Tschernobyl mahnt: Europa ohne Atom – Ausstieg beschleunigen
Dreißig Jahre nach dem Super-GAU von Tschernobyl muss der Atomausstieg in Deutschland und endlich auch in Europa forciert werden. Das war heute (15.4.) erneut Thema im Plenum des Bundestags. „Wir LINKEN haben bereits in der letzten Sitzung im Angesicht der Jahrestage der Katastrophen von Fukushima und Tschernobyl und unter dem Eindruck der Ereignisse um die Risiko-Reaktoren Tihange, Doel, Cattenom, Fessenheim und anderen einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der in vielen Punkten die gleiche Stoßrichtung wie die jetzt vorgelegten Anträge der Grünen hat,“ stellte Hubertus Zdebel, Sprecher für Atomausstieg der Fraktion DIE LINKE in seiner Rede fest.
- Über die Debatte in formiert die Seite des Bundestags hier. Dort ist die Debatte auch als Video anzusehen. Die Rede von Hubertus Zdebel ist unten im Wortlaut.
- Bereits zur letzten Bundestagsitzung hatte DIE LINKE diesen Antrag eingebracht: Atomausstieg beschleunigen – in Deutschland und Europa
Weiter sagte er: „Wir müssen den Ausstieg in Deutschland forcieren, wir müssen dabei auch die bislang beim Atomausstieg „vergessenen“ Uranfabriken in Gronau und Lingen endlich mit einbeziehen. Diese versorgen brandgefährliche Atommeiler nicht nur in Belgien und Frankreich mit Brennstoff. Die deutsche Beihilfe zu einem nächsten Super-GAU im Ausland muss beendet werden, am besten sofort.“
Zudem müssten die Konzerne, die sich „jahrzehntelang eine goldene Nase“ mit der Atomkraft verdient hätten, an den MIlliardenkosten für den Ausstieg beteiligt werden und dürften diese nicht auf den Steuerzahler abwälzen, fügte der Abgeordnete hinzu.
Die Regierung forderte er auf, endlich die Blockade zum erforderlichen Nachhaltigkeitsgesetz zu zu beenden und dessen Verabschiedung zu ermöglichen. Dass die Union dies blockiere, sei „ein Skandal“. Schwarz-rot müsse sich außerdem stärker dafür einsetzen, dass weitere Reaktoren in Europa abgeschaltet werden. Sie dürfe „der Atomlobby nicht das Feld überlassen“. Es brauche eine Alternative zum Euratom-Vertrag und daher eine „europäische Ausstiegsdebatte“. Nicht zuletzt sei diese angesichts der aktuellen Terrorgefahren besonders nötig.
Die Rede im Wortlaut hier:
Fukushima und Tschernobyl mahnen: Atomausstieg beschleunigen!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In diesen Tagen gedenken überall auf der Welt Menschen der Atomkatastrophen von Fukushima und Tschernobyl, die für Hundertausende Menschen Leid, Tod und Vertreibung zur Folge hatten und noch immer zur Folge haben. Beide Katastrophen müssen für uns alle eine Mahnung sein, dafür einzutreten, dass sich so etwas nirgends auf der Welt wiederholt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Atomenergie ist in allen Anwendungen derart zerstörerisch und letztlich nicht zu beherrschen, dass wir sie aus dieser Welt verbannen müssen, sowohl in Form von Atomwaffen als auch als Stromerzeugungsenergie in Atomkraftwerken.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir Linken haben bereits in der letzten Sitzung angesichts der Jahrestage der Katastrophen von Fukushima und Tschernobyl und unter dem Eindruck der Ereignisse zum Beispiel um die Risikoreaktoren Tihange, Doel, Cattenom und Fessenheim und anderen einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der in vielen Punkten die gleiche Stoßrichtung wie die nun vorgelegten Anträge der Grünen hat. Wir müssen den Ausstieg in Deutschland forcieren. Wir müssen dabei auch die bislang beim Atomausstieg vergessenen Uranfabriken in Gronau und Lingen endlich einbeziehen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Diese versorgen brandgefährliche Atommeiler nicht nur in Belgien und Frankreich mit Brennstoff. Die deutsche Beihilfe zu einem nächsten Super-GAU im Ausland muss beendet werden, am besten sofort.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Dazu gehört auch, dafür zu sorgen, dass die Konzerne, die sich jahrzehntelang eine goldene Nase mit der Atomenergie verdient haben, für die Milliarden Euro an Kosten des Atomausstiegs tatsächlich aufkommen und diese Kosten nicht bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern landen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen fordert die Linke gerade mit Blick auf die für Juni geplante Aufspaltung von Eon, das Nachhaftungsgesetz endlich im Bundestag zu verabschieden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist ein absoluter Skandal, dass das die ganze Zeit von der CDU/CSU-Fraktion blockiert wird, mit allen Milliardenrisiken, die damit verbunden sind.
(Zuruf von der LINKEN: Eine Schande!)
Da radioaktive Wolken keine Grenzen kennen, müssen die Atomgefahren in Europa insbesondere mit Blick auf die Uraltreaktoren verringert werden. Die Ängste der Menschen in den Grenzregionen zu Frankreich und Belgien – fahren Sie einmal nach Aachen! – sind weder irrational noch übertrieben. Hier kann und darf sich die Bundesregierung nicht länger diplomatisch zurückhalten und der Atomlobby im Ausland das Feld überlassen. Es braucht einen Atomausstieg in Europa, und das muss die Bundesregierung in ihrem Handeln in allen europäischen Gremien endlich deutlich machen. Sie muss die Initiative ergreifen und Vorschläge entwickeln.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das gilt auch für den Euratom-Vertrag; denn Euratom verfestigt die Förderung der Atomenergie und dient einzig der Atomlobby. Wir fordern stattdessen, den Euratom-Vertrag aufzulösen und zu einer Einrichtung einer alternativen europäischen Gemeinschaft zur Förderung von erneuerbaren Energien und Energieeinsparungen zu kommen. Das wäre der richtige Weg.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In diesem Sinne freuen wir uns, gemeinsam mit den Grünen in den Ausschüssen für eine europäische Atomausstiegsdebatte mehr Druck auf die Regierung zu machen. Es gibt Gründe genug, die Atommeiler endlich abzuschalten.
Ein neuer und beklemmender Grund sind die wachsenden Terrorgefahren. Die Ereignisse in Belgien und Frankreich sollten uns allen eine Warnung sein. Erst gestern war zu lesen, dass Terrorverdächtige eventuell auch die ehemalige Atomforschungsanlage in Jülich ausgespäht haben. Das sei nur einmal erwähnt, auch wenn es nun unterschiedliche Meldungen dazu gibt. Es ist bislang nicht geklärt, ob das stimmt.
(Widerspruch des Abg. Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU))
– Hören Sie lieber zu!
Unabhängig davon wurde gestern bekannt, dass im AKW Philippsburg in Baden-Württemberg ein Mitarbeiter eine regelmäßige Prüfung an einem Störfallmonitor zwar dokumentiert, tatsächlich aber nicht durchgeführt hatte. Gleiches hat sich offensichtlich auch am AKW Biblis in Hessen 2014 und 2015 ereignet. Das spricht in erster Linie für schwere Mängel in der Sicherheit. Wir Linken erwarten, dass sich die Bundesatomaufsicht dieser Fälle annimmt und den Ausschuss für Reaktorsicherheit umfassend über diese ganzen Vorgänge informiert.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage zum Schluss noch etwas zu Herrn Kanitz. Richtig ist: Wir sollten keine Panik machen. Da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Aber die Relativierung, die Sie dauernd betreiben, geht meines Erachtens auch nicht. Richtig ist vor allen Dingen, dass die noch in Betrieb befindlichen AKWs, die zur Stromproduktion nicht gebraucht werden, ein viel zu großes Risiko darstellen. Das wird immer deutlicher. Wir haben die Alternative, die Gefahren zu reduzieren, bevor es zu spät sein könnte. Abschalten heißt die einzige Möglichkeit.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)