Alle mal Endlager suchen – Töpfer zeigt den Weg

ESG-facebook-shareHinter den Kulissen wird geschoben. Um noch vor der Sommerpause ein Endlagersuchgesetz auf den Weg zu bringen, ist Eile angesagt. Während sich die Parteispitzen, FraktionschefInnen und MinisterInnen offenbar im regen Austausch befinden, bleiben Anti-Atom-Bewegung wie auch sonst BürgerInnen weiter außen vor. Als Öffentlichkeitsbeteiligung soll ein Gremium von 24 Personen fungieren. Nachdem im Bundestag die Grundzüge und wichtigsten Bausteine zur Endlagersuche beschlossen sind, sollen diese 24 Personen bis Ende 2015 die Sicherheitskriterien erarbeiten, die künftig für die Endlagerung gelten sollen. Deren Ergebnisse haben jedoch lediglich einen Empfehlungscharakter. Bundesrat und Bundestag können, aber sie müssen diese Empfehlungen nicht übernehmen.

Siehe auch: Atommüll-Endlagersuche von Demokratiewelle überrollt – 24 für den Konsens

Den Vorsitz dieser Kommission könnte der ehemalige Bundesumweltminister und ehemaliger Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) Klaus Töpfer übernehmen, der bereits nach Fukushima die von der Bundesregierung eingesetzte Ethikkommission leitete. Töpfer soll von verschiedenen Seiten vorgeschlagen worden sein, Widerstände gäbe es nicht.

NTV berichtet: „Die 24 Mitglieder sollen bis Ende 2015 die Grundlagen der Endlager-Suche erarbeiten. Aus der geänderten Fassung des Gesetzentwurfs geht laut „FAS“ hervor, dass der Bundestag sechs Abgeordnete und die Landesregierungen zusammen sechs Vertreter entsenden dürfen. Die anderen zwölf Sitze würden sich auf Vertreter der Wissenschaft (vier) sowie von Umweltverbänden, Kirchen, Wirtschaft und Gewerkschaften (jeweils zwei) verteilen.“

Von Seiten der Umweltorganisationen und Anti-Atom-Gruppen wird gefordert, das Gesetz nicht jetzt, sondern erst dann zu beschließen, wenn die Kommission Ende 2015 ihren Bericht fertig gestellt hat. Dabei soll die Kommission nicht nur die Sicherheitsanforderungen, sondern auch weitere Rahmenbedingungen für die Endlagersuche diskutieren und Empfehlungen aussprechen. So würden in allen relevanten Fragen Vorfestlegungen vermieden und auf Basis der Kommissions-Empfehlungen könnte dann im gesellschaftlichen Konsens ein Gesetz beschlossen werden.

Siehe auch: Anti-Atom-Gruppen lehnen Kompromiss zum Endlagersuchgesetz ab

Doch die Parteien wollen es anders: Noch vor der Sommerpause soll ein Endlagersuchgesetz im Bundestag beschlossen werden, in dem zahlreiche Vorfestlegungen getroffen werden, die das künftige Suchverfahren festlegen.

U.a. soll eine neue Behörde für die Endlagersuche eingerichtet und das bisher für Endlagerfragen zuständige Bundesamt für Strahlenschutz in seinen Aufgaben eingeschränkt werden. Für diese neue Behörde dürfte Michael Sailer nominiert werden, derzeit Chef der Entsorgungskommission und Mitglied der Reaktorkommission. Sailer ist außerdem Chef des Öko-Instituts und gilt als Strippenzieher des aktuellen Verfahrens. Seine Vorschläge zum Vorgehen in der Endlagersuch-Frage sind nach dem Regierungswechsel in Baden-Württemberg Mitte 2011 von Kretschmann und Untersteller komplett übernommen worden.

Kritik gibt es aber auch daran, dass dieses Gesetz die Klagerechte der am Ende betroffenen BürgerInnen massiv einschränken würde, da am Ende des Verfahrens der Bundestag ein Gesetz über einen konkreten Standort beschließen soll.

Grüne und Teile der SPD setzen mit diesem Verfahren darauf, dass Gorleben bei der Festlegung der Sicherheitsanforderungen durch die 24er-Kommission ausscheiden wird. Sie sind überzeugt: Wenn es eine wirklich ergebnisoffene Suche bzw. Kriteriendiskussion gibt, dann werden die heute bekannten Defizite des Salzstocks für den Ausschluss von Gorleben sorgen.

Die Atomwirtschaft steht dem ganzen Kritisch gegenüber. Sie verweist darauf, dass Gorleben als Standort geeignet und eine Suche nach Alternativen nicht erforderlich sei. Vor allem aber: Da sie bereits 1,6 Mrd. Euro in Gorleben investiert habe, würden sie sich an den neuen Kosten nicht beteiligen. Damit sind Klagen in jedem Fall vorprogrammiert.

Die Atomunternehmen müssen aber auch in einer anderen Sache zustimmen und mitmachen. Damit es zu einem Parteien-Kompromis unter Einschluss von Gorleben kommen kann, soll zunächst kein weiterer Atommüll nach Gorleben transportiert werden. Da aber aus La Hague und Sellafield insgesamt 26 Container mit mittel- und hochradioaktivem Atommüll zurück nach Deutschland müssen, braucht es einen anderen Lagerort. Dafür kommen aber eigentlich nur die Atommüll-Zwischenlager an den AKW-Standorten in Frage. Allesamt im Eigentum von Vattenfall, E.on, RWE und EnBW. Bundesumweltminister Altmaier setzt vor allem auf das Vattenfall-Lager in Brunsbüttel, das auch von Schleswig-Holsteins rot-grüner Landesregierung angeboten wurde ;sofern auch andere Bundesländer bereit sind, einen Teil des Atommülls aufzunehmen.

Siehe auch: Riskantes Spiel: Endlager-Deal braucht Zustimmung durch Atomkonzerne

Damit aber sieht es derzeit schlecht aus: Lediglich Baden-Württemberg wäre dazu bereit, Philippsburg könnte ein Standort sein.

Problem ist aber auch: Es braucht die Unterstützung von Vattenfall und EnBW für diesen Deal. Denn die Betreiber müssten entsprechende Genehmigungsanträge stellen, damit der Müll überhaupt in diese Atommülllager in Brunsbüttel und Philippsburg kann. Vattenfall dürfte da kaum mitspielen, wenn es nicht entsprechende finanzielle Angebote gibt.

Bei EnBW könnte das anders sein, denn das Land Baden-Württemberg kann über seine starke Beteiligung am Unternehmen für eine Annahme-Bereitschaft und die entsprechenden Anträge sorgen.

Vor Ort gibt es allerdings schon massive Proteste. Die Menschen fühlen sich überrollt von den Entscheidungen und Planspielen in Berlin, werden nicht gefragt und haben ohnehin schon jede Menge Atommüll vor Ort, vom dem derzeit keiner weiß, wo der eigentlich mal hin soll. Die Sorge ist groß, dass am Ende aus Zwischenlagern Endlager werden könnten.

Siehe z.B. hier: Das AKW Brokdorf muss vom Netz – Keine Castortransporte nach Schleswig-Holstein

Dirk Seifert

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