Atommüll und die Kommission: Konflikte nehmen zu

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Keine Konsequenzen aus dem Brunsbüttel-Urteil für andere Atomanlagen. Das meint der Staatssekretär Jochen Flasbarth (links) aus dem BMUB. Foto: Dirk Seifert

Kontrovers ging es gestern bei der Sitzung der Atommüll-Kommission im Berliner Bundestag zu. Das Urteil des OVG-Schleswig, das zur Aufhebung der Genehmigung für das Castor-Zwischenlager von Vattenfall in Brunsbüttel sorgte, schlägt heftige Wellen. An vielen AKW-Standorten bereiten Initiativen und Verbände bereits Klagen entweder gegen die Zwischenlager vor, deren Sicherheitsnachweise nach dem Urteilsspruch nicht ausreichend erbracht sind. Oder es geht direkt gegen die Atommeiler, deren Schutz gegen Terrormaßnahmen wie Flugzeugabsturz oder Beschuss mit panzerbrechenden Waffen nicht ausreichend ist.

Der BUND hatte eine umfassende Bewertung des Urteils vorgelegt und darin die aus seiner Sicht notwendigen Konsequenzen dargestellt. Die Stellungnahme steht hier als PDF zum download bereit und ist auch auf der Seite der Kommission unter den Drucksachen zu finden.

Über den Verlauf der Kommissionssitzung berichtet der Bundestag auf dieser Seite. Wie inzwischen üblich, fasst auch der BUND als Mitglied der Kommission die wichtigsten Aspekte der Sitzungen jeweils zusammen und veröffentlicht diese auf  seiner Homepage. Der Text folgt gleich unten als Dokumentation.

Der Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel (*), Sprecher für Atomausstieg der Fraktion Die Linke und ebenfalls Mitglied der Kommission, fasst die Sitzung auf seiner Homepage unter dem Titel „Atommülllagerung nach dem Brunsbüttel-Urteil: Probleme sollen kleingeredet werden“ zusammen.

Im Blick behalten

Klar war, dass es auf der Sitzung keine abschließende Befassung zum Thema „Brunsbüttel-Urteil und die Folgen“ geben konnte. Auf der Kommissions-Seite heißt es: „In der Kommission war zudem umstritten, ob die Beschäftigung mit der Zwischenlager-Problematik zum Auftrag der Kommission gehört oder nicht.“ Im Bericht vom BUND zur Sitzung wird festgehalten: „Einen Beschluss gab es nicht. Die Arbeitsgruppen sollen das Thema „im Blick behalten“.

E.on, die Verfassungsklage und die Kommissionsarbeit

Die Frankfurter Rundschau berichtet mit Blick auf die Verfassungsklage von E.on gegen wesentliche Punkte des Standortauswahlgesetzes unter der Überschrift „Der Atomkonsens wackelt„. In der Kommission ist E.on mit einem Vertreter Mitglied. Der Artikel von Joachim Wille, der vor einiger Zeit deutlich für eine Teilnahme von Umweltverbänden an der Kommission plädiert hatte, sieht nun wachsende Probleme einer Konsensbildung, nachdem E.on mit seinen Klagen auch den Verzicht auf das Atommüll-Zwischenlager in Gorleben angreift und dazu letzte Woche eine Verfassungsklage eingereicht hat. Dieser Verzicht auf Gorleben als Zwischenlager für die noch ausstehenden Castor-Transorte mit Atommüll aus Frankreich und England, war die Voraussetzung für die Zustimmung von Niedersachsen zum Standortauswahlgesetz, in dem der Salzstock Gorleben aber weiterhin als mögliches „Endlager“ im Verfahren bleibt.

Wille berichtet zutreffend über die von grünen Landesministern und dem Staatssekretär im Bundesumweltministerium und dem Linken Bundestagsabgeordneten vorgetragene Kritik an diesen Klagen, die für die Kommissionsarbeit als „verheerend“ bezeichnet wurden. Dann schreibt Wille weiter: „Der Vertreter des Umweltververbands BUND in der 34-köpfigen Kommission, Klaus Brunsmeier, sagte an die Adresse des Eon-Managers Bernhard Fischer: „So geht das nicht weiter.“ Einen Konsens zu erreichen, werde zunehmend unmöglich. Jörg Sommer, Vorsitzender der Deutschen Umweltstiftung, hatte vor der Sitzung indirekt sogar das Ausscheiden der Vertreter der Atombranche gefordert: „Wenn die Endlagerkommission nicht eindeutig erklärt, dass auf dieser Grundlage keine weitere Mitwirkung der Atomlobby in der Kommission möglich ist, macht sie sich unglaubwürdig.““

Völlig unerwähnt bleibt: Jörg Sommer war auf der gestrigen Sitzung gar nicht anwesend und wohl am deutlichsten formulierte der linke Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel die Kritik. Auf der Seite des Bundestages wird richtigerweise festgestellt: „Zdebel warf in Anbetracht der Klage die Frage nach der Zusammensetzung der Kommission und des Stimmrechts der Vertreter der Energieunternehmen auf.“ Dazu müsste das Standortauswahlgesetz bzw. der Bundestag einen Beschluss fassen, da die Mitglieder von ihm ernannt worden sind. Niemand in der Kommission griff diese Frage dann im Konkreten auf. Vielleicht auch, weil der E.on-Manager Bernhard Fischer nicht ausschloss, die Klage zurückzuziehen, wenn die laufenden Gespräche mit der Bundesregierung aus Sicht des Atomkonzerns positiv verlaufen.

Keine Lösung für Rücknahme der WAA-Castoren. Künftig Lubmin?

Über die Deals schreibt Wille nicht nur in der FR, sondern gemeinsam mit Jörg Staude auch bei den Klimarettern. Unter dem Titel „Politischer Handel mit Castoren“ stellen die beiden Journalisten noch mal die vertrackte Situation dar, die sich für die Auslands-Castoren und die Suche nach einem Nicht-Gorleben-Standort nun ergeben. Zu den von Fischer angedeuteten Gesprächen für einen Deal mit der Bundesregierung heißt es in dem Text: „Auf den sich langsam abzeichnenden „Handel“ mit den Castoren ging im öffentlichen Teil der Sitzung verständlicherweise niemand ein. Baden-Württembergs Minister Untersteller brachte seinerseits nur noch das Zwischenlager Lubmin bei Greifswald ins Spiel, das ja dem Bund gehöre und wo eine, so die unausgesprochene Idee, Einlagerung von Castoren möglicherweise leichter zu bewerkstelligen wäre. (Auch der ehemalige Vattenfall-Manager Bruno Thomauske hatte in der Sitzung auf Lubim hingewiesen.) Umweltsstaatssekretär Jochen Flasbarth reagierte auf den brisanten Vorschlag sofort mit der Frage, ob es zumutbar sei, dem praktisch atomkraftfreien Osten des Landes diese Altlasten aufzubürden?

Außerdem greifen die Autoren die Forderung von schleswig-holsteins Energieminister nach einem „nationalen Zwischenlagerkonzept“ auf und berichten: „Man müsse darüber nachdenken, „größere, sicherere Zwischenlager an anderen Standorten zu bauen“, die dann die bisher an den AKW-Standorten eingelagerten Castor-Behälter aufnehmen sollen.“

Ein Hinweis, der im Grundsatz nicht von Habeck stammt, sondern den das Bundesumweltministerium in dem Entwurf zum Nationalen Entsorgungsprogamm bereits auf den Tisch gepackt hat. Dort ist die Rede von einem „Eingangslager“.

Auf der Seite des Bundestags wird auch die grüne Abgeordnete Sylvia Kotting-Uhl zitiert. In Anbetracht der E.on-Klage, der Brunsbüttel-Entscheidung und des ungeklärten Verbleibs der im Ausland weilenden Castor-Behälter, zog sie „ein ernüchterndes Fazit“ der Kommissionsarbeit. Die kleinen Fortschritte in Sachen Vertrauensaufbau, die die Kommission mache, würden durch solche Sachen zunichte gemacht. „Wir können uns hier die Arbeit eigentlich sparen. Das macht wirklich so keinen Sinn“, sagte Kotting-Uhl. Allerdings eine eher symbolische Äußerung, denn sie gehört zu denen, die die von vielen Umwelt- und Anti-Atom-Verbänden kritisierte Kommission gegen alle Kritik verteidigt hatte.

Die Kontroverse um das Brunsbüttel-Urteil betont – stark angelehnt an den Bericht des Bundestags – Solarify. Dort lautet der Titel „Auftrag der Endlager-Kommission strittig“ und „Brunsbüttel-Urteil entzweit Mitglieder“.

Dokumentation des BUND-Berichts:

„Bericht vom Treffen der Atommüll-Kommission am 2.2.

In der neunten Sitzung der Atommüll-Kommission ging es vor allem um zwei Themen: Die Situation an den Atommüll-Zwischenlagern und das weitere Vorgehen zur Beteiligung der Öffentlichkeit. Außerdem wurde aus aktuellem Anlass erneut über die Klagen der AKW-Betreiber gesprochen.

Brunsbüttel Urteil: BUND legt Papier zu den Konsequenzen vor

Nach der Aufhebung der Genehmigung für das Atommüll-Zwischenlager in Brunsbüttel beschäftigte sich die Atommüll-Kommission mit der Frage: Welche Konsequenzen trägt das Urteil nach sich? Der BUND hatte dazu ein eigenes Papier vorgelegt. Darin wird deutlich, dass das Brunsbüttel-Urteil eine Zäsur für die gesamte Atommülllagerung darstellt und Auswirkungen auf alle anderen Zwischenlager sowie AKWs hat. Der BUND fordert, dass die Sicherheit von allen Zwischenlagern dringend überprüft werden muss. Bis zu einem Sicherheitsnachweis dürfen keine weiteren Castoren eingelagert werden. In der Kommission blieb es jedoch bei einer Debatte. Das Umweltministerium (BMUB) und Ländervertreter sehen trotz des Urteils immer noch kein Sicherheitsproblem. Die Kommissionvorsitzenden zeigten sich skeptisch, dass sich die Kommission auch intensiv mit dem Thema Zwischenlager beschäftigt. Einen Beschluss gab es nicht. Die Arbeitsgruppen sollen das Thema „im Blick behalten“.

Einig war sich die Kommission darin, dass es für die Arbeit in der Kommission zentral ist, dass endlich eine Lösung für die noch im Ausland lagernden Castor-Behälter gefunden wird. Es handelt sich dabei um Castoren aus Wiederaufbereitungsanlagen in Großbritannien und Frankreich. Nach dem Wegfall der Genehmigung für Brunsbüttel steht nur noch die politische Zusage aus Baden-Württemberg für das Lager in Philippsburg.

Noch eine Verfassungsbeschwerde von Eon

In der letzten Woche war eine weitere Klage von Eon bekannt geworden. Eon hat nun auch eine Verfassungsbeschwerde gegen den Verzicht auf weitere Castor-Transporte nach Gorleben und die damit verbundenen Kosten für die Nachrüstung anderer Zwischenlager eingereicht. Der BUND hat klargemacht, dass diese Klagen und eine weitere Mitarbeit der Vertreter der AKW-Betreiber in der Kommission nicht zusammenpassen. Auch weitere Kommissionsmitglieder äußerten sich kritisch dazu. Eine konkrete Klärung blieb erneut aus, wird in den nächsten Sitzungen aber unbedingt erfolgen müssen.

So geht es weiter in der AG Öffentlichkeitsbeteiligung

In ihrer Sitzung am 22. Januar beschäftigte sich die AG Öffentlichkeitsbeteiligung mit dem Konzept der Beteiligung der Öffentlichkeit an der Arbeit der Kommission. Dazu hatte sie vier ExpertInnen geladen, die eine Weiterentwicklung des Konzeptes unterstüzt haben. Bei der gestrigen Sitzung der Atommüll-Kommission wurde den konkreten Vorschlägen zur Weiterarbeit weitestgehend zugstimmt:

  • Eine Auftaktveranstaltung für die Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit soll um Pfingsten stattfinden.
  • Es soll ein konkretes Konzept für die Beteiligung der Öffentlichkeit während der Kommissionsarbeit mit Unterstützung eines externen Dienstleisters entwickelt werden.

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(*) Der Autor dieses Artikel arbeitet als wissenschaftlicher Referent für den Bundestagsabgeordneten Zdebel.

Dirk Seifert

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