Mehr demokratische Kontrolle in den Hamburger Energienetzen und die EnergieNetz-Genossenschaft

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Hamburg Umsetzung Volksentscheid: Mehr demokratische Kontrolle – Welche Rolle können die EnergieNetz-GenossInnen spielen?

LogoUmweltFAIRaendern-geHamburg bereitet sich Schritt für Schritt auf die Rekommunalisierung der Energienetze vor. Derzeit läuft die Übernahme der ehemals zu Vattenfall gehörenden Stromnetz-Sparte durch die Stadt Hamburg. Außerdem ist das Bewerbungsverfahren für die Konzession zum Betrieb des Stromnetzes am Start. Hamburg ist mit seiner neuen Stromnetz-Gesellschaft im Verfahren. Ab Januar 2015 soll der neue Stromnetzbetreiber feststehen. Eigentlich eine klare Sache, denn der erfolgreiche Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ verpflichtet Senat und Bürgerschaft, alle erforderlichen rechtlichen und zulässigen Schritte zu unternehmen, damit das Stromnetz wieder zu 100 Prozent in die öffentliche Hand kommt. Um die Konzession als Partner der Stadt bewirbt sich jedoch auch die sich als Bürgerbewegung verstehende EnergieNetz-Genossenschaft, die sich mit dem niederländischen Netz-Unternehmen Alliander zusammen getan hat. Doch welche Rolle können die GenossInnen noch spielen, wenn die Netze 100 Prozent kommunal sein sollen?

Die EnergieNetz-Genossenschaft verweist auf ihrer Homepage darauf, dass sie den Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze in Hamburg massiv unterstützt habe. Aber mit der 100-prozentigen Rekommunalisierung wäre dann doch klar: Für die NetzgenossInnen ist jetzt eigentlich kein Platz mehr. Haben sie sich damit nicht selbst überflüssig gemacht?

Nicht unbedingt: Klar ist nach dem Volksentscheid, dass das Eigentum in jedem Fall zu 100 Prozent in öffentliche Hand kommen muss. Beim Betrieb der Netze aber könnten andere Kriterien eine Rolle spielen, z.B. die im Volksentscheid ausdrücklich genannte Zielrichtung, dass es auch zu mehr demokratischer Kontrolle in der Energieversorgung kommen soll (siehe Abstimmungstext hier.)

Die Frage wäre aber dann zu klären: Stellt die EnergieNetz-Genossenschaft einen Beitrag für ein Mehr an demokratischer Kontrolle dar?

Die ökonomischen „Zugangsbedingungen“ bei der Genossenschaft sehen so aus: „Ein Genossenschaftsanteil kostet 100 Euro, jedes Mitglied kann weitere Anteile erwerben. Für die Deckung der Kosten wird von jedem Mitglied einmalig bei der Aufnahme in die Genossenschaft ein Eintrittsgeld von 50 Euro erhoben.“ Außerdem regelt die Satzung der Genossenschaft: „Jedes Mitglied hat eine Stimme.“ D.h. wohl: Unabhängig der Anzahl der Anteile an der Genossenschaft, haben alle das gleich Stimmrecht (siehe Satzung als PDF hier.) Für 150 Euro kann also jedeR BürgerIn sich für die in der Satzung festgelegte Zielsetzung (siehe Satzung) beteiligen. (Siehe auch die Fragen und Antworten hier.)

Die EnergieNetz-Genossenschaft begreift sich in der Tradition der BürgerEnergiewende-Bewegung. Das erklärt die Genossenschaft auf ihrer Homepage. „Grundlage unserer gemeinsamen Bewerbung (mit Alliander) ist die Überzeugung , dass die Energienetze Teil der Öffentlichen Daseinsvorsorge sind und daher in die Öffentliche Hand gehören, wie es der Satz 1 des Volksentscheides gefordert hat. Gleichzeitig wollen wir aber auch einen substantiellen Beitrag zur Umsetzung des Satzes 2 des Volksentscheids leisten: „…demokratisch kontrollierte, klimaverträgliche und sozial gerechte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien…“. Dazu ist es wichtig, dass der zukünftige Betrieb des Stromnetzes nicht nur in den Händen der Stadt Hamburg liegt, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger Einfluss auf die Modernisierung für die kommenden Herausforderungen der Energiewende erhalten. Das oberste Ziel für uns ist dabei: „Mehr Bürgerbeteiligung bei der Hamburger Energiewende““ 

Außerdem betonen die Netz-GenossInnen: „Die Energiewende wird nur gelingen, wenn sie in der Mitte der Gesellschaft verankert wird, da es inzwischen nicht mehr nur um Erzeugungstechnologien und technologische Fragestellungen geht, sondern auch um (Gestaltungs-)Macht. Die Mitglieder der Genossenschaft wollen diese Verantwortung für die Hamburger Energiewende übernehmen und einen Beitrag zur demokratischen Kontrolle des Stromnetzes leisten. Sie verstehen sich als Plattform und Katalysator für mehr Bürgerbeteiligung und einen echten Bürgerdialog.“

Das sind eine Reihe Ansatzpunkte und Positionen, die sicherlich eine weitere Debatte begründen, inwieweit eine solche EnergieNetz-Genossenschaft im Rahmen der weiteren Umsetzung des Hamburger Volksentscheids für die Rekommunalisierung eine Rolle spielen könnte.

Eine Positionierung von Umweltverbänden oder Initiativen dazu ist bislang nicht erfolgt. Im Mai 2013 hatte die Volksentscheids-Initiative die Gründung der Netz-Genossenschaft begrüßt. Wörtlich hieß es: „Nach Ansicht von UNSER HAMBURG – UNSER NETZ gehören die Energienetze in die öffentliche Hand. Eine Genossenschaft, an der möglichst viele Hamburger Bürger mitwirken, kann in einer Kooperation mit der Stadt für zusätzliche Transparenz sorgen und zur Finanzierung des Rückkaufs beitragen. „Die neue Genossenschaft verstärkt das bürgerschaftliche Engagement in Hamburg und kann sich am Netzrückkauf und an der Energiewende beteiligen. Ein gutes Signal auch für unseren Volksentscheid am 22. September 2013, der erst die Tür für neue Modelle öffnet“, so  Manfred Braasch, Theo Christiansen und Günter Hörmann, Vertrauenspersonen von UNSER NETZ – UNSER HAMBURG.“

Schon diese Diskussion, welche Rolle die EnergieNetzGenossInnen spielen könnten, ist sicherlich keine ganz einfache. Doch die NetzGenossInnen haben als Partner eine niederländische Aktiengesellschaft im Boot.

Über den Partner für die gemeinsame Bewerbung, das niederländische Netz-Unternehmen Alliander, heißt es: „Alliander ein zu 100% kommunales Unternehmen aus den Niederlanden, das sich als reines Netzbetriebsunternehmen auf den Betrieb komplexer Strom- und Gasnetze sowie öffentlicher Beleuchtungsanlagen konzentriert. Alliander hat viel Erfahrung und Kompetenz im Umbau der Netze für die Erfordernisse der Energiewende. Der Bietergemeinschaft Alliander AG/EnergieNetz Hamburg eG ist an einer kommunalen Partnerschaft mit der Stadt Hamburg gelegen. Im Falle des Zuschlags wird der Stadt ein entsprechendes Angebot unterbreitet. Besonderes Augenmerk legt Alliander außerdem auf angemessene Formen der Bürgerbeteiligung – für EnergieNetz Hamburg eG natürlich ein sehr zentraler Aspekt.“

Die Debatte, wie mehr Mitbestimmungsrechte und Beteiligung für BürgerInnen, Umweltverbände etc. in der künftigen Ausgestaltung bei der Umsetzung des Volksentscheids aussieht, ist noch am Anfang. Mit Blick auf die Fern/Wärme entwickelt sich derzeit ein von unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren initiierter Wärme-Dialog – mit tatkräftiger Unterstützung der EnergieNetz-Genossenschaft (die sich nur beim Stromnetz um Beteiligung beworben hat, nicht aber bei der Wärme!). Die Links-Fraktion in der Bürgerschaft hat außerdem einen Antrag eingebracht, der eine stärkere Beteiligung von BürgerInnen fordert.

Der SPD-Fraktionschef Andreas Dressel hatte im Rahmen einer Sitzung von Haushalts- und Umweltausschuss bereits erklärt: SPD für mehr Bürgerbeteiligung bei den neuen Netzgesellschaften offen. Siehe dazu auch: Energie-Netze ohne Vattenfall: Bürgerbeirat für die kommunale Stromgesellschaft?

Die Debatte muss nun konkreter werden. Das ist nicht nur Aufgabe der EnergieNetz-Genossenschaft, die für ihre Bewerbung mehr Diskussionsangebote machen sollte. Es ist ebenso Sache der Umweltverbände und Energiewende-Gruppen, die Fragen weiter zu diskutieren, welche Beteiligungsformen und demokratische Mitsprache-Rechte im Sinne des Volksentscheids denn auf die Tagesordnung gehören.

Dirk Seifert

2 Gedanken zu “Mehr demokratische Kontrolle in den Hamburger Energienetzen und die EnergieNetz-Genossenschaft

  1. „Hamburg bereitet sich Schritt für Schritt auf die Rekommunalisierung der Energienetze vor.“ S c h ö n w ä r`s! Hamburg, naja, der Senat und die HGV bereiten sich auf die Rekommunalisierung des Stromnetzes vor – aber das Vattenfall-Fernwärmenetz soll nur vielleicht in fünf Jahren gekauft werden. Der SPD-Senat hat lediglich eine „Kaufoption“ vereinbart. Die zuständige Senatorin Jutta Blankau hat auf einer öffentlcihen Veranstaltung am 24.2. bereits in schöner Offenheit formuliert: 2019 entscheiden wir, ob wir kaufen oder nicht.

    Soweit so schlecht – warum um alles in der Welt versucht Dirk Seifert so zu tun, als sei der Senat bereit, den Volksentscheid vollständig umzusetzen?

    1. Lieber Gilbert,
      genau, der Senat hat bei der Fernwärme ein Kaufoption vorbereitet bzw. mit Vattenfall in einem Vertrag verabredet. Ich sagte ja, VORBEREITUNG. Was zu dieser Vereinbarung problematisch ist und Fragen aufwirft, kann du auch in diesem Blog lesen.

      Z.B. auch die Reaktionen der Vorsitzenden deiner Bürgerschaftsfraktion:

      Wenig Transparenz und viele Fragen bei der Fernwärme: http://umweltfairaendern.de/2014/02/umsetzung-volksentscheid-energienetze-hamburg-wenig-transparenz-und-viele-fragen-bei-der-fernwaerme/.

      Sehr detailliert stelle ich die Probleme bei der Fernwärme auch in diesem recht frischen Text vom 17. März da:
      Hamburger Wärme-Dialog: Perspektiven für die Energiewende http://umweltfairaendern.de/2014/03/hamburger-waerme-dialog-perspektiven-fuer-die-energiewende

      Bleibt Frau Blankau: In meinem Text über eine Veranstaltung zum „Masterplan Klimaschutz“ schreibe ich: „Während die Umweltsenatorin Jutta Blankau immer noch durch Veranstaltungen tingelt und dem aus ihrer Sicht verlorenen Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Energienetze nachtrauert, …“ Das ist auf das von dir zitierte Statement gemünzt. Übrigends nicht sonderlich neu, Jutta Blankau erzählt derartiges häufiger und auch während der Umweltausschuss-Sitzungen zur Umsetzung des Volksentscheids ist zu spüren, dass sie nicht sonderlich erfreut über das Ergebnis ist. Und – wie du ja weißt, sind im Februar 2015 Bürgerschaftswahlen ….

      Allerdings: Dein Hinweis auf Blankau beweist eigentlich nicht, was du sagen willst. Sie zitiert ja nur die Lage auf Basis der Verträge zwischen Stadt HH und Vattenfall (mit dem kleinen Fehler, dass sie von 2019 spricht, das Datum wo die Übernahme erfolgen würde, wenn 2018 die Kaufoption von der Stadt gezogen würde).

      Ach, zur Umweltbehörde, der Fernwärme und ihrer derzeitigen Senatorin findet sich auch was in meinem Blog:

      Nackt im Wind: Hamburgs Umweltbehörde nach Volksentscheid planlos – Wärmeversorgung wird Wahlkampf. http://umweltfairaendern.de/2014/02/nackt-im-wind-hamburgs-umweltbehoerde-nach-volksentscheid-planlos-waermeversorgung-wird-wahlkampf/

      So viel, zu dem einen Satz. Vielleicht kommt dann ja noch was zu eigentlichem Thema des Textes: Der Frage, wie es mit der Demokratisierung bei der Umsetzung des Volksentscheids geht… ??
      Gruß
      Dirk

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