Urteil des OVG Schleswig: Atommülllagerung in Brunsbüttel nicht sicher! Fehlender Entsorgungsnachweis für alle AKWs muss jetzt zur Abschaltung aller Anlagen führen

„Im Prozess um die Genehmigung des Atommüll-Zwischenlagers am Kernkraftwerk Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen) hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig ein weitreichendes Urteil gefällt. Die Richter verkündeten am Nachmittag, dass die Genehmigung für das AKW Brunsbüttel als Atommüll-Zwischenlager nicht rechtens ist. Zur Begründung hieß es, die Risiken für den Fall eines gezielten Terrorangriffs mit Flugzeugen und eines Angriffs mit speziellen Waffen seien nicht im erforderlichen Umfang berücksichtigt worden. Der Vorsitzende Richter Dierk Habermann sprach von mehreren Defiziten. Unter anderem seien die Risiken eines gezielten Absturzes des Airbus A380 ausgeblendet worden, sagte er.“ Das meldet vor wenigen Minuten der NDR.

Die Mängel, die die Klägerin Anke Dreckmann und ihr Anwalt Ulrich Wollenteit aufgezeigt haben, können hier in der Stellungnahme der Sachverständigen Oda Becker nachgelesen werden (PDF).

Damit lagern die neun Castorbehälter mit hochradioaktivem Atommüll ab sofort illegal in der Lagerhalle. Das Urteil stößt aber die gesamte so genannte Entsorgung mit hochradioaktivem Atommüll ins absolute Desaster. Denn nicht nur das Lager in Brunsbüttel muss ab sofort auch im rechtlichen Sinne als unsicher gelten. Baugleiche Hallen vom Typ STEAG stehen auch bei den AKWs Brokdorf, Krümmel, Grohnde, Unterweser und Lingen. Auch hier dürfte die Sicherheit mit Blick auf Flugzeugabsturz und Terroreinsatz nicht geprüft worden sein. Damit sind diese faktisch ebenso unsicher wie die Halle in Brunsbüttel.

(Für das Lager am AKW Unterweser ist ebenfalls noch eine Klage wegen der Sicherheitsmängel anhängig (OVG Lüneburg).)

Die Lagerhallen an den Atommeilern Biblis, Grafenrheinfeld, Gundremmingen, Isar und Philippsburg sind nach dem ohnehin schlechteren Konzept WTI gebaut und haben u.a. erheblich dünnere Betonwände. Daher dürfte das Schleswiger Urteil auch für diese Anlagen Folgen haben. Lediglich am AKW Neckarwestheim gibt es ein anderes Zwischenlagerkonzept (unterirdische Tunnel-Lagerung).

In Zweifel gezogen werden durch dieses Urteil auch die zuletzt erfolgten Stresstests der Entsorgungskommission (ESK), die unter der Leitung von Michael Sailer (Öko-Institut) durchgeführt worden sind. Sailer hatte als ESK-Vorsitzender den Anlagen ausreichend Sicherheit attestiert. Ein schwerer Irrtum, wie sich nun herausstellt.

Das Urteil kann nur bedeuten, dass damit der gesamte vom Atomrecht geforderte Entsorgungsnachweis für die noch in Betrieb befindlichen Atommeiler hinfällig wird. Niemand kann derzeit sagen, wie die Lagerung von hochradioaktivem Atommüll weiter gehen soll. Es gibt nur eine Konsequenz: Alle AKWs müssen daher sofort abgeschaltet werden.

Auch die Debatte um ein Endlagersuchgesetz steht jetzt vor dem Scherbenhaufen. Eine Verabschiedung wie bislang geplant, kann angesichts des Urteils von Schleswig nicht mehr stattfinden. Die Atommülldebatte muss wieder von vorn anfangen.

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Dirk Seifert

3 Gedanken zu “Urteil des OVG Schleswig: Atommülllagerung in Brunsbüttel nicht sicher! Fehlender Entsorgungsnachweis für alle AKWs muss jetzt zur Abschaltung aller Anlagen führen

  1. Danke, liebe Leute von umweltFairaendern, für den super Bericht. Habe den Prozess am ersten Tag begleitet und war total überrascht, wie kritisch Richter und beisitzende Richterin auf die Beklagte reagierten. Und total begeistert über den Anwalt Wollentheid und Oda Becker. Ich glaube, die haben mit ihrem Fachwissen und mit ihrem Engagement auch ein gutes Stück dazu beigetragen, dass das Gericht sich so entschieden hat.
    WAS FÜR EIN HOFFNUNGSSCHIMMER am Horizont für uns alle im Widerstand!!!

    Liebe Grüße
    Andrea Rausch von der BI Kiel gegen Atomanlagen

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