Handelskammer Hamburg: Volksentscheide und Gerichte untergraben Parlamente

Volksentscheide untergraben das Parlament, meint die Handelskammer. Foto: Dirk Seifert
Volksentscheide untergraben das Parlament, meint die Handelskammer. Foto: Dirk Seifert

Die Hamburger Handelskammer bzw. ihr Präses Fritz Horst Melsheimer kritisiert, dass „Parlamente und Verwaltung zugunsten direkter Demokratie und Gerichten mehr und mehr Gestaltungsspielraum verlieren“. Als Beispiele für diese „Gewichtsverlagerung innerhalb der Gewaltenteilung“ nannte er den Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze „Unser Hamburg –  Unser Netz“ und die Klage gegen die geplante Elbvertiefung bzw. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Das Gericht hatte einem Eilantrag des BUND und des NABU zugestimmt, dass die Elbvertiefung vorerst nicht umgesetzt werden dürfe, weil sie möglicherweise gegen bestehendes EU-Recht verstoße. Bei dem Volksentscheid hatten sich SPD, CDU, FDP, die Handelskammer und andere gegen eine vollständige Rekommunalisierung der bislang Vattenfall und E.on gehörenden Energienetze gestemmt. Ohne Erfolg: Die HamburgerInnen stimmten mehrheitlich für das Anliegen des Volksentscheids. Sehr zum Ärger der Handelskammer Hamburg.

Insgesamt 23 Seiten umfasst die Rede von Handelskammer-Präses Melsheimer, die er zum Jahresabschluss bei der traditionellen Feier der „Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg e.V.“ hielt vor „rund 2200 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Kultur, unter ihnen auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und die meisten Senatsmitglieder“, so das Hamburger Abendblatt. Die Rede steht hier zum download bereit (PDF). Darin kritisiert Melsheimer u.a. auch die Mietpreisbremse und fordert den Hamburger Senat auf, für Hamburg eine Bewerbung zu den Olympischen Spielen auf den Weg zu bringen.

Mit Blick auf die Elbvertiefung – die jetzt Fahrrinnenanpassung heißt – fordert die Handelskammer massive Änderungen im Umweltrecht. Sie sieht die Umweltschutzverbände als Vertreter von Partikularinteressen. Diese Interessenverbände werden mit Hilfe des Verbandsklagerechts „einseitig bevorteilt und in den Stand einer vierten Gewalt im Staate erhoben“. Und angesichts dieser unglaublichen Machtfülle der Umweltverbände ist für die Handelskammer klar: Das Verbandsklagerecht ist „in seiner bisherigen Form nicht haltbar“. (Alle Zitate Seite 14 der Rede)

Auch Volksentscheide stehen beim Präses der Handelskammer nicht hoch im Kurs. Melsheimer stellt zunächst fest: „Mit unseren Sachargumenten haben wir in der Debatte Boden gut gemacht, konnten uns aber nicht durchsetzen. Am Ende siegten Emotionen über die Vernunft.“ Deutlicher lässt sich wohl kaum noch sagen, was der Chef der Handelskammer vom Bürgerwillen hält.

Natürlich versäumt Melsheimer es nicht, das massive Engagement der Handelskammer gegen den Volksentscheid noch einmal zu rechtfertigen (Seite 15/16). Obwohl er sich grundsätzlich gegen Volksentscheide ausspricht, weil diese die repräsentative Demokratie untergraben, sei es der gesetzliche Auftrag der Handelskammer, den Gesetzgeber zu beraten. „Soweit künftig als Gesetzgeber das Volk unmittelbar tätig wird, werden wir uns also – wie zuvor gegenüber den Parlamentariern – unmittelbar an das Volk wenden müssen. Es ist also folgerichtig, dass unsere Handelskammer als Akteur in Verfahren der Volksgesetzgebung auftritt.“

Überaus interessant ist dabei der unmittelbar anschließende Satz: „Vielleicht sogar auch als Initiator.“ (Seite 16) Dieser Satz sollte in jedem Fall aufhorchen lassen, denn es ist kaum anzunehmen, dass das nur eine rhetorische Floskel ist.

Weitere Informationen auf dieser Seite:

Zum Thema Elbvertiefung und hier:

und zum Volksentscheid über die Netze und die Handelskammer:

Dirk Seifert

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