Noch ein Endlager mehr? „Neuer“ Atommüll und überall neue Lagerhallen
„Als gäbe es nicht genug offene Fragen, ist zwischenzeitlich eine neue Sorte von Atommüll aufgetaucht, für die es bislang noch gar keine Endbestimmung gibt: Dabei handelt es sich um graphithaltige Abfälle sowie abgereichertes Uran, die nicht in den Schacht Konrad verbracht werden dürfen.“ Das schreibt der Spiegel in seinem aktuellen Magazin (19/2013, Seite 27). „Stattdessen müssen die mit Radionukliden vollgepumpten Materialien wohl in einem künftigen Endlager für hochradioaktive Stoffe beerdigt werden. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) beziffert ihre Menge auf bis zu 105500 Kubikmeter. Bislang wissen vor allem Fachkreise von diesem Abfallproblem.“
Update 16.5.2013: Auch die Junge Welt berichtet über dieses Thema unter der Überschrift „Drei, vier oder fünf Endlager?“ hier.
Diese „neuen“ radioaktiven Abfälle sind so neu nicht: Bereits im Oktober hatte die Grüne Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl dazu die Bundesregierung befragt. In der Mitteldeutschen Zeitung war zu lesen: „Zu dem hochradioaktiven Müll sollen auch bis zu 100 000 Kubikmeter abgereichertes Uran hinzukommen, das nicht in das Endlager Konrad für schwach- und mittelradioaktive Abfälle gebracht werden kann. … Die Mengen würden bei weiten das Volumen hochradioaktiver Abfälle übertreffen, die auf 29 000 Kubikmeter geschätzt werden. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) rechnet zudem mit bis zu 5000 Kubikmetern Abfällen mit geringer Wärmeentwicklung, die nicht für Schacht Konrad geeignet sind. Die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) geht hier von bis zu 8800 Kubikmetern aus. Hinzu kommen graphithaltige Abfälle von 500 bis 1000 Kubikmetern.“
Ohne Entsorgung: Atommüll aus der Uranfabrik Gronau
Das ganze ist eigentlich unglaublich: Das abgereicherte Uran entsteht vor allem in der zum URENCO-Konzern gehörenden Atomfabrik in Gronau. Dort wird Natururan angereichert, damit es später für Brennelemente in Atomkraftwerken eingesetzt werden kann. Wo aber auf der einen Seite angereichert wird, entsteht auf der anderen Seite abgereichertes Uran. Etwa im Verhältnis 1 zu 5!
Und dieser Atommüll gilt offiziell gar nicht als Atommüll! Die URENCO nennt das Strahlenmaterial einfach Wertstoff und schon darf sie diesen völlig unbefristet (!) in Gronau lagern. Eine entsprechende Halle für 60.000 Tonnen abgereichertes Uran soll 2014 dort in Betrieb gehen. Einen Nachweis, wo dieser Atommüll später entsorgt werden soll, gibt es nicht. In der URENCO-Anlage im britischen Capenhurst wird derzeit ebenfalls eine Lagerhalle gebaut: Dort – so ganz offiziell – soll der „Wertstoff“ erst einmal bis zum Jahr 2120 (!) gelagert werden dürfen.
Der Clou: Die Bundesregierung hat keine Ahnung, wie eigentlich die Verwertung der enormen Uranmengen bei der URENCO aussieht. “Konkrete Verwendungsvorhaben sind der Bundesregierung nicht bekannt”, teilt sie mit, ohne offenbar Anstoß daran zu nehmen. (siehe Antwort auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Dorothée Menzner hier.)
Siehe dazu ausführlich: Statt Atommüllentsorgung – Oberirdische Lagerung für radioaktives Uran völlig unbefristet!
Immer mehr Zwischenlager
Aber damit nicht genug: Die Bundesregierung hat auch eingeräumt, dass es in Gronau weitere Lagerhallen brauchen wird. Da die Anlage vom Atomausstieg ausgenommen ist und ohne jede Befristung weiter Uran anreichern darf, wird auch der daraus folgende Atommüll weiter in großen Mengen anfallen. Alle zehn Jahre muss demnach in Gronau eine neue Lagerhalle gebaut werden! Die Piraten im Landtag von NRW haben daher gerade eine Anfrage an die dortige rot-grüne Landesregierung gestellt. Darin halten die Piraten fest: „Nach Auskunft der Bundesregierung vom 1. Dezember 2011 (Bundestagsdrucksache 17-8041) reicht das Freilager für Uranhexafluorid in Gronau für maximal fünf Betriebsjahre, die neue Lagerhalle für Uranoxid für maximal zehn Betriebsjahre. Bei einem zeitlich unbefristeten Betrieb der Urananreicherungsanlage Gronau müsste also in Gronau alle zehn Jahre mit dem Bau einer Lagerhalle für 60 000 Tonnen Uranoxid gerechnet werden.“
Die Probleme mit dem Atommüll dürften weiter wachsen, wenn jetzt nach und nach immer mehr Atomkraftwerke stillgelegt und zurückgebaut werden. Schon jetzt stehen die hochradioaktiven Abfälle in Standort-Zwischenlagern, verpackt in Castorbehältern, für mindestens 40 Jahre an den AKWs. Nun kommen weitere Zwischenlager-Hallen für die leicht- und mittelaktiven Atomabfälle hinzu. Denn immer wieder hat sich die Inbetriebnahme des Schacht Konrad verzögert, weil die Probleme, das alte Erzbergwerk unterirdisch auszubauen, größer als erwartet sind. Statt einer Lösung näher zu kommen, gibt es offenbar immer mehr Probleme mit den radioaktiven Hinterlassenschaften.
Die Hütte brennt:
- Atommüll unterwegs – Vattenfall AKW Krümmel schickt Strahlenmaterial nach Duisburg
- Atommülll-Desaster: In Ahaus lagert Atommüll demnächst illegal
- Atommüll-Lager im Schacht Konrad verzögert sich: Sicherheitsprobleme nehmen kein Ende
Der Spiegel deutet an, wie sehr die Betreiber schon heute unter Druck stehen – und wie wenig das in der Öffentlichkeit bekannt ist: „Weil die Lagersituation prekärer wird, versuchen die Betreiber ihre Altanlagen in zunehmend größeren Einheiten abzutragen. In Obrigheim und Stade etwa sind die wuchtigen Dampferzeuger in einem Teil herausgetrennt worden. Aus Platzmangel hat man einige von ihnen auch nach Schweden verschifft.“
Mehr Infos zu diesen Problemen auf umweltFAIRaendern:
Uranfabrik Gronau – Materialien zur atomrechtlichen Genehmigung zum Ausbau der URENCO-Anlage (2005)
Uranfabrik Gronau stilllegen – zwei Rechtsgutachten von 2011 und ein kostspieliger Ausstieg?
Widerstand gegen die Urananlage Gronau – Die Jahre 1981 – 2001
Urankonzern URENCO – niederländische Regierung lässt Verkauf prüfen