Energiewende – Arbeitsplätze – Vattenfall: Nach dem Hamburger Volksentscheid – Beschäftigte fordern Sicherheit

box_energiewendeNach dem erfolgreichen Hamburger Volksentscheid zur vollständigen Rekommunalisierung der bislang von Vattenfall betriebenen Netze für Strom und Fernwärme melden sich jetzt die Beschäftigten von Vattenfall mit einem offenen Brief an die Politik zu Wort: „Die Energiewende darf keine Arbeitsplätze kosten“, heißt es darin. Die Sorge ist: Nach einer Rekommunalisierung der Netze könnte Vattenfall denjenigen Teil der Beschäftigten, der nicht zur Stadt wechselt, möglicherweise auf die Straße setzen. Das – so die Beschäftigten – dürfe nicht passieren.

Update: Hier der offene Brief als PDF und hier die PM zum offenen Brief (PDF)

(Siehe: Krise Vattenfall – noch mehr Arbeitsplätze werden gestrichen) Unterzeichnet ist der Brief von den Betriebsräten von Vattenfall, nicht von der IG Metall, die bei Vattenfall als Gewerkschaft den Ton angibt. Darüber, dass bei Vattenfall – völlig unabhängig vom verlorenen Volksentscheid – ein massives Einsparprogramm läuft, nach dem derzeit rund 2.500 Arbeitsplätze konzernweit abgebaut werden, ist in dem Schreiben nicht die Rede. Etwa 500 Arbeitsplätze davon sind in Hamburg betroffen.

Problem Transformation eines privaten Konzerns zum öffentlichen Unternehmen – Die Ausgangslage

Bei der kommenden Rekommunalisierung geht es mit Blick auf die Arbeitsplätze zunächst um folgendes: Von Vattenfall muss die Stadt Hamburg nach dem Volksentscheid nun das Stromnetz und die Fernwärmeversorgung übernehmen. Vattenfall hat allerdings eine Unternehmensstruktur in Form von vielen GmbHs gebildet, die diese „Übernahme“ vor ein Problem stellt: Die eigentliche Stromnetz-Gesellschaft umfasst nur rund 150 MitarbeiterInnen. Der für den Netzbetrieb wichtige Bereich des Service und der Wartung – also das Herzstück für den Betrieb und den Ausbau der Netze – hat Vattenfall in eine abgetrennte GmbH verlegt. Hier sind rund 600 Leute beschäftigt.

Weniger problematisch bezogen auf den Transfer der MitarbeiterInnen ist der Bereich Fernwärme, bei dem es nicht nur um die Rohre, sondern auch um die dazugehörigen Kraftwerke geht, die die Wärme, aber zusätzlich auch den Strom, erzeugen. Hier sind rund 550 Leute beschäftigt. (Allerdings: Dieser Bereich unterliegt nicht der Regulierung und Vattenfall bestreitet die Rechtskraft alter Verträge der Stadt mit dem Vattenfall-Vorgänger HEW, nach denen im Falle des Konzessionsverlusts das Unternehmen an die Stadt zurückfällt. Hier stehen nun gerichtliche Auseinandersetzungen an.)

Hinzu kämen noch die KollegInnen im Bereich Metering (um die 100 Beschäftigte) und auch Personal aus unterschiedlichen Verwaltungbereichen bei Vattenfall, die ebenfalls in verschiedene GmbHs abgetrennt sind und in unterschiedlicher Weise mit dem Netzbereich zu tun haben. Als sich die Stadt Hamburg im letzten Jahr mit dem Minderheitsanteil von 25,1 Prozent an den Netzen von Vattenfall beteiligte, war dieser Geschäftsbereich komplett bei Vattenfall geblieben.

Bei der anstehenden Rekommunalisierung der Vattenfall-Netze geht es nun also zunächst um diesen Teil der Vattenfall-Beschäftigten. Rund 1.500 der insgesamt 4.500 Hamburger Vattenfall-MitarbeiterInnen sind also direkt von der anstehenden Rekommunalisierung betroffen.

Siehe auch: Vattenfall und die Arbeitsplätze: Wie geht es nach dem Hamburger Volksentscheid für die Beschäftigten weiter?

Die Linke-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft hatte sich zu dieser Problematik bereits vor dem Volksentscheid am 22. September mit einem Antrag (Drucksache 20/9115 (Neufassung) inhaltlich geäußert. Der Antrag wurde aber nach heftiger Debatte zu anderen Fragen im Zusammenhang mit dem Volksentscheid schließlich zurückgezogen.

Außerdem stellt sich ein weiteres Problem: Gelingt es bei der Rekommunalisierung, die oben genannten KollegInnen in einen städtischen Netzbetreiber zu überführen, stellt sich die Frage, was Vattenfall in Hamburg mit den verbleibenden Beschäftigten bzw. den verbleibenden Geschäftsfeldern macht.

Ohnehin plant der angeschlagene Konzern den Rückzug aus dem Deutschland-Geschäft. Nach Abzug der Netze-Sparte bleibt dem Konzern in Hamburg nicht mehr sonderlich viel: Das verlustträchtige Steinkohlekraftwerk Moorburg geht nächstes Jahr in Betrieb, das Heizkraftwerk Wedel, zwei abgeschaltete Atomkraftwerke in Brunsbüttel und Krümmel warten auf den Rückbau, Verkehrstechnik (Ampeln) und Straßenbeleuchtung, die Müllverbrennungsanlagen und noch diverse kleinere Bereiche und der Verwaltungs-Bereich (der auch für die Standorte Lausitz und Berlin Aufgaben verrichtet) verbleiben.

In jedem Fall gilt: Eine erfolgreiche Umsetzung des Volksentscheids – die Bürgerschaft und Senat jetzt zu organisieren haben – ist die vollständige Übernahme auch der Service-Gesellschaften und Co. Dazu muss die Stadt Hamburg, müssen sich Senat und Bürgerschaftsfraktionen, jetzt klar äußern.

PROBLEM: VATTENFALL ignoriert Ergebnis des Volksentscheids

Eines muss aber auch klar sein: Die Frage, wie es mit den Arbeitsplätzen bei Vattenfall – auch im Zusammenhang mit der Umsetzung des Volksentscheids – weiter geht, ist vor allem eine Entscheidung des Konzerns selbst. Vattenfall selbst kann für die Sicherheit der Arbeitsplätze den entscheidenden Beitrag leisten.

  1. Akzeptieren, dass  eine Mehrheit der HamburgerInnen sich gegen Vattenfall als Partner entschieden hat.
  2. Daher ein Verzicht auf eine erneute Bewerbung um die Konzession für das Stromnetz.
  3. Der Stadt Hamburg die Übernahme aller für den Netzbetrieb erforderlichen Geschäftsfelder und MitarbeiterInnen anbieten.

Das wird Vattenfall aber sicherlich nicht tun – und damit die Beschäftigten für seine wirtschaftlichen Interessen in Geiselhaft nehmen und weiterhin versuchen, mit einer Bewerbung um die Stromnetz-Konzession die demokratische Entscheidung der HamburgerInnen zu ignorieren. Verantwortlich dafür aber ist Vattenfall – und nicht der Volksentscheid!

Perspektive: Chancen der Energiewende

Es geht aber um mehr. Für die Energiewende in Hamburg und für die Beschäftigten. Nach dem erfolgreichen Volksentscheid besteht nun die Chance für Hamburg, die Energiewende in die eigene Hand zu nehmen und unabhängig von den wirtschaftlichen Interessen von Vattenfall und E.on neu zu definieren. Hamburg braucht jetzt einen Neustart – bei der Energiewende, bei der Wärmeversorgung, bei den Erneuerbaren Energien, bei Energieeinsparung, beim Klimaschutz… .

Dazu gehört zum Beispiel auch die Frage, ob und wie Hamburg über den Netzbetrieb hinaus mit dem bereits städtischen Unternehmen Hamburg Energie z.B. den Ausbau der Erneuerbaren Energien forcieren will – Kurs Stadtwerke in Zusammenarbeit mit Bürgern und unabhängigen Energiegenossenschaften. Hier liegen auch die Chancen für mehr Arbeitsplätze.

Mit dem Volksentscheid haben die HamburgerInnen einen klaren Auftrag formuliert: Senat und Bürgerschaft sollen nach der Rekommunalisierung der Netze eine „sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien“ herstellen.

Um das zu erreichen ist es nun erforderlich, die Debatte um die Perspektiven zu eröffnen. Das gilt nicht nur für Senat und Bürgerschaft. Das gilt auch und besonders für die Gewerkschaften, für Umwelt- und Sozialverbände, für die Branche der Erneuerbaren Energien und so weiter.

Dirk Seifert

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