Atommüll, Salzgitter und Schacht Konrad: „Endlagerkonzept nicht tragfähig“ – Standortsuche braucht Neustart

KONRAD stoppen statt erweitern !
Tausende demonstrieren gegen Schacht Konrad in Salzgitter

Unter dem harmlosen Titel eines Entwurfs für das „Nationale Entsorgungsprogramm“ hat das Bundesumweltministerium ein großes Fass aufgemacht. Insgesamt fast 70.000 Widersprüche gegen die dortigen Aussagen und Planungen zum künftigen Umgang mit dem Atommüll sind dem Ministerium jüngst übergeben worden. Jetzt läutet die Stadt Salzgitter die nächste Phase in der Auseinandersetzung ein: Mit einer juristischen Stellungnahme des Rechtsanwalts Ulrich Wollenteit und einer fachlichen Stellungnahme des Physikers Wolfgang Neumann von der Intac Hannover begründet die Stadt, warum das Aus für den Schacht Konrad nun auf die Tagesordnung muss. Gleichzeitig wird deutlich, dass auch das Standortauswahlgesetz, in dessen Rahmen derzeit eine Atommüll-Kommission arbeitet, einen kompletten Neustart braucht.

Auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad wird über die Aktivitäten der Stadt Salzgitter berichtet: „Schlampigkeit und Dilettantismus in Sachen Atommüll bescheinigt ein 32seitiges Rechtsgutachten der Bundesregierung für ihren Entwurf des Nationalen Entsorgungsprogramms (NaPro). Auftraggeberin dieses Gutachtens zzgl. einer Expertise zum Stand von Wissenschaft und Technik bei Schacht KONRAD ist die Stadt Salzgitter. Mit diesen Prüfberichten erhebt sie Einwendung gegen das NaPro, das am 23. August als Entsorgungsnachweis der Bundesrepublik in Brüssel vorgelegt werden soll. Die Ergebnisse von Rechtsprüfung und Expertise wurden am Mittwoch dem Rat der Stadt Salzgitter vorgestellt und dort erörtert.“ Auf der Homepage der Stadt Salzgitter wird das hier vorgestellt.

Einer der Gründe, warum die Stadt Salzgitter jetzt derart vorgeht, sind die Aussagen im Entwurf des Nationalen Entsorgungsprogramms, dass möglicherweise nach Inbetriebnahme von Schacht Konrad bis heute nicht zugelassene Atommüllmengen und -arten dort zusätzlich vergraben werden sollen. Als Alternative wird im NaPro allerdings auch die Möglichkeit genannt, diese Abfälle zusammen mit den hochradioaktiven Abfällen in dem noch zu findenden „Endlager“ einzulagern. Insofern tangiert der Entwurf zum NaPro auch das heftig umstrittene Standortauswahlgesetz und die Arbeit der Atommüll-Kommission.

Im Entwurf werden erstmals jetzt die Abfälle aus der ASSE II und die uranhaltigen Reststoffe aus der Urananreicherung in Gronau für die dauerhafte Atommülllagerung berücksichtigt. Zusammen haben diese ein Volumen von rund 300.000 Kubikmetern. Für Konrad würde das eine Verdoppelung der bislang genehmigten Abfallmenge bedeuten. Bei der Suche nach einem Lager für hochradioaktive Abfälle im Rahmen des Standortauswahlgesetzes würde diese zusätzliche Menge völlig neue Voraussetzungen schaffen.

Auch weitere im Entwurf genannte Maßnahmen führen dazu, dass es einer grundsätzlichen Korrektur des bisherigen Vorgehens bedarf. So soll nach dem Entwurf des NaPro am Standort des zu findenden „Endlagers“ ein neues Atommülllager für ca. 500 Castoren mit hochradioaktiven Brennelementen entstehen. Im NaPro wird dieses als „Eingangslager“ bezeichnet. Die Aufgabe des Standortauswahlgesetzes und der Kommission soll sein, Rahmenbedingungen und Kriterien für die dauerhafte Lagerung zu finden und einen gesellschaftlichen Konsens dafür zu erreichen. Es dürfte wohl klar sein, dass ein oberirdisches Lager für 500 Castor-Behälter, die nach derzeitigen Aussagen dort für  Jahrzehnte gelagert würden, eine vollkommen neue Perspektive nicht nur technisch, sondern auch für einen gesellschaftlichen Konsens darstellen würde.

Mit anderen Worten: Für die Atommüll-Kommission entstehen immer neue Aufgaben, die nicht ausgeblendet oder ignoriert werden können, ohne weiter massive Vertrauensverluste hinzunehmen. Anti-Atom-Initiativen und Verbände hatten das Gesetz und die Kommission nicht nur abgelehnt weil Gorleben als Standort weiter im Rennen bleibt. Einer der vielen Kritikpunkte war auch, dass eine Atommülldebatte und ein angestrebter gesellschaftlicher Konsens nur dann gelingen kann, wenn nach einer umfassenden Fehler-Analyse über die bisherigen Auseinandersetzungen im Atomkonflikt alle Atommüllarten und ihre künftige Lagerung auf den Tisch kommen und ein gemeinsames Konzept in Angriff genommen wird.

Der Entwurf des „Nationalen Entsorgungsprogramms“ hat ganz sicher nicht die Absicht, diese Forderungen der Anti-Atom-Initiativen zu unterstützen. Dennoch liefert er ungewollt die Argumente, dass diese Forderungen richtig sind.

(*) Der Autor ist wiss. Mitarbeiter des MdB Zdebel.

Dirk Seifert

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