Nix gelernt und falsch: Hamburger Umweltbehörde erklärt Plutoniumtransporte für harmlos

MOX-Transport zum AKW Brokdorf (1991), Spezialfahrzeuge sind für den Plutoniumtransport erforderlich. Foto: Dirk Seifert
MOX-Transport zum AKW Brokdorf (1991), Spezialfahrzeuge sind für den Plutoniumtransport erforderlich. Foto: Dirk Seifert

Die SPD-geführte Umweltbehörde hat auch nach dem Kommunikations-Desaster aus dem Feuer im Hamburger Hafen an Bord der „Atlantic Cartier“ nichts dazugelernt. Noch in dieser Woche sollen Plutonium-Transporte durch Hamburg rollen. Auch deren Risiken werden von einem Sprecher der Hamburger Umweltbehörde verharmlost, teilweise sind die Informationen auch einfach falsch!

An Bord des Atomfrachters, der am 1. Mai im Hamburger Hafen in Brand geriet und mit einem Großeinsatz der Feuerwehr gelöscht werden musste, hatte sich auch radioaktives Material befunden, darunter das hochgefährliche Uranhexafluorid. Die Umweltbehörde verschwieg dieses brisante Detail. Erst durch eine Anfrage der Hamburger Grünen wurde dies bekannt. (Siehe auch Hamburger Abendblatt)

Jetzt stehen Atomtransporte mit brisanten Plutonium-Brennelementen für das AKW Brokdorf an. Betrieben wird das AKW Brokdorf von E.on und Vattenfall. Der Transport muss auf seinem Weg durch die Hansestadt Hamburg. Laut NDR handelt es sich für Volker Dumann, Sprecher der Umweltbehörde, „um vergleichsweise harmloses Material. „Es sollen frische Brennelemente transportiert werden, die noch in keinem Atomkraftwerk eingesetzt wurden“, sagte Dumann. Von diesen Brennelementen ginge nur eine minimale Strahlung aus.“

Laut dem TV-Bericht des NDR sagt der Sprecher der Behörde  ab Minute 1.12 (.ausgestrahlt hat das in einer Pressemitteilung mitgeteilt): „Der Sprecher der Hamburger Umweltbehörde Volker Dumann erklärte gegenüber dem NDR zum Thema Plutonium-Transporte durch Hamburg: „Man braucht dazu noch nicht einmal besondere Transportbehälter, weil es eben relativ ungefährliches Material ist.“

Falsch! Das Plutonium in diesen Brennelementen stammt aus dem Reaktoreinsatz im AKW Brokdorf. Dort ist es beim Einsatz von herkömmlichen Uranbrennelementen entstanden. Nach dem Reaktoreinsatz sind diese hochradioaktiven Brennelemente zur Wiederaufarbeitung nach Frankreich oder England transportiert worden. Dort wurden die Brennelemente chemisch aufgelöst und das Plutonium herausgetrennt. Danach wird das Plutonium mit Uran vermischt und zu neuen Brennelementen zusammengebaut. Genau um diese Mischoxid-(Plutonium und Uran)-MOX-Brennelemente handelt es sich jetzt. Es sind also Brennelemente bzw. wesentliche Bestandteile davon, deren Ursprung der Reaktoreinsatz ist!
(Über den Atommüll, der bei dieser Wiederaufarbeitung entstanden ist, wird derzeit auch intensiv diskutiert: Der soll nämlich künftig möglicherweise in das AKW Brunsbüttel rollen. Dazu hier mehr Informationen: Castor und Atommüll in Schleswig-Holstein: Landesregierung will mit dem Kopf durch die Wand!)

Zwar ist richtig, dass die Strahlung der MOX-Brennelemente im Vergleich zu abgebrannten Brennelementen deutlich niedriger ist. Das aber macht sie nicht harmlos. Vor allem lässt der Sprecher der Umweltbehörde das Wesentliche außer acht: Sollte es zu einem Unfall mit MOX-Brennelementen kommen, bei dem das Plutonium frei gesetzt wird, wäre bereits das Einatmen tödlich, mindestens aber eine Garantie für eine Krebserkrankung. Plutonium gehört sowohl radiologisch als auch chemisch zu den schlimmsten Giften, die die Menschheit kennt!

Um dieses Risko zu begrenzen, werden die MOX-Brennelemte in Spezialcontainern verpackt, die höhere Anforderungen als für normale Güter erfüllen. Die Bundesregierung teilt in Anfragen zu diesem Thema regelmäßig mit: „So gehören beispielsweise die für den Transport von MOX-Brennelementen verwendeten Behälter zu den Typ B-Versandstücken, den sogenannten „unfallsicheren Verpackungen“. Diese Behälter müssen den Auswirkungen selbst schwerster Unfälle standhalten können…“. Siehe dazu hier die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag (PDF; dort sind auch weitere Sicherheitsanforderungen an diese Behälter genannt).

Allerdings hat diese „Sicherheit“ Grenzen: Die Behälter, in denen das Plutonium transportiert wird, müssen z.B. lediglich für eine halbe Stunde ein Feuer von 800 Grad aushalten. Danach wird das Plutonium an die Umwelt abgegeben. Dass das Risiko für derartige Unfälle besteht, hat eben der Brand auf dem Atomfrachter am 1. Mai gerade vor Augen geführt.

Davon will die Umweltbehörde offenbar nichts wissen. Statt über die Risiken aufzuklären, wiegelt sie ab. Allerdings: Von der zuständigen Aufsichtsbehörde in Schlesiwg-Holstein, dem Energieministerium unter der Leitung des grünen Ministers Robert Habeck, ist bislang zum MOX-Einsatz und den Transporten gar nichts zu hören. In Niedersachsen hat der neue Grüne Umweltminister Stefan Wentzel bereits nach wenigen Wochen seiner Amtszeit eine umfassende Sicherheitsprüfung für den MOX-Einsatz angekündigt.

Aus gutem Grund: Denn Plutonium-Brennelemente haben zusätzliche Risiken beim Einsatz im Atomkraftwerk zur Folge. Weil Plutonium sich im Reaktor anders verhält als Uran, müssen viele zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen erfolgen, die die Auslegungsgrenzen im Reaktor verringern. Selbst der Chef der Brennelemente-Abteilung bei E.on hat bei Vorträgen in den USA auf diese Risiken hingewiesen. Siehe dazu hier: Nicht nur neuer Atommüll für Schleswig-Holstein: Jetzt rollt auch noch Plutonium in das AKW Brokdorf und E.on räumt ein – Plutonium-Brennelemente machen nur Probleme.

Im Falle eines schweren Unfalls, bei dem Plutonium durch den MOX-Einsatz vermehrt freigesetzt werden würde, wären die Folgen für die Menschen in der Umgebung deutlich schlimmer, also ohne MOX-Einsatz (Fukushima).

Der Transport mit dem Plutonium wird im belgischen Dessel starten und dann vermutlich über NRW und Bremen über Hamburg nach Brokdorf rollen. Anti-Atom-Initiativen entlang der Strecke haben Protestaktionen angekündigt.

Plutonium auch im AKW Emsland – Niedersachen prüft!

Das Hamburger Abendblatt berichtet mit Datum 19. Mai 2013, dass das AKW Emsland/Lingen „an diesem Sonntag für etwa drei Wochen vom Netz genommen“ wurde. „In dieser Zeit werden nach Angaben einer Sprecherin des Umweltministeriums die Brennelemente inspiziert. 44 der 193 Brennelemente werden ausgetauscht. Zwölf davon sind sogenannte MOX-Brennelemente.“

Das grüne Umweltministerium in Hannover hat eine umfassende Prüfung für den weiteren MOX-Einsatz angekündigt: „Im Laufe des Jahres solle grundsätzlich geklärt werden, ob diese Mischoxid-Brennelemente in niedersächsischen Atomkraftwerken weiterhin eingesetzt werden. MOX-Brennelemente enthalten auch Plutonium. Bürgerinitiativen kritisieren, dass Plutonium wesentlich giftiger als Uran ist. Das von dem Energieunternehmen RWE betriebene Atomkraftwerk bei Lingen wurde 1988 in Betrieb genommen.“

Dirk Seifert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert