Genervte Handelskammer Hamburg: Alles Lüge

Handelskammer-Hamburg-Chef Fritz Horst Melsheimer: Genervt von der W-Gruppe. Foto: Dirk Seifert

Die Spitze der Hamburger Handelskammer ist total genervt. Über die Oppositionsgruppe „Die Kammer sind WIR“ im Plenum und auch über einen Abendblatt-Journalisten Jens Meyer-Wellmann, der die unglaubliche Frechheit besitzt, über das Scheitern der geplanten Satzungsänderung der Handelskammer auch dann zu berichten, wenn die Kammer dazu eigentlich nichts sagen will. Sowas geht ja gar nicht. Auf Facebook lässt sich dazu einiges lesen, was der Handelskammer vermutlich auch nicht gefällt. Transparenz ist jedenfalls nicht in der Handelskammer erfunden worden. Die geplante Satzungsänderung scheiterte unter anderem auch, weil mit neuen Regeln Sanktionsmöglichkeiten gegen Mitglieder des Plenums für Verstöße gegen die Vertraulichkeit eingeführt werden sollten. HK-Chef Fritz Horst Melsheimer soll davon sprechen, dass „eine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der W-Gruppe nicht mehr gegeben ist“.

Meyer-Wellmann hat im Abendblatt mit zwei Artikeln über die Streitigkeiten um die Satzungsänderung, das Gehalt des Geschäftsführers etc. berichtet. Zunächst wollte die Kammer auf die Nachfragen von Meyer-Wellmann über das Desaster während der letzten Plenarsitzung nichts sagen. Das änderte sich nach dem ersten Artikel im Abendblatt. In überaus heftiger Weise griff die Kammerspitze nun Vertreter der Oppositionsgruppe an. Von “wissentlich falsch”, “grob unseriös” ist die Rede und von “gezielte(r) Desinformation”.

Darüber berichtet Jens Meyer-Wellmann nicht nur im Abendblatt, sondern auch auf seinem Facebook-Account. Ausführlich nimmt er dort zum Rechercheverlauf Stellung und berichtet über die Handelskammer-Reaktionen. Beide Texte werden hier gleich dokumentiert – die Debatte selbst kann bei FB nachgelesen werden.

Die „Kammer sind WIR“ hat sich als Reaktion auf das Verhalten der Handelskammer beim Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ gegründet. Mit dem Volksentscheid war schließlich die vollständige Rekommunalisierung der Hamburger Energienetze von Vattenfall und E.on durchgesetzt worden. Die Handelskammer hat sich massiv gegen den Volksentscheid eingeschaltet und damit viele Zwangs-Mitglieder gegen sich aufgebracht. Zu den anstehenden Plenarwahlen im Frühjahr 2014 kanditierte dann dieses neue Bündnis „Die Kammer sind WIR“. Seitdem sind sie mit 13 der 66 Sitze im Plenum vertreten.

Zum Recherche-Verlauf schreibt JMW auf FB:„Der Vorwurf, ich hätte die Regel „Audiatur et altera pars“ missachtet und unfair berichtet, ist haltlos.

Ich habe am Donnerstag kurz nach 13.30 Uhr den Kammer-Kommunikationschef Dr. Arfs angerufen und darauf hingewiesen, dass wir uns für die bevorstehende Plenarsitzung interessieren, auf der eine nach unseren Informationen umstrittene Satzungsänderung beschlossen werden sollte. Ich habe gesagt, dass mir eine ausgewogene Berichterstattung wichtig ist, und ich daher nach der Sitzung gerne eine Stellungnahme der Kammer, also entweder des Präses, des Hauptgeschäftsführers oder von Dr. Arfs hätte und auch gerne über den Verlauf der Sitzung sprechen würde. Dr. Arfs sicherte mir zu, dass wir nach der Sitzung noch einmal sprechen könnten, dass es möglicherweise auch eine Stellungnahme des Hauptgeschäftsführers geben würde. Er wolle das klären.

Ich habe dann später aus unterschiedlichen Quellen erfahren, was sich in der Sitzung zugetragen hat und wie die Abstimmungsergebnisse lauteten. Ich habe daraufhin bei Dr. Arfs nachgefragt, ob meine Informationen richtig seien. Herr Dr. Arfs hat mir eine offizielle Stellungnahme geschickt, die im Artikel vollumfänglich zitiert ist. Weitere Fragen wurde nicht beantwortet. Um 17.45 Uhr schickte Dr. Arfs mir eine Mail, in der es wörtlich heißt: „Wir werden heute keine weiteren Stellungnahmen abgeben.“ Ich nehme an, dass er damit eine Anweisung von Prof. Schmidt-Trenz umgesetzt hat. Mithin: Die Kammer hat jedes weitere Gespräch und jede Information über die Sitzung verweigert.

Da mir gleichwohl sehr daran gelegen ist, alle Seiten zu Wort kommen zu lassen, habe ich mich über die Pressestelle der Haspa bemüht, mit Herrn Dr. Vogelsang zu sprechen. Ein persönliches Gespräch war offenbar nicht möglich, die Pressestelle ließ mir aber ein Zitat von Dr. Vogelsang zukommen, das im Artikel abgedruckt ist. Im Ergebnis kommen in dem Artikel zwei Vertreter der „Wir-Gruppe“ und von der anderen Seite mit Herrn Dr. Arfs und Herrn Dr. Vogelsang ebenfalls zwei Vertreter zu Wort.

Zu den Fakten:
1. Die umstrittenen Satzungsreform ist gescheitert, weil sie keine ausreichende Mehrheit gefunden hat.
2. Die von Herrn Dr. Vogelsang geleitete Projektgruppe hatte zunächst geplant, alle Plenarier per Satzungsänderung künftig darauf zu verpflichten, die Mehrheitsmeinung des Plenums nach außen zu vertreten, auch wenn sie selbst diese nicht teilen. Bei Verstößen sollten die demokratisch gewählten Kammerparlamentarierer von der Mehrheit bzw. dem Präsidium von Sitzungen augeschlossen werden können. Die Aufsicht führende Wirtschaftsbehörde hat dieses Vorhaben gestoppt. Mir liegen die Unterlagen dazu vor. (In der Plenarsitzung am Donnerstag ist das Vorhaben von einem Kritiker, wie Sie sicher wissen, mit Regularien aus der Zeit des Nationalsozialismus verglichen worden, wie ich aus der Führung der Kammer erfahren habe.)
3. Die Projektgruppe ist aufgelöst worden, die Satzungsänderung ist gescheitert.

So haben wir es berichtet.

Übrigens, aber das nur am Rande: Mir ist kein demokratisches Parlament bekannt, in dem die Mehrheit Vertreter einer widerspenstigen Minderheit von Sitzungen ausschließen kann – auch keines, das die Meinungsfreiheit für seine Minderheiten oder die Opposition aufheben möchte. Ich weiß nicht, ob Sie selbst solche Ansätze als moderne und transparente Form der (Kammer-)Demokratie empfinden, lieber Herr … Ich persönlich werde mir auch fürderhin vorbehalten, mir eine eigene Meinung zu bilden und sie persönlich oder in Form von journalistischen Kommentaren zu äußern. Ich berufe mich dabei auf den Artikel 5 unseres Grundgesetzes.““

Reaktion der Handelskammer:

FB, JMW: Hier die Erklärung der Kammer: „Die heute im Abendblatt wiedergegebenen, die wirklichen Verhältnisse auf den Kopf stellenden Äußerungen des Plenarmitglieds Tobias Bergmann veranlassen uns zu folgenden Informationen, die sich an alle richten, die sich naturgemäß kein eigenes Bild des Ablaufs der gestrigen Plenarsitzung machen konnten.

Vorgelegt wurden die Ergebnisse der letzten Projektgruppe des insgesamt 5 Projektgruppen umfassenden Organisationsentwicklungsprogramms „Agenda HK350plus“.

Konkret ging es um die von Herrn Vizepräses Dr. Harald Vogelsang geleitete Teilprojektgruppe 3 „Prozesse und Verfahren“, die seit Sommer 2014 dreimal getagt und bis in die letzten Wochen Ergebnisse abgestimmt hat. In dieser Arbeitsgruppe waren auch Mitglieder der W-Gruppe gemäß ihres Anteils im Plenum integriert. Die dort einstimmig oder mit großen Mehrheiten entwickelten Vorschläge waren gedacht als ausgewogener Mix aus Öffnung der Satzung in Richtung verstärkter Mitgliederbefragungen, mehr Transparenz durch z. B. Veröffentlichung der Präsidialwahlergebnisse und Beteiligung an Volksbefragungen einerseits bei gleichzeitiger Verdeutlichung der Regeln der internen Zusammenarbeit im Plenum andererseits (Vertraulichkeit, Sanktionen).

Daraus ergab sich ein satzungsänderndes Paket von 6 Abstimmungen, die einer ¾-Mehrheit bedurft hätten (bei weiteren 5 Punkten bedurfte es nur einer einfachen Mehrheit). Nachdem nach den ersten beiden Abstimmungen klar wurde, dass die W-Gruppe diesen Kompromiss nicht mitträgt, hat das Präsidium konsequenterweise den Antrag gestellt, darüber zu entscheiden, es bei der bestehenden und bewährten Satzung zu belassen und kein Aufschnüren des Gesamtpakets durch „Rosinenpickerei“ zuzulassen. Das Plenum hat sich mit großer Mehrheit für diesen Antrag des Präsidiums entschieden. Es hat darüberhinaus auf Antrag des Präsidiums entschieden, dass die Projektgruppe ihre Arbeit beendet.

Die heutige Satzung hat sich über viele Jahre bewährt und wurde stetig weiterentwickelt, zuletzt im letzten Jahr. Alles, was wir uns im Agenda-Prozess vorgenommen haben, lässt sich mit dieser Satzung umsetzen. Das gilt insbesondere für die Realisierung von mehr Teilhabe durch die Mitglieder, z. B. durch noch mehr Mitgliederbefragungen. Unsere Satzung wird sich auch künftig fortentwickeln, wenn es ausgewogene Kompromisse gibt, die die erforderlichen Mehrheiten finden und im Einklang mit den Gesetzen sind. Eine solche konstruktive Weiterentwicklung in Richtung mehr Beteiligung und Transparenz (insbes. der Präsidialwahlergebnisse) ist jetzt bedauerlicherweise durch die selbst ernannten Reformer – offenbar aus rein taktischen Erwägungen – selbst blockiert worden.

Zur Abstimmung stand im Plenum auch eine „Gehaltsrichtlinie“ für das Hauptamt der Handelskammer. Hierzu erklärt der Vorsitzende des Innenausschusses, Herr Vizepräses Andreas Bartmann: „Die im heutigen Abendblatt wiedergegebenen Aussagen von Herrn Bergmann sind wissentlich falsch und daher grob unseriös. Unser Hauptgeschäftsführer lehnt eine Veröffentlichung seines Gehalts nicht ab, im Gegenteil. Herr Prof. SchmIdt-Trenz hat mehrfach erklärt, und ich habe dies im gestrigen Plenum in Anwesenheit von Herrn Bergmann ausgeführt, dass er die Entscheidung über die Veröffentlichung seines Gehaltes in die Hände von Präsidium und Plenum legt. Der Präses hat zugleich mehrfach erklärt und auch gestern erneut zu Protokoll gegeben, dass eine solche Veröffentlichung nach Abschluss von Gesprächen mit dem DIHK noch in diesem Jahr erfolgt. Das entspricht auch dem Sachstand, der im Februar im Innenausschuss in Anwesenheit von Herrn Bergmann festgehalten worden ist. Vor diesem Hintergrund hat es das Plenum mit großer Mehrheit abgelehnt, sich mit dem Antrag von Herrn Bergmann zur Gehaltsveröffentlichung zu befassen. Die bewusste Verdrehung der Tatsachen durch Herrn Bergmann ist inakzeptabel.“

Entsprechend wurde die Gehaltsrichtlinie in der vom Innenausschuss und dem Präsidium erarbeiteten Fassung mit großer Mehrheit verabschiedet. Ein weiterer Änderungsantrag von Herrn Bergmann, die Vergleichsmaßstäbe der Gehaltsfindung betreffend, wurde gleichfalls mit großer Mehrheit abgelehnt.

Angesichts dieser Fakten handelt es sich bei den Äußerungen von Herrn Bergmann um eine gezielt
e Desinformation.


Wir danken der Projektgruppe 3 und dem Innenausschuss sehr für die geleistete Arbeit.

Falls Sie hierzu Fragen haben, laden wir Sie gerne ein, sich an uns zu wenden. „

Dirk Seifert

2 Gedanken zu “Genervte Handelskammer Hamburg: Alles Lüge

  1. Daraus ergab sich ein satzungsänderndes Paket von 6 Abstimmungen, die einer ¾-Mehrheit bedurft hätten (bei weiteren 5 Punkten bedurfte es nur einer einfachen Mehrheit). Nachdem nach den ersten beiden Abstimmungen klar wurde, dass die W-Gruppe diesen Kompromiss nicht mitträgt, hat das Präsidium konsequenterweise den Antrag gestellt, darüber zu entscheiden, es bei der bestehenden und bewährten Satzung zu belassen und kein Aufschnüren des Gesamtpakets durch “Rosinenpickerei” zuzulassen. Das Plenum hat sich mit großer Mehrheit für diesen Antrag des Präsidiums entschieden. Es hat darüberhinaus auf Antrag des Präsidiums entschieden, dass die Projektgruppe ihre Arbeit beendet. – See more at: http://umweltfairaendern.de/genervte-handelskammer-hamburg-alles-luege/#sthash.GIeOx59e.dpuf

    Ich frage micht, warum so aufwändig an Satzungsänderungen gearbeitet wurde, wenn die vorhandene so gut war, dass sie sich über Jahre bewährt hat. Sehr merkwürdig.

    und

    Entsprechend wurde die Gehaltsrichtlinie in der vom Innenausschuss und dem Präsidium erarbeiteten Fassung mit großer Mehrheit verabschiedet. Ein weiterer Änderungsantrag von Herrn Bergmann, die Vergleichsmaßstäbe der Gehaltsfindung betreffend, wurde gleichfalls mit großer Mehrheit abgelehnt. – See more at: http://umweltfairaendern.de/genervte-handelskammer-hamburg-alles-luege/#sthash.GIeOx59e.dpuf

    Na was nun abgelehnt oder nicht.

    Schon die Widersprüche in der Presseerklärung des Kammervorstand zeigt,. dass die Berichtwerstattung der Wahrheit entspricht. Wenn ein Gremium von sich seriös gebenden Personen ihre Meinung nicht mehr widerspruchsfrei formulieren können, ist dies ein Beweis, dass sie so erbittert sind, dass sie nicht mehr klar denken und formulieren können. Dies ist aber ein typisches Anzeigen dafür, dass sie sich im Unrecht befinden. ERGO: Wer eine sich widersprechende Gegendarstellung veröffentlicht, zeigt damit, dass er die Unwahrheit sagt.

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