Hitler zu relativieren und phasenweise sogar eine Darstellung betrieben, als hätten Wissenschaftler wie Heisenberg und er die Atombombe für Hitler hintertrieben zu haben. In dem Artikel heißt es u.a. anderem: „Hier findet man seinen Schüler Carl Friedrich von Weizsäcker, von dem inzwischen bekannt ist, wie dreist er die Nachwelt belogen hat. Weizsäcker hat uns vorgeschwindelt, in Deutschland habe man sich in den Kriegsjahren nur mit „wärmeliefernden Maschinen“ beschäftigt, während man inzwischen weiß, dass er mehrere Patente auf Plutoniumbomben erworben hat.“
Die Doku versucht mit dem Stand Anfang der 90er Jahre detailliert die bis dahin bekannten Atom(waffen)-Forschung in Nazi-Deutschland aufzuarbeiten, bezieht sich dabei unter anderem auf die Berichte über die Internierung zehn führender deutscher Forscher in Farm Hall (Großbritannien). Dort wurden die Forscher vom britischen Geheimdienst für rund zehn Monate interniert und ausgiebig über deren Forschungsarbeiten befragt. Während der gesamten Zeit wurden die deutschen Atomforscher abgehört.
Jedenfalls war Bohr nach dieser Unterhaltung fest davon überzeugt, daß Heisenberg an Kernwaffen arbeitete. Wie Aage Bohr sich später erinnerte, „kam Heisenberg auf die Frage nach den militärischen Anwendungsmöglichkeiten der Atomenergie zu sprechen. Mein Vater war sehr zurückhaltend und zeigte sich skeptisch wegen der großen technischen Schwierigkeiten, die gemeistert werden müßten, doch hatte er den Eindruck, Heisenberg sei der Ansicht, die neuen Möglichkeiten könnten den Ausgang des Krieges entscheidend beeinflussen, falls er sich länger hinziehen sollte“.“
- Bundesrepublik und Atomwaffen: “Finger am Abzug” – Spurensuche zur Geschichte der Urananreicherung
- Atommülllager ASSE: Strahlenschrott aus der Nazizeit und militärisches Erbe?
- Kostenlos als PDF-Download – mit Unterstützung von umweltFAIRaendern.de – gibt es hier ein Buch über die Aktivitäten der jungen Bundesrepublik um den Zugriff auf die Bombe: Atomenergie: Bonn und die Bombe
Es lohnt sich, den Bericht in „Spektrum“ selbst zu lesen, um nachzuvollziehen, wie überaus schwierig die Spurensuche über die Atomforschung in Nazi-Deutschland war und ist. Es geht dort um die auch in der Video-Dokumentation enthaltene Skizze, die Bohr nach seiner Flucht aus dem besetzten Dänemark in die USA, den dortigen Atomwaffenforschern übergeben hat. Die Skizze soll das Grundprinzip eines Uran-Reaktors enthalten haben, die Bohr offenbar angesichts fehlender Kenntnisse für eine Bombe gehalten habe. Erst Ende 1943 in den USA erklärten ihm dortige Fachleute, dass es sich um einen Reaktor handeln würde. Doch ob es diese Skizze wirklich gab, ob sie tatsächlich von Heisenberg 1941 an Bohr in Kopenhagen übergeben wurde oder ob Bohr sie später auf Basis der Gespräche mit Heisenberg angefertigt hatte, konnte bis in die 90er Jahre nicht zweifelsfrei aufgeklärt werden (ob das inzwischen gelungen ist, entzieht sich meiner Kenntnis).
- Otto Hahn – Vor der Kernspaltung das Giftgas
- Die Atombombe kam aus Deutschland – Ein Bericht von RBB
Der Autor Jeremy Bernstein stellt beeindruckend dar, wie kompliziert die Rekonstruktion dieser historischen Bausteine ist, selbst wenn es damals noch die Möglichkeit gab, mit einzelnen direkt beteiligten Personen persönlich zu sprechen.
- Im Februar 2002 sind die „Bohr-Briefe an Heisenberg im Internet veröffentlicht“ worden. In der Unterzeile heißt es: „Diskussion um Rolle deutscher Physiker bei der Entwicklung der Atombombe für die Nazis neu entfacht“. Die Original-Quelle im Internet ist http://www.boa-muenchen.org. Diese Seite habe ich auch hier in meinem Blog eingebaut, um im Falle einer Abschaltung der Quelle die Dokumente hier weiter verfügbar zu halten.
Auch Mark Walker kommt in der Video-Dokumentation vielfach zu Wort. Vor allem Walker hat mit seinen Untersuchungen zum Stand der Atomforschung in Nazi-Deutschland wichtige Beiträge geliefert.
Die Süddeutsche berichtet 2010 über eine Veranstaltung mit Karlsch und Walker: „“Es gab keine deutsche Atombombe“, sagte Mark Walker, ein New Yorker Wissenschaftshistoriker, der mit „Die Uranmaschine“ ein Standardwerk über das Kernwaffenprogramm der Nazis geschrieben hatte und deshalb mit auf dem Podium saß. Zumindest keine Atombombe, die mit dem, was die Amerikaner später auf Nagasaki abwarfen, vergleichbar gewesen wäre. Das aber würde Karlsch in dem Buch auch nicht behaupten. Alles, was er beschreibe, seien Versuche, eine Art von Kernwaffe zu bauen. Er habe, sagt Walker, Rainer Karlsch davor gewarnt, die Ergebnisse jener Versuche als Atombomben zu bezeichnen. Die Verwirrung, die dies in den Medien ausgelöst habe, sei vorherzusehen gewesen.“
Was Karlsch in seinem Buch herausarbeitet und mit vielen Hinweisen zu untermauern versucht, ist in der Tat im klassischen Sinn keine Atombombe, sondern der Versuch, über Hohlladungs-Sprengungen eine nukleare Reaktion auszulösen. Diese Art von „Atomwaffe“ würde heute mit dem Stichwort „Mini-Nukes“ bezeichnet werden.
Weiter schreibt die Süddeutsche: „Walker bemühte sich, die eigentlichen Rechercheleistungen des Buches hervorzuheben. Karlsch hatte in Moskauer Archiven beispielsweise eine Rede Heisenbergs entdeckt, nach der er, Walker, vergeblich gesucht hatte. Er hatte außerdem zeigen können, dass es neben Heisenberg eine Gruppe bislang unterschätzter deutscher Wissenschaftler gegeben hatte, die im Auftrag der SS arbeitete und offenbar weniger Skrupel hatte, eine solche Waffe zu entwickeln, als Heisenberg und Kollegen.“ (Und direkt im Anschluss schreibt der SZ-Autor: „Sie scheiterten letztlich daran, dass sie für die Bombe nicht ausreichend spaltbares Material hatten. Der Reaktor, in dem sie versuchten Uran anzureichern, lief, wenn überhaupt, nur wenige Tage.“)